Foto: Leonie Hemminger

Förster Rudolf Bertram zerlegt die Tiere selbst, die in seinem Jagdrevier geschossen werden. Etwa 60 Rehe und Wildschweine landen pro Jahr in seiner Schlachtkammer.

Weilimdorf - Hoch über dem Schlachthaus von Rudolf Bertram kreisen drei Greifvögel. „Hier muss nur die Tür offen stehen, dann wissen die schon wieder, dass es was gibt“, sagt der Förster des Reviers Solitude. Wie immer, wenn er in der kleinen, gefliesten Kammer neben dem Forsthaus Wild schlachtet, bekommen die gierigen Vögel ein paar Fleischabfälle. Dieses Mal steht auf ihrem Speiseplan: Happen vom Reh und Brocken vom Wildschwein.

Pro Jagdsaison schießen die 13 Hobbyjäger, die für das 600 Hektar große Jagdrevier einen Begehungsschein besitzen, etwa 60 Rehe und Wildschweine, in guten Jahren mehr als 100. Wie viele Tiere geschossen werden dürfen, legt ein sogenanntes Verbissgutachten fest, das Bertram zusammen mit der Jagdbehörde alle drei Jahre aufstellt. Jedes erlegte Tier wird an den Revierförster abgegeben, der es ausnimmt und in seine Einzelteile zerlegt. Das Fleisch liefert Bertram an eine Weilimdorfer Metzgerei und gastronomische Betriebe; hin und wieder behalten es die Jäger selbst.

Ein Grundsatz gilt dabei stets: „Wir schießen nicht in erster Linie wegen des Fleisches oder weil es den Jägern Spaß macht, sondern um die Population zu regulieren“, erklärt Bertram. Nachhaltiges Schießen nennt er das. Schließlich habe das Wild keine natürlichen Gegenspieler mehr – weder Luchse noch Wölfe leben hier. Die Zahl der Rehe und Wildschweine in Schach zu halten, ist nach den Worten des Försters aber wichtig, damit sich die Wälder auf natürlichem Weg verjüngen können. Denn je mehr Rehe es gibt, umso mehr werden die jungen Bäume angeknabbert. Und auch, um Krankheiten vorzubeugen, darf die Wildpopulation nicht übermäßig anwachsen. „Wenn es zu viele gäbe, würden sich unter ihnen Seuchen ausbreiten.“

Wildfleisch ist besonders zart

Das Fleisch, das die Jagd ergibt, bezeichnet Bertram als „Nebeneffekt“. Was ihn daran begeistert, ist dessen Qualität. Diese zeige sich daran, dass das Wildschweinschnitzel beim Braten in der Pfanne nicht schrumpft. Das kommt nicht von ungefähr: „Das Wild hat sich bewegt, es wurde nicht schnell hochgezogen. Es hat absolut keine Medikamente oder Wachstumshormone bekommen.“ Auch ist das Fleisch sehr zart, was daran liegt, dass der Tod für das Tier überraschend kommt. Ganz im Gegensatz zum Schlachthof, der für die Tiere Stress bedeutet. Das Adrenalin, das sie dabei ausstoßen, lässt das Fleisch zäh werden. „Man kann nichts Glücklicheres und Artgerechteres auf dem Teller haben“, betont Bertram. Außerdem sei der Transportweg kurz und der CO-2-Ausstoß gering, da das Wild kein Silofutter bekommt. Bertram: „Die Ökobilanz ist kaum zu übertreffen.“

Im Kühlschrank des EU-zertifizierten Schlachthauses hängen ein zehn Kilogramm schweres Reh und eine 30 Kilogramm schwere Bache. Der Jäger hat beide Tiere oberhalb des Hasenbrünneles geschossen. Zuerst ist das Reh dran. Die Innereien hat Bertram bereits am Vortag herausgenommen und das Fleisch über Nacht ausbluten lassen. Eine städtische Veterinärmedizinerin hat die Organe nach Geschwüren, Parasiten und geschwollenen Lymphknoten untersucht. Ist das Reh in Ordnung, bekommt es einen EU-Stempel. Damit lässt sich später im Handel noch nachvollziehen, wo das Fleisch herkommt.

Zuerst bricht Bertram die Unterschenkel des Rehs ab. Das Geräusch erinnert an das Knacken, wenn Westernhelden ihre Handknöchel zurechtrücken, nur lauter. Geschickt zieht er das Fell ab, und zwar so, dass möglichst wenig Haare auf dem Fleisch landen. Die weiße Fettschicht, die darunter zum Vorschein kommt, ist dünn. Schließlich sind Rehe Vegetarier und haben wenig Fettpolster. Mit dem Messer ritzt Bertram den Hals an, um mit einem weiteren Knacken den Kopf abzutrennen. Dann entfernt er den Vorderlauf, in den der Schuss eingedrungen war, denn die Fleischhygiene-Verordnung schreibt vor, dass alle blutigen Stellen entfernt werden müssen. Der Jäger hat bewusst eine Munition verwandt, die Muskeln und Knochen an der Einschussstelle zerfetzt, damit die Schockwirkung im Körper groß ist und der Tod möglichst schnell eintritt.

Nach dem Zerlegen bleibt nur wenig Fleisch übrig

Nun trennt der Förster die kugelförmigen Lymphknoten heraus. Was jetzt noch übrig ist, teilt Bertram in seine Einzelteile: den Rehrücken, zwei Hinterläufe, ein Vorderlauf und zwei Rippenbögen, die für die Soße verwendet werden können. Vier Kilogramm zeigt die Waage nun noch an. Beim Wildschwein sind es am Ende mitsamt Knochen noch sieben Kilogramm. „Manche wundern sich, wie wenig letztlich übrig bleibt“, sagt der Förster. Das mache auch den höheren Preis für Wildfleisch aus.

Dennoch ist Bertram ein Freund von Wildgerichten. Sein Tipp für die Zubereitung: „Man sollte das Fleisch nicht einlegen, sonst verliert es seinen typischen Wildgeschmack.“ Wer den Rehrücken beim Metzger entbeinen lasse, sollte sich die Knochen mitgeben lassen, um daraus den Wildfonds anzusetzen. Unbedingt achten solle man auf die Herkunft des Fleischs, vor allem beim Hirsch. „Der ist zur Zeit sehr in Mode. Aber die meisten kommen aus Neuseeland, weil es dort Gehege gibt. Man kann nicht ausschließen, dass die Tiere Aufbaupräparate bekommen haben“, warnt er.