Sven Schipplock ist der Matchwinner - er schießt den VfB gegen St. Pauli aus dem Tabellenkeller. Foto: dapd

Alles andere als ein flotter Dreier, den der VfB da einfuhr. Wen schert das im Abstiegskampf?

Hamburg - 83 Minuten waren gespielt, und nichts deutete darauf hin, dass der VfB den Siegen gegen Frankfurt (2:0) und Schalke (1:0) einen dritten Dreier folgen lassen könnte. Dann hatte Bruno Labbadia die goldene Eingebung. Der Trainer wechselte Sven Schipplock ein - und damit den Triumph. Vier Minuten lang spielte sich der Joker warm, dann steuerte er auf das Tor von St.-Pauli-Keeper Thomas Kessler zu. Schipplock (22) zögerte, suchte eine Anspielstation, und weil er keine fand, hielt er einfach selbst drauf. Sein Gegenspieler Markus Thorandt kam einen halben Schritt zu spät, Kessler machte sich vergebens lang und länger - der Ball landete am Innenpfosten und von dort im Tor (88.). 2:1 - der Sieg!

Bobic kann auf der Bank sein Glück kaum fassen

Was folgte, war eine Eruption der Gefühle all jener, die den Brustring trugen. "Für Sven freut es mich ungemein", sagte Serdar Tasci stellvertretend für die Kollegen, "er hängt sich im Training voll rein und gibt auch im Spiel alles, wenn er eingewechselt wird. Endlich hat er sich selbst belohnt." Draußen auf der Bank konnte Fredi Bobic sein Glück kaum fassen. "Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen, denn wir haben kein gutes Spiel gemacht", sagte der Manager, "wir hatten uns schon mit dem 1:1 abgefunden - und dann kommt der Kleine und macht das Tor." Es war ein besonderes Tor des 1,86 Meter "kleinen" Stürmers. Zum einen war es der Siegtreffer für den VfB, zum anderen das erste Bundesligator für das Reutlinger Sturmtalent. Deshalb bekommt sein Trikot aus diesem Spiel einen Ehrenplatz. Schipplock nahm zwar gern das Trikot des Hamburgers Charles Takyi an, weil er es einem Kumpel versprochen hatte - sein eigenes rückte er aber partout nicht heraus: "Das rahme ich ein und hänge es zu Hause an die Wand."

Einzelaktion bewahrt VfB vor Rückschlag im Abstiegskampf

Eine Einzelaktion bewahrte den VfB also vor einem Rückschlag im Kampf gegen den Abstieg, der an Dramatik kaum zu überbieten ist. Auf Platz 13 führen die Roten jetzt die Mannschaften des unteren Tabellendrittels an, doch St. Pauli liegt punktgleich auf dem Relegationsplatz. "Rang 13 hört sich gut an, aber wir wissen, dass es nach hinten verdammt eng ist", sagte Tasci. Nicht auszudenken, wenn Schipplock nicht mehr getroffen hätte. "Ich hatte das Gefühl, dass wir nach vorn etwas unternehmen müssen", sagte Bruno Labbadia über seinen Glücksgriff, "Sven hatte den Auftrag, Bewegung ins Spiel zu bringen." Was er dann ja zu aller Zufriedenheit getan hat.

VfB lässt St. Pauli in erster Halbzeit zu viel Platz

Das war auch dringend nötig, denn der VfB ließ St. Pauli in der ersten Halbzeit viel zu viel Platz und initiierte selbst viel zu wenig Vorstöße, um die nach vier Ausfällen komplett umgebaute Viererkette der Hamburger in Bedrängnis zu bringen - im Gegenteil: Die Roten ließen sich erneut durch eine lange, hohe Querflanke übertölpeln, die Fabian Boll zu Paulis Führung nutzte (19.). Der VfB glich umgehend aus, auch dies eine Einzelaktion: Tamas Hajnal legte einen Freistoß quer, in der Mitte fasste sich Zdravko Kuzmanovic ein Herz und zog aus gut 25 Metern ab - 1:1 (24.). "Ich habe Tamas zugenickt. Er wusste sofort, dass er mir den Ball zuspielen soll. Natürlich hatte ich auch Glück, dass ich den Ball so genau getroffen habe", sagte der Serbe.

Nach der Pause verfiel der VfB ins alte Muster. Die Abwehr wirkte nun zwar stabiler, nach vorn aber ging nicht viel - bis sich Schipplock ein Herz fasste. "Dieser Sieg war nicht schön, aber auch so ein Spiel muss man erst gewinnen", sagte Fredi Bobic, "auf so eine Serie mit drei Siegen hintereinander haben wir hingearbeitet, jetzt müssen wir dranbleiben."

Nächsten Sonntag kommt der VfL Wolfsburg, ein weiterer direkter Konkurrent. Da heißt es dann: nachlegen. Und ganz wichtig: Nicht immer sollte sich der VfB so auf sein Glück verlassen wie in St. Pauli.