Um sie für Kommunalpolitik zu begeistern, hat die Gemeinde Denkendorf 60 junge Menschen eingeladen, bei einer fiktiven Ratssitzung ihre Ideen vorzubringen. Auch Filderstadt und Ostfildern haben besondere Gremien, um die Jugend zu beteiligen.
Eine Erweiterung des Freibads, mehr Computer an den Schulen, eine Graffitiwand, eine Eisdiele, eine Disco, aber auch Verbesserungen im Einzelhandel und im Nahverkehr oder ein Park für alle Generationen: Die 60 Jugendlichen, die sich bei den Thementagen im Rahmen des Projekts „Jugend entscheidet“ in Denkendorf beteiligt haben, hatten viele Ideen. In drei Gruppen – der „Denkendorfer City Gang 437“, den „Focusanten“ und der Gruppe „Die Macher“ – wurden viele Vorschläge ausgearbeitet und dann in einer fiktiven Ratssitzung als Anträge vorgebracht. Detaillierte Argumente für und wider wurden ausgetauscht, bevor am Ende abgestimmt wurde.
Geleitet wurde die Sitzung vom Denkendorfer Bürgermeister Ralf Barth. Sechs der zwölf Anträge wurden vom jugendlichen Gremium angenommen. Die Verwaltung prüfe nun, was umsetzbar sei, sagt Bürgeramtsleiterin Martina Steinacker. Es würden zudem Kompromisse erwogen, sodass auch Projekte, die keine Mehrheit fanden, wie die Erneuerung der Skaterbahn, der Park oder ein Pumptrack, eine Chance haben. „Wir nehmen viele Ideen mit und sehen, was man daraus machen kann“, sagt Steinacker. Dazu sollen die Jugendlichen mit der Verwaltung nach den Ferien noch mal zusammenkommen. Im Herbst entscheidet dann der Gemeinderat, welche Projekte realisiert werden. Außerdem haben die Jugendlichen weitere 150 Ideen, die nicht Eingang in die Anträge fanden, an Barth übergeben.
„Es ist spannend, die Sichtweise von Jugendlichen zu Themen zu hören, die auch uns Erwachsene beschäftigen“, sagt der Bürgermeister. Begeistert ist er, dass sich von 600 angeschriebenen Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren 60 beteiligt haben und so bewiesen, „dass sie Lust haben, mitzugestalten“. Die Jugendlichen hätten nicht nur eigene Interessen im Blick. „Ihnen ist nicht egal, was in ihrem Heimatort passiert“, sagt Barth. Jenny (17) bestätigt den Eindruck: „Ich würde mich gerne mehr in die Politik einbringen. Es ist toll, dass Jugendliche mit entscheiden dürfen.“ Ihr sei wichtig, die ganze Gemeinde im Blick zu haben. Auch Joshua (15) findet es gut, dass junge Leute Gehör finden.
Keine Eintagsfliege
Die Thementage sollen keine Eintagsfliege sein. Am Ende der Sitzung votierten die Jugendlichen einstimmig dafür, 2023 wieder eine Beteiligungsaktion zu machen. Auch Barth kann sich vorstellen, dass die Jugendbeteiligung in dieser Form nachhaltig ist. Ihm sei wichtig, „dass die Berührungsängste zwischen Politik, Verwaltung und Jugendlichen gering sind“.
Der Wunsch nach einem Jugendgemeinderat wurde in Denkendorf aber nicht laut. Dafür sei die Kommune mit gut 11 000 Einwohnern zu klein, meint auch Barth. In Filderstadt dagegen hat man langjährige Erfahrung mit dieser Form der Jugendbeteiligung. 1987 wurde dort erstmals ein Jugendgemeinderat gewählt, damals der erste direkt gewählte Jugendgemeinderat in Deutschland. In der Stadtverwaltung wurde eigens eine Geschäftsstelle eingerichtet. „Ein Erfolgsmodell“, meint Oberbürgermeister Christoph Traub. „Es ist uns wichtig, die Anliegen der Jugendlichen wahrzunehmen.“ Vieles haben die Jugendlichen anstoßen und durchsetzen können – vom Jugendhaus über eine Nachtbuslinie an Wochenenden bis hin zu einer Skateranlage und einem Mehrwegbechersystem. Jede Generation habe ihre Themen, sagt Traub. Derzeit sei Klimaschutz ein Anliegen, aber auch der Ukraine-Krieg beschäftige die jungen Leute. Für den OB ist klar, dass der Jugendgemeinderat keine Einbahnstraße ist und nicht nur die jungen Menschen Themen einbringen können, von denen die ganze Stadt profitiere. Auch der Blickwinkel der Räte ändere sich durch den Jugendgemeinderat, der im Stadtparlament das Recht hat, Anträge zu stellen und eine Haushaltsrede zu halten.
„Die Jugendgemeinderäte arbeiten professionell“, so der OB. Derzeit wird das Gremium vor allem von den Schulen gestützt. „Es ist viel Kommunikation nötig, um Jugendliche für die Gremien zu begeistern. Das wäre ohne die Schulen nicht leistbar.“ Die Folge ist allerdings, dass fast nur Schüler in dem Gremium sitzen. „Wir würden gerne auch junge Menschen gewinnen, die bereits im Berufsleben stehen“, sagt der OB.
In Ostfildern wird künftig eine Jugendvollversammlung die Interessen junger Menschen vertreten. Zu Sprechern wurden die Schülerin Merle Dorneich und der Student Hannes Schmid für eine Amtszeit von zwei Jahren gewählt. Sie vertreten die Anliegen junger Menschen gegenüber dem Gemeinderat und der Stadtverwaltung. Als beratende Mitglieder im Gemeinderat nehmen sie an den Sitzungen teil, sofern jugendrelevante Themen auf der Tagesordnung stehen. Die Sprecher haben im Gemeinderat Rede-, Anhörungs- und Antragsrecht.