Das beschmierte Fenster der Erinnerung an Sigmunde Friedmann in der Hohenstaufenstraße. Foto:  

Es ist ein Fenster der Erinnerung. In die Zeit als Stuttgarter jüdischen Glaubens verfolgt und getötet wurden. Nun wurde es zerstört. Weiß man, wer der Täter war?

Manche Dinge kann man einfach nicht fassen. Wessen Geistes Kind ist jemand, der eine israelische Fahne vor dem Theater herunterreißt und sie verbrennt? Wessen Geistes Kind ist jemand, der eine Gedenkplakette für eine in Theresienstadt ermordete Stuttgarterin jüdischen Glaubens beschmiert?

Wer war Sigmunde Friedmann?

Am dem Haus Hohenstaufenstraße 17 A erinnern ein Stolperstein und eine Gedenkplakette an Sigmunde Friedmann. Sie ist am 12. Juli 1872 in Fürth geboren und lebte von 1894 an in Stuttgart. 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert, dort starb sie zwei Jahre später.

Was ist ein Stolperkunstclip?

Ihr Urenkel Donald Isler ehrte sie, indem er für ein Video des Künstlers Hans-Jürgen Trinkner über das Leben seiner Uroma die Musik komponiert hat. Den sogenannten Stolperkunstclip kann man über den QR-Code finden, der auf dem sogenannten Fenster der Erinnerung hinterlegt ist. Diese Plakette ist ein besonderes Projekt der Stolperstein-Initiative. Und ist nun offenbar von einem oder mehreren Antisemiten mit blauer Farbe besprüht worden. Dass das Blau jenem blau der Fahne Israels ähnelt, dürfte kein Zufall sein. Die Stolperstein-Initiative Süd hat Strafanzeige gestellt bei der Polizei, der Staatsschutz ermittelt. Bisher ohne Ergebnis. Die Initiative geht von einem materiellen Schaden von 8000 Euro aus, so viel koste die Reinigung, wenn dies überhaupt möglich sei. Schlimm genug, aber größer noch ist das Entsetzen über die Tat. Dass wieder jüdisches Leben in Stuttgart attackiert wird.

Ein Leben in Stuttgart

Sigmunde Friedmann war mit dem Stuttgarter Kaufmann Albert Friedmann verheiratet. Alberts neun Jahre älterer Bruder Siegfried hatte 1882 ein Weiß- und Wollwarengeschäft in Stuttgart in der Eberhardstraße 65 begründet, das sich schnell zum Fabrikationsbetrieb entwickelte, zuerst mit Sitz in der Paulinenstraße 19, dann ab 1892 in der Kurze Straße 4, der heutigen Feinstraße, im Stuttgarter Süden, dort im Parterre und im Anbau. Schließlich zog die Firma in die Adlerstraße 16.

Das Paar wohnte in der Olgastraße 75, später in der Kurzen Straße 4 umzog. Hier Hier wuchsen ihre beiden Töchter auf: Else und Claire. 1931 starb Albert Friedmann “infolge eines Herzschlages im Alter von 67 Jahren“, wie es seine Witwe Sigmunde im Stuttgarter Neuen Tagblatt anzeigt.

Der Naziterror

Der Schwiegersohn Manfred Nussbaum, Ehemann der Tochter Claire, versuchte die Firma weiterzuführen, doch in der Nazizeit gelang dies nicht mehr, 1935 gab es die Firma nicht mehr.Sigmunde verbrachte nach dem Tod ihres Mannes viel Zeit bei der Familie der Tochter Claire Nussbaum in der Erdgeschoss-Wohnung des Hauses Hohenstaufenstraße 17 A bei den beiden Enkeln. Deshalb finden sich dort auch Stolperstein und Tafel.

Sie Friedmann musste alle Stufen von Entrechtung und Raub ihres Vermögens erleben: die Judenvermögensabgabe von 25 Prozent, zu zahlen in fünf Teilbeträgen in der Zeit von Dezember 1938 bis November 1939, Entziehung des Bankkontos, Beschlagnahmung der Wertsachen, Zwangsveräußerung von Möbeln und Haushaltsgegenständen.

Die letzten Jahre

Schließlich blieb ihr, von 1938 bis 1939, ein möbliertes Zimmer in der Alexanderstraße 153 bei dem jüdischen Rechtsanwalt Erlanger und seiner Frau. Letzte Bleibe in Stuttgart von 1940 bis 1941 war das Haus der jüdischen Fabrikantenwitwe Johanna Gutmann: Am Kräherwald 197. Im Februar 1942 musste sie ins Schloss Weißenstein auf der Alb östlich von Göppingen. Ein Flügel des Schlosses war im Spätherbst 1941 für alte und nicht mehr arbeitsfähige Juden als „Altersheim“ eingerichtet worden. Sie durften sich nur im Schlosshof und auf einem kleinen Spazierweg vor dem Schloss frei bewegen. Tochter Claire, die 1939 mit der Familie nach USA emigrieren konnte, erhielt über das Rote Kreuz noch einen Brief vom 13.8.1942. Er ist das letzte Lebenszeichen der Mutter.

Tod in Theresienstadt

Nur eine Woche später wurden die alten Menschen ins Sammellager auf dem Killesberg verfrachtet. Von dort ging die Fahrt nach Theresienstadt, der Zug kam am 23. August dort an. Sigmunde Friedmann starb in Theresienstadt am 5. April 1944 im Alter von 72 Jahren.