Im ehemaligen Kreisimpfzentrum in Esslingen wurde im März ein Aufnahmezentrum für Flüchtlinge aus der Ukraine eingerichtet. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Der Ukrainekrieg hat auch den Kreis Esslingen erreicht. Die Unterbringung von Geflüchteten hat sich zur wohl größten Herausforderung entwickelt. Im Schatten dieser Krise ging der anhaltende Kampf gegen die Coronapandemie fast unter.

Der Krieg in der Ukraine erreichte nur wenige Tage nach seinem Beginn auch den Landkreis Esslingen: Mitte März kamen die ersten 100 Flüchtlinge aus der Landeserstaufnahmestelle in Karlsruhe im eigens eingerichteten Aufnahmezentrum in der Esslinger Zeppelinstraße an – dort wurden die Räume des ehemaligen Kreisimpfzentrums hergerichtet. „Wir sind auf die Aufnahme von Flüchtlingen gut vorbereitet“, sagte der Landrat Heinz Eininger damals voller Zuversicht.

Im Lauf des Jahres zeichnete sich jedoch ab, dass die Unterbringung und Betreuung der Menschen aus der Ukraine, aber auch in zunehmenden Maße von Flüchtlingen aus anderen Krisenregionen dieser Welt, die Esslinger Kreisverwaltung und ihre Partner in diesem Jahr vor eine gewaltige Herausforderung stellen. In den vergangenen zwölf Monaten wurden dem Landkreis Esslingen fast 8000 Geflüchtete zugewiesen, „das sind so viele wie auf dem Höhepunkt der Zuwanderung in den Jahren 2015 und 2016 zusammengerechnet“, blickt Eininger zurück. Und sorgenvoll nach vorn: Ein Ende des Zustroms sei nicht in Sicht.

Unterbringung von Geflüchtete wird zur Daueraufgabe

Bereits im Sommer zeichnete sich ab: „Wir sind an der Belastungsgrenze. Unsere Kapazitäten sind ausgeschöpft“, räumte der Landrat ein. Mit Hochdruck arbeitete die Verwaltung daran, auslaufende Mietverträge, wo immer es geht, zu verlängern und neue Unterkünfte zu finden. Tatsächlich gelang es, bis Jahresende mehr als 1700 Plätze allein für Menschen aus der Ukraine zu schaffen – die meisten davon in Großunterkünften in Esslingen und Nürtingen.

Doch damit ist es nicht getan: Flüchtlinge dürfen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben nur sechs Monate in der vorläufigen Unterbringung des Kreises verbleiben, danach sind die Städte und Gemeinden in der Pflicht, ihnen ein Dach anzubieten.

Hier aber hakt es. Zwar ist es seit dem Frühjahr gelungen, knapp einem Drittel der Menschen in den Kommunen eine längerfristige Bleibe zu verschaffen. Allerdings warten in den Notunterkünften des Landkreises im Moment noch immer Hunderte Geflüchtete darauf, kommunalen Wohnraum zugewiesen zu bekommen. „Hier bedarf es gemeinsamer Anstrengungen“, wurde Eininger nicht müde zu betonen. „Die Unterbringung von Flüchtlingen wird zur Daueraufgabe.“

Gleiches, sagte der Landrat an die Adresse von Bund und Land gerichtet, gelte auch für den Staat. Der Kreis erwarte „eine auskömmliche Erstattung der Kosten“ und eine verlässliche Unterstützung in der Flüchtlingshilfe. In vielen Bereichen – etwa bei der Existenzsicherung für die ukrainischen Flüchtlinge, aber auch für Verpflegung, Sicherheitsdienste und die ambulante medizinische Betreuung in den großen Unterkünften – musste der Kreis in erheblichem Umfang finanziell in Vorleistung gehen, „obwohl das ganz klar eine staatliche Aufgabe ist“, kritisierte Eininger.

Impfstützpunkte wurden Ende März aufgelöst

Im Schatten der Flüchtlingskrise stand eine zweite Krise, die die Landkreisverwaltung in diesem Jahr nicht minder forderte: die Bekämpfung der Coronapandemie. Zwar hatte das Land Baden-Württemberg sein Impfangebot im Frühjahr, als die meisten Menschen schon zweifach geimpft waren und die Nachfrage deshalb nachließ, massiv heruntergefahren. Die sechs Impfstützpunkte im Kreis wurden daher Ende März aufgelöst – trotz steigender Inzidenzwerte.

Das mobile Impfteam der Malteser Neckar-Alb fuhr jedoch weiterhin mit dem Impfbus durch die Städte und Gemeinden des Landkreises Esslingen, um die Immunisierungen gegen das Coronavirus vor Ort zu ermöglichen – und zwar bis in den November hinein. Dann wurde der Bus von einer festen Anlaufstelle, dem zentralen Impfstützpunkt in Nürtingen, abgelöst.

Der ist inzwischen auch schon wieder Geschichte. Denn das Land Baden-Württemberg hat, dem Verlauf der Pandemie Rechnung tragend, die Coronastrategie geändert: Ab jetzt übernehmen Arztpraxen und Apotheken die Schutzimpfungen. Damit endet die Impfkampagne im Kreis Esslingen für die Malteser. Der Hilfsdienst war „uns zur Bewältigung der Coronapandemie eine große Stütze“, zog der Landrat dankbar Bilanz.

Der Corona-Inzidenzwert hat an Bedeutung verloren

Infektionswellen hat es in diesem, nunmehr dritten Coronajahr durchaus gegeben. Mit einer 7-Tage-Inzidenz von 2182 hatte die Pandemie am 20. März ihren Höchststand im Landkreis Esslingen erreicht und ging dann bis Anfang Juni auf einen Wert unter 200 zurück. Am 16. Juli wurde mit einer Inzidenz von 998 der Höhepunkt der Sommerwelle erreicht, am 18. Oktober mit 1178 die Spitze der Herbstwelle. Seither sinkt die 7-Tage-Inzidenz im Kreis Esslingen stetig, sie lag kurz nach Weihnachten bei nur noch rund 113.

Dieser Wert allerdings hat inzwischen an Bedeutung verloren. Experten gehen davon aus, dass die gemeldete Zahl nur noch einen Bruchteil des Infektionsgeschehens abbilden. Das baden-württembergische Sozialministerium verzichtet deshalb nun auf den täglichen Coronabericht.

Im Alltag der meisten Menschen hat das Coronavirus längst seine Omnipräsenz verloren. Bis auf die Maskenpflicht in öffentlichen Nahverkehrsmitteln gibt es auch keine Einschränkungen mehr.