Samstagnachmittag in Gerlingen: Horst Arzt schaut das Spiel seines VfB Foto: factum/Granville

Neben der Familie und seiner Firma bestimmen viele weitere Themen das Leben von Horst Arzt: die katholische Kirche, der VfB, die Kommunalpolitik, sowie das Engagement für die Freundschaft mit Menschen in Ungarn und für Vereine in Gerlingen.

Gerlingen - Er leidet an diesem Samstagnachmittag. Er sitzt im Wohnzimmer vor dem Fernseher – und sieht zu, wie dieser VfB, sein Klub, drei Tore kassiert und um 17.21 Uhr in die zweite Liga muss. Schon nach elf Minuten steht es eins zu null für Wolfsburg – da ist der Fotograf gerade fertig mit dem Bild für diesen Text. Horst Arzt behält das VfB-T-Shirt an und den roten Schal um. Er habe viele Einladungen gehabt zum gemeinsamen Betrachten des Elends, oder der letzten Chance des VfB, je nach Einstellung. Aber er wollte allein sein. „Ich habe zeitweise die Augen zugemacht und im Kopf den Film ablaufen lassen von damals. Ich habe Menschen gesehen, die mir vor 41 Jahren begegnet sind.“

Damals, das war 1975. Da war der VfB abgestiegen und hat gegen Vereine wie Jahn Regensburg, die Stuttgarter Kickers oder Röchling Völklingen gekickt. Ein Jahr später spielte der VfB seine zweite Saison in der Zweiten Bundesliga Süd. Der Präsident hieß Gerhard Mayer-Vorfelder. Am 9. Oktober stand Horst Arzt mit Ulrich Schäfer an einem Tor des Neckarstadions und verteilte das erste „Stadion Aktuell“. Er hatte die Fanzeitung des VfB angeregt, hergestellt wurde sie in seiner Druckerei. Eine Szene aus Horst Arzts imaginärem VfB-Film.

Seit Mitte der 1970er Jahre verband sich der Mann aus Gerlingen immer stärker mit dem Verein aus Cannstatt – wo er doch zuhause genug zu tun hatte. Es hat sich so ergeben. In der dritten Amtszeit ist er nun Mitglied des Ehrenrats, mit Menschen wie Hermann Ohlicher, Karlheinz Förster oder dem Konzertmanager Michael Russ. Diese Art der Mitarbeit beim VfB sei „nicht nur ehrenvoll, sie macht auch Spaß“. Der Abstieg sei vorhersehbar gewesen, meint Arzt, „das war kein Team mehr, die kämpferischen Typen haben gefehlt“. Er stehe voll hinter dem Sportvorstand. Doch drei Stunden nach diesem Bekenntnis kommt die Meldung, dass auch Robin Dutt seinen Posten räumen muss.

Man kennt Horst Arzt im Ort

Es gibt aber noch viel mehr Themen als den VfB im Leben des Horst Arzt. Er ist präsent im Ort. Man kennt ihn. Dabei ist er gar kein echter Gerlinger – wenn man diesen so definiert, dass er mindestens einen Ur-Ur-Urgroßvater aus dem ehemaligen Bauerndorf haben muss. Horst Arzt ist ein echter Leonberger – der in den vergangenen 61 Jahren zum Gerlinger wurde. 1955 kam er als Lehrbub in eine Gerlinger Druckerei, und der Ort gefiel ihm. Seither fühlt sich der 74-Jährige der Stadt verpflichtet. Sein vielfältiges Engagement in der katholischen Kirche, seit 36 Jahren als Laienprediger, lange Zeit als Kirchengemeinderat, begründet er so: „Ich mache das für die Kirche als Dienst, weil ich gerne Katholik bin“.

Als Stadtrat, der auch mal poltern kann, hat Horst Arzt ein Motto aus der Bibel: „Suche der Stadt Bestes“. Für die Freien Wähler sitzt er seit 1986 im Gemeinderat. Er wurde Ende Mai 2014 wiedergewählt, als Vierter in der fünfköpfigen Fraktion der Freien Wähler, als Achter von 22 Stadträten. Hat den zupackenden und herzlichen Mann geschmerzt, dass sieben andere mehr Stimmen bekommen haben als er? Arzt lacht. „Keine Tragödie.“ Immerhin ist er Stellvertreter des Bürgermeisters. Er trage die Stadtentwicklung mit – bei Neubauflächen aber bitte nur sparsam. „Ich bin Pragmatiker.“ Nach dieser Wahlperiode soll aber Schluss sein.

Arzt lobt Georg Brenner wie dessen Bürgermeister-Vorgänger: „Jeder hat für seine Zeit Höchstes geleistet.“ Und er bezeichnet Georg Brenner als „omnipräsent“. „Er will jeden Tag der beste Bürgermeister für alle sein, und er hört jeden an. Er kann Bürgermeister.“ Das Lob des Stellvertreters hat aber Grenzen. Arzt scheint ein ambivalentes Verhältnis zum Rathauschef zu haben. „Herr Brenner sieht manchmal etwas zu spät ein“, sagt Horst Arzt, „er ist gelegentlich beratungsresistent. Er könnte mit Robin Dutt verwandt sein.“

„Die Messe war gelesen“

Bestes Beispiel ist das Scheitern des Neubaus der Volksbank Strohgäu am Rathausplatz. Was ist da 2013/14 schief gelaufen? „Bank und Stadtverwaltung haben zu lange zusammen ohne die Beteiligung des Gemeinderats geplant.“ Dann kam die denkwürdige Bürgerversammlung mit Widerspruch, zum Schluss die „Zusammenfassung von Volkes Stimme“ durch den Bürgermeister, wie Brenner später sagte. Ein paar Tage später verwarf die Bank ihre Baupläne. Arzt: „Die Messe war gelesen.“

Außer seinem Engagement in vier, fünf Vereinen liegt Horst Arzt noch etwas am Herzen: Ungarn. Genauer gesagt, die Pflege der Freundschaft zu den Menschen in Gerlingens Partnerstadt Tata. Vor 27 Jahren hat das angefangen, unter Bürgermeister Albrecht Sellner. Arzt hat in Tata viele neue Freunde gefunden, er fährt pro Jahr zwei-, dreimal hin. Über Fronleichnam wieder mit 70 Menschen, darunter viele neue Gesichter. Unabhängig von der Politik und der schwierigen Regierung wolle er den Teilnehmern das Land und die Menschen dort nahebringen – in der Tradition, dass Gerlingen nach dem Krieg Hunderte Ungarn aufgenommen habe. Arzt organisiert praktische Hilfe, Sportausrüstung oder Stühle für eine Schule, jährlich eine Kleidersammlung, . Wie lange noch? „Das hört nicht auf.“