Die japanische Band An Café liebt es wie die meisten J-Rock-Formationen knallbunt. Foto: promo

J-Rock ist ein Phänomen: An Café bringen das japanische Erfolgsmodell ins LKA Stuttgart.

Bunt, schnell und schrill: Das sind An Café, Vertreter des asiatischen J-Rock. Doch wer glaubt, dass dieses Phänomen nur in Japan zu finden sei, der hat sich getäuscht. Eine unheimliche Begegnung mit der dritten Art.

„Ankoru!“, rufen die Zuschauer, „Zugabe“ auf Japanisch. Wieder und wieder rufen sie es, aber die Bühne bleibt dunkel. Dann, nach bestimmt fünf Minuten, regt sich etwas auf dem Treppenabsatz und dann sind sie wieder da und lassen die Wände mit hektischen Rhythmen erbeben. Und die Menge brüllt „Arigato!“ – Danke!

Anders als man denken könnte, ist der Ort der Handlung nicht Tokyo oder Yokohama, sondern das Longhorn in Stuttgart. Am Samstagabend hat dort eine japanische Rockband namens Antic Café gespielt, die von ihren Fans nur An Café genannt wird.

Sie bieten tanzbaren fröhlichen Rock mit Elektronik-Elementen, ruhigere Passagen werden schnell durch Schlagzeugwirbel aufgelöst. Es klingt zunächst nicht anders als eine westliche Punk-Band, bis Miku, der Frontmann, zu singen beginnt. Sein Japanisch fließt über die schnellen Beats hinweg und nimmt ihnen die Schärfe. Der Gesang wird nicht so direkt von den anderen Instrumenten unterstützt, wie man es von europäischer oder amerikanischer Popmusik vielleicht gewöhnt ist, sondern setzt Akzente, fast wie ein fünftes Instrument neben Bass, Schlagzeug, Gitarre und Keyboard.

Dieser spezielle Sound ist typisch für den sogenannten J-Rock. Ebenso das Erscheinungsbild der Bandmitglieder: Sie tragen wild kombinierte Kostüme, die an eine Bad-Taste-Party erinnern: Pailletten-Westen, grüne Strumpfhosen unter pinkfarbenen Shorts, eine neonfarbene Sonnenbrille und Glitzer, jede Menge Glitzer. Ihre Haare sind fransig geschnitten und bunt, mal mit Strähnchen, mal ohne. Mit ihren schwarzen Kontaktlinsen wirken sie wie lebendig gewordene Manga-Figuren. „Oshare Kei“ wird dieser Stil genannt, eine fröhlichere Unterform des „Visual Kei“, einer Zusammenfassung verschiedener ästhetischer Stile, derer sich viele J-Rock-Bands bedienen.

Wer glaubt, dass sich das Phänomen des Visual Kei nur auf Japan und ein paar Fan-Konzerte in Europa oder Amerika beschränkt, der muss nur die stufige, hochtoupierte Frisur des Bassisten Kanon betrachten. Unweigerlich fühlt man sich an ein deutsches Teenie-Phänomen erinnert: Bill Kaulitz, Frontsänger der Band Tokio Hotel. Doch es gibt auch andere erfolgreiche Beispiele in Deutschland, die sich an der japanischen Rockstar-Ästhetik orientieren, wie die Berliner Glam-Rock-Band Cinema Bizarre.

Auch wenn J-Rock-Fans Tokio Hotel niemals dem echten Visuel Kei zuordnen würden, ist der Effekt der doch der gleiche: Das überwiegend weibliche Publikum kreischt, wenn der Bassist Kanon sich dem Bühnenrand nähert oder wenn Miku einen leuchtenden Plastik-Stern schwenkt. Sie reißen sich um das Plektrum, das der Gitarrist Takuya in die Menge wirft. Ein junger Mann zieht sich das T-Shirt vom Kopf und bittet den Keyboarder Yu-Ki, es mit ihm zu tauschen.

Dabei haben An Café nichts von dem typischen Rockstar-Gehabe oder einem Justin-Bieber-Grinsen. Sie wirken mehr wie zierliche androgyne Puppen, fast schon unmenschlich. Das Publikum ist begeistert dabei, ahmt jede ihrer Bewegungen nach. Auch wenn das LKA bei Weitem nicht ausverkauft ist – die anwesenden Fans überschlagen sich vor Begeisterung und machen den Bandmitgliedern mit ihren Kostümen Konkurrenz. Wenn die Musiker von kleinen Zetteln deutsche Texte vorlesen, ist der Lärm ohrenbetäubend.

„Nyappy!“ ruft die Band, ihre selbst erfundene Version von „happy“. „Nyappy!“, brüllt das Publikum zurück. Alles an An Cafés Show ist „nyappy“, ob es die schrägen Tanzeinlagen des Keyboarders Yu-ki sind oder Mikus hell glitzerndes Mikrofon, alles wirkt ein bisschen aufgesetzt. Aber genau das scheinen die Fans zu lieben. „Mein Herz schlägt für euch“, sagt Miku und bildet mit beiden Fingern ein Herz vor der Brust. Überall in der Menge schießen Hände hervor, die ihm ebenfalls Herzen entgegenstrecken.