Schon 1970 besaß James Last über eine beachtliche Sammlung an Goldenen Schallplatten Foto: dpa

„Disco und Klassik, Schlager und Rock’n’Roll - Der Bandleader, Arrangeur und Komponist James Last konnte alles, außer aufhören. Er träumte davon, bis zuletzt auf der Bühne zu stehen und der Wunsch wurde ihm fast erfüllt. Am 9. Juni ist Hans Last, besser bekannt als James Last, in seiner Wahlheimat Florida gestorben. Er wurde 86 Jahre alt.

Stuttgart/Palm Beach - Sentimentale Abschiede lagen ihm nicht. Lieber sagte er mit einer fröhlichen Party Tschüss, wollte, dass seine Fans sich nicht trauernd, sondern tanzend an ihn erinnern. An Tagen wie diesen lohnt es sich deshalb, eine der alten „Non-Stop Dancing“-Schallplatten aufzulegen. Denn James Last ist tot. Er starb am Dienstag 86-jährig in seiner Wahlheimat Florida. Die Leichtigkeit, mit der er sich musikalische Stile aneignete, aber bleibt.

Disco und Klassik, Schlager und Rock’n’Roll – James Last konnte alles, außer aufhören. Und vor allem in den 1970er Jahren gab es musikalisch an diesem Mann kein Vorbeikommen. Der stets lässig mit dem Finger schnippende Bandleader und seine gerne schrill kostümierte Combo fehlten in keiner Fernsehshow, keine Kellerparty kam ohne die „Non-Stop Dancing“-Alben, ohne James Lasts Versionen von „Quantanamera“, „Aber dich gibt’s nur einmal für mich“ oder „Lara’s Theme“ aus. Ja, dieser Mann ließ sogar Mozart oder den Radetzky-Marsch swingen.

Als James Last im November 2008 Gast in der Redaktion unserer Zeitung war, bewies er, dass er diese souveräne Lässigkeit auch abseits der Bühne beherrscht. Den wollweißen Schal elegant ums beige Hemd geworfen, saß er damals am Redaktionstisch, unterstrich seine Sätze gerne mit sanften, weichen Gesten. Fast so, als ob er nicht in einem Konferenzsaal Platz genommen hätte, sondern vor seiner 40-köpfigen Band auf der Bühne stünde.

Fünfzig Jahre lang reiste er mit dieser um die Welt, begeisterte in Japan und China ebenso wie in Australien und Russland. Vor wenigen Wochen erst war er ein letztes Mal in Stuttgart aufgetreten, hatte sich fröhlich winkend nach einem putzmunteren Showfinale von den Stuttgarter Fans verabschiedet, schon wieder auf den Sprung in die nächste Stadt. Denn nichts hasste James Last mehr als Stillstand.

Genauso wie er zwischen seinen Wohnsitzen in Hamburg und in Florida hin- und her- pendelte, reiste er auch zwischen den Musikstilen umher, stets unermüdlich nach Neuem Ausschau haltend: „Wenn man sein Publikum nicht verlieren will“, sagte James Last, „muss man immer vorne dranbleiben.“

Auch Quentin Tarantino verwendete eine Komposition von James Last

In seinem Herzen war James Last zwar immer der Jazzer, als der er Ende der 1940er Jahre seine musikalische Karriere begonnen hatte. Doch er hatte nichts übrig für die Hochnäsigkeit vieler Jazzer gegenüber der Unterhaltungsmusik. „Musik ist Musik“, sagte er, „ich spiele nur das, was mir gefällt. Ich will schließlich bei jedem Song meinen Spaß haben.“ Deswegen prallten bei ihm Polka auf Rock’n’Roll, Schlager auf Klassik. Und es konnte vorkommen, dass in seinem Programm auf DJ Ötzis „Ein Stern, der deinen Namen trägt“ Gershwins „Summertime“ folgte, nach „Wake Me Up When September Ends“ von Green Day das Karnevalslied „Wer soll das bezahlen?“ dran war.

Und weil James Last nicht glaubte, dass früher alles besser war, sondern stets für neue Musiktrends offen war, jubelten ihm bei seinen Auftritten 70- und 15-Jährige gleichermaßen zu. Spätestens seit Kultregisseur Quentin Tarantino Lasts Komposition „Der einsame Hirte“ für den „Kill Bill“- Soundtrack verwendete und seit die Wiederveröffentlichung des funkigen Albums „James Last in Los Angeles“ aus dem Jahr 1975 in der DJ-Szene für Aufsehen sorgte, galt der König der Unterhaltungsmusik und der Erfinder des „Happy Sound“ als cool. Last outete sich im Gegenzug gar als Hip-Hop-Fan: „Es wurde Zeit, dass sich endlich mal Musiker zu Wort melden, die wirklich etwas zu sagen haben“, sagte er im Interview mit unserer Zeitung, „früher gab es oft Sänger, die hatten nur zweimal acht Takte Text, dann einen Mittelteil und anschließend den gleichen Text noch mal zu singen – und sie haben ihn trotzdem immer vergessen.“

Doch nicht für alle Trends im Musikgeschäft konnte sich Last begeistern. So hielt er nichts von TV-Castingshows wie „Deutschland sucht den Superstar“. „Ich hätte kein Interesse daran, in einer der Jurys zu sitzen, weil ich nicht gerne Geld damit verdienen würde, andere zu beleidigen“, sagte er. „Solche Shows werden nicht für die Leute gemacht, die dort auftreten, sondern nur, um den Fernsehsendern einen hohen Umsatz zu bescheren.“ James Last, der 1978 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und 2008 in seiner Geburtsstadt Bremen zum Ehrensenator der Hochschule für Künste ernannt wurde, fand, für Talentförderung sollten Musikschulen und nicht Fernsehshows zuständig sein.

Wie aus Hans James wurde

Er selbst verirrte sich eher zufällig ins Musikgeschäft, als nach Ende des Kriegs ein GI an die Tür von Lasts Elternhaus klopfte und fragte, ob dort Musiker wohnten. Er begann in den Clubs der Amerikaner Klavier zu spielen, gründete 1948 seine erste Combo, fand später als Bassist bei Radio Bremen eine Anstellung. Damals hörte er noch auf den Namen Hans. Erst in den 1960er Jahren taufte ihn seine Plattenfirma in James um – sie glaubte, seine Musik so besser international vermarkten zu können. „Die haben mich gar nicht gefragt“, sagte Last, der mit diesem James nie wirklich seinen Frieden schloss und seinen britischen Fans bei einem seiner 85 Konzerte in der Royal Albert Hall in London schließlich das Du anbot und sagte: „You can call me Hansi!“, ihr könnt mich Hansi nennen.

Für seine Plattenverkäufe wurde Last zwar mit 17 Platinplatten und über 200 Goldenen Schallplatten ausgezeichnet. Doch er war keiner, der sich gerne mit Rückblicken auf die eigenen Erfolge aufhielt. Er schaute lieber nach vorne, schwärmte schon vor dessen erster Wahl für den US-Präsidenten Barack Obama: „Der steht für die Zukunft und redet nicht wie John McCain nur über seine Erfolge aus einer längst vergangenen Vergangenheit.“

Und auch er schaute immer lieber nach vorne, wollte immer weiter touren: „Solange das sich noch irgendwie rechnet, werde ich aber weitermachen“, sagte Last kurz vor seinem 80. Geburtstag. „Jede meiner Touren ist ja eigentlich eine Last-Tour“, sagte er lachend in Anspielung auf die englische Bedeutung seines Namens (last heißt letzte), stellte dann aber klar: „Wenn man Musiker mit Leib und Seele ist, kann man nicht einfach aufhören: Ein Kunstmaler beschließt ja auch nicht mit 80, einfach den Pinsel wegzulegen, sondern malt so lange, bis er umfällt.