Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach warnt die Politik vor einer Handlungsunfähigkeit in Teilen der Verwaltung. Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Sehr kritisch reagiert Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach auf die Absage von Bundesinnenministerin Nancy Faeser kurz vor der Beamtenbund-Tagung in Köln. Und er spart nicht mit warnenden Worten am Zustand des öffentlichen Dienstes.

Das hat es bei der traditionellen Beamtenbundtagung noch nicht gegeben: Kurz vor dem Jahreswechsel hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser ihre Teilnahme abgesagt. Üblicherweise stellen sich die Chefs des Innenressorts dem politischen Schlagabtausch in Köln, die Sozialdemokratin blieb diesem kurzerhand fern – obwohl ihre Rede praktisch fertiggestellt und abgestimmt war. Insofern wurde in den Reihen der Beamten gerätselt, was dahinter stecken könnte: eine Reaktion auf kritische Anmerkungen von Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach im Vorfeld etwa? Das wäre ein politischer Affront.

Der Dachverbandsvorsitzende zeigte sich jedenfalls über die „Art und Weise der Absage“ enttäuscht: „Weder hat es eine persönliche Nachricht, noch eine sonstige Begründung gegeben, warum die schriftliche Zusage nicht eingehalten wurde.“ Und er legte nach: „Diese Stillosigkeit haben wir im ansonsten guten und vertrauensvollen Miteinander zwischen Innenministerium und Beamtenbund noch nicht erlebt.“ Der von Faeser in die Domstadt gesandte Staatssekretär Bernd Krösser konnte nicht zur Erhellung beitragen, außer dass sie durch andere wichtige Termine verhindert sei und dass ihr die Zusammenarbeit mit dem Beamtenbund sehr wichtig sei. Doch ein Nachgeschmack bleibt.

Keine Entlastung bei der 41-Stunden-Woche

Freunde würden die Ministerin und der DBB-Chef wohl nicht mehr, heißt es in dessen Umfeld. Auch inhaltlich sah Silberbach Anlass für eine kritische Abrechnung: Vor einem Jahr habe Faeser in Aussicht gestellt, dass insbesondere belastete Berufsgruppen unter den Bundesbeamten von der 41-Stunden-Woche entlastet werden sollen. „Was ist passiert? Nichts!“, sagte er. „Es gibt an diesem Punkt keinerlei Bewegung.“ So werde das Vertrauen in den Staat untergraben – gerade bei denen, die ihn tragen sollen.

Staatssekretär Krösser erteilte einer generellen Reduzierung der Arbeitszeit eine klare Absage, weil dies angesichts des wachsenden Personalmangels die Leistungsfähigkeit der Bundeseinrichtungen beeinträchtigen würde. Schon jetzt sind zehn bis 16 Prozent der Stellen unbesetzt.

Insgesamt fehlen dem öffentlichen Dienst nach Rechnung des Beamtenbundes mittlerweile mehr als 550 000 Beschäftigte. Zudem gehen in den nächsten zehn Jahren mehr als 1,3 Millionen Beschäftigte in den Ruhestand. „Der Personalnotstand gefährdet die Handlungsfähigkeit von Staat und Verwaltung“, betonte Silberbach.

Erschwerend komme hinzu, dass immer mehr Regelungen in immer kürzerer Zeit getroffen und umgesetzt werden müssten. „Noch nie haben neue Gesetze so umfängliche Kosten und bürokratischen Aufwand für Unternehmen, Behörden und Bürger verursacht.“ Allein im Jahr 2022 seien diese Belastungen um 9,3 Milliarden auf 26,8 Milliarden Euro gestiegen.

„Unverschämtheit“ des Bundesjustizministers

„Nicht wir machen die Gesetze“, nahm Silberbach die öffentliche Verwaltung in Schutz. „Wer weniger Bürokratie will, muss sagen, was gut ist und was weg kann.“ Den Vorwurf von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), die Verwaltung wäre zu bürokratisch und brauche lediglich einen Mentalitätswechsel, um auch mal „fünf gerade sein zu lassen“, nannte Silberbach „fast schon unverschämt“. Die Beschäftigten nutzten bereits ihre Ermessensspielräume, seien aber auch an Recht und Gesetz gebunden. Sie bräuchte „keine populistische Schelte des Justizministers, sondern eine praxistaugliche Gesetzgebung“.

Handlungsunfähigkeit droht aus seiner Warte in den Kommunen, Jobcentern und der sozialen Arbeit. In zahlreichen Brandbriefen würden die Städte und Gemeinden vor einer drohenden Überlastung warnen. Chronische Unterfinanzierung und permanente Aufgabenzuwächse „nehmen den Kommunen die Luft zum Atmen“. Wenn in der Folge die sogenannten freiwilligen Leistungen wie Schwimmbäder, Sportstätten, Jugendzentren oder Büchereien eingeschränkt würden, dann träfe dies den Kitt der Gesellschaft.

„Den Menschen reinen Wein einschenken“

Einer Umfrage zufolge gehen nur 27 Prozent der Bürger davon aus, dass der Staat seine Aufgaben noch erfüllen kann. „Wenn das Vertrauen in die Politik nicht weiter schwinden soll, dann müssen den Menschen im Land klare Perspektiven aufgezeigt werden“, mahnte Silberbach. „Kein Verwalten, sondern Gestalten.“ Zur Finanzierung müssten „alle Staatsausgaben auf den Tisch“. Dabei müsse sich die Politik „ehrlich machen“ und den Menschen „reinen Wein einschenken, was geht und was nicht geht“.

Für 64 Prozent der Befragten ist die „Bürgerferne der Politik eine der größten Gefahren für die Demokratie“, wie der Vorsitzende feststellte. Viele der Menschen hätten das Gefühl, „dass es viele Verantwortliche nicht allzu genau nehmen mit der Achtung vor dem Rechtsstaat“. Als Beispiele nannte er „Selbstbedienung durch Maskenbetrug in der Pandemie“, aber auch eine „verfassungswidrige Besoldung“ und „immer mehr von Karlsruhe kassierte Gesetze“.