Andrea Berg: Bettszene auf dem Bus Foto: Baumann

An diesem Sonntag war es sehr heiß, es gab keine andere Arbeit, als nichts zu tun.

An diesem Sonntag im August war es sehr heiß, es gab keine andere Arbeit, als nichts zu tun. Das Nichtstun ist nicht so einfach, wie es politische Nichtsnutze professionellen Tagedieben unterstellen. Am Morgen lief ich als Jogger durch die Straßen, von Westen nordwärts hinauf zum Chinesischen Garten. Die Hitze an diesem Sonntag hätte auch einem Chinesen zu schaffen gemacht, und so lief ich zurück ins Tal und in den Schlossgarten, wo sich sonntagmorgens immer einige konterrevolutionäre Chinesen zu spirituellen Übungen in der Nähe unserer Indianerzelte versammeln.

Die Menschen brauchen spirituelle Übungen zum Überleben, sie versuchen es mit Power-Joga, Indianerzelten und Sex. Die geistloseste von allen Übungen ist Joggen. Diese in grellfarbene Wurstpellen gehüllten Dauerrenner tun so, als sei es eine Leistung, so lange herumzulaufen, bis ihnen die Zunge und das Leben zum Hals heraushängen - und nächstes Mal ein paar Meter weiter.

In Degerloch wohnt der Fußballgott

Nachmittags ging ich zum Fußball nach Degerloch, was einer spirituellen Übung weit näher kommt als Joggen. In Degerloch wohnt der Fußballgott. Neben unserem Fußballplatz, auch als Waldau bekannt, sah ich hinter dem Tor einen Reisebus stehen. Einen Bus, mit dem ich ohne Zögern bis nach China fahren würde. Die Grundfarbe des Fahrzeugs Schwarz, die komplette Fahrerseite mit dem Foto einer fast nackten Dame verziert. Bereits von außen roch die edle Karre wie die Fünf-Sterne-Suite eines VW-Managers. Die Dame auf der Karosserie hat man in einer solistischen Bettszene verewigt, sie produziert sich auf dem Laken, die womöglich markantesten Stellen ihres gebräunten Körpers mit feinem Tuch verhüllt. Der links überholende Autofahrer muss sich mit ihrem Kopf und ihren Beinen begnügen, bevor er gegen die Leitplanke kracht, sieht aber noch, dass sich der Bus auf "Tausend und eine Nacht-Tour" befindet, der heimischen Variante von Bob Dylans "Never Ending Tour".

Wenn eine Dame für ihren Tausend-und-eine-Nacht-Trip in horizontaler Pose wirbt, ließe sich über den Zweck des Unternehmens unter der Männerdusche lange spekulieren - wäre nicht der Name der rollenden Diva auf dem Automobil zu lesen. Bei dem Bus handelt es sich um die Tournee-Kutsche von Andrea Berg, einer berühmten Schlagersängerin, die mit ihrer Art von Autolack-Promotion eine zeitgenössische Corporate-Identity-Strategie fährt. Eines ihrer erfolgreichen Alben heißt "Splitternackt", einer ihrer Hits "Du hast mich tausendmal belogen".

Herr Ferber gilt in der Fußballbranche als seriös

Dieses künstlerische Konzept ist so einleuchtend wie die ökonomische Idee, den Bus neben dem Fußballplatz zu parken. Frau Berg ist mit dem kaum weniger berühmten Fußballspieler-Berater Uli Ferber aus Kleinaspach verheiratet; er kümmert sich um Stars wie Aleksandr Hleb und Mario Gomez. Und weil Herr Ferber ein Herz für Große wie für Kleine hat, ist er Mäzen des viertklassigen TSV Sonnenhof Großaspach (der Vorname Sonnenhof verweist dezent auf seinen Erstberuf als Hotelier). Herr Ferber gilt in der Fußballbranche als seriös. Ein Fachmann hat mir mal erzählt, Herr Ferber neige weit weniger zur Gier als viele seiner Kollegen, weil er, erstens, nie arm gewesen und, zweitens, mit Frau Berg verheiratet sei.

Ich erzähle dies, weil Herrn Ferbers bodenständige Erstbestimmung als Bäcker und Wirt der Grund sein muss, weshalb der Tausend-und-eine-Nacht-Bus neben dem Fußballplatz parkt. Hätte er seinem Verein einen eigenen Bus gekauft, würde das Vehikel die meiste Zeit nutzlos herumstehen wie ein Ferienbungalow. Fußballer fahren nur alle zwei Wochen zu einem Auswärtsspiel, sie sind im Vergleich zu Schlagersängerinnen wahre Nichtsnutze. Durch die kulturelle Symbiose von Pop & Fußball liegt es auf der Hand, Spieler und Sängerin in einem Stall zu halten. Sie sitzen im gleichen Bus, auch wenn sich Großaspachs Fußballer von Frau Berg noch unterscheiden: Sie haben hässlichere Beine, tragen schlabbernde Turnhosen statt scharfer Strapse und bringen kein Geld ein. Beide aber, Schlagerikone und Dorfkicker, treten bei ihren Shows im selben, von Herrn Ferber erschaffenen Stadion auf. Das ist Effizienz.

Schlimmer als ein 1:1 gegen Großaspach ist nur der Tod

Die Stuttgarter Kickers dagegen sind so arm, dass wir auf unserem Sportplatz bis heute keine Anzeigentafel haben, auf der man die Fans mit einem Video von Andrea Berg animieren könnte. Wohl deshalb mussten wir uns an diesem heißen Sonntag mit einem erbärmlichen 1:1 gegen Großaspach abfinden. Auf meiner Heimreise, die nicht im Luxusbus, sondern in der Straßenbahn der Linie 7 stattfand, sagte einer meiner Leidenskollegen: "Dieses Unentschieden fühlt sich an wie eine Niederlage." Ein anderer widersprach: "Nein, schlimmer."

Auf dem Weg nach Hause habe ich überlegt, was beim Fußball schlimmer sein könnte als eine Niederlage. Vor der Haustür hatte ich die Antwort. Schlimmer als ein 1:1 gegen Großaspach ist nur der Tod. Tausend und eine Nacht lang werden wir ihn noch sterben müssen.