Es ging um die Zukunft der Regierung Letta und Italiens. Aber auch Berlusconi stand auf dem Prüfstand. Durchgesetzt hat sich der ruhige Ministerpräsident - aber erst nach einer Kehrtwende des Cavaliere.

Rom - Showdown am Tiber: Italiens Regierungschef Enrico Letta hat mit einem überzeugenden Ergebnis die Frage beantwortet, ob er weitermachen kann oder das Handtuch werfen muss. Turbulente Wochen in der Politik des Krisenlandes gipfelten am Mittwoch in der Vertrauensfrage im Senat, bei der Letta 235 Senatoren hinter sich bringen konnte, nur 70 verweigerten ihm die Rückendeckung. Danach wurde die zweite Abstimmung im Abgeordnetenhaus, in dem Lettas Partei sowieso die absolute Mehrheit hat, zu einer Formsache.

Ob das Experiment einer großen Koalition im drittgrößten Land der Euro-Zone damit nach nur gut fünf Monaten enden würde oder nicht, das war nur die eine Frage. Denn auch für Silvio Berlusconi sollte dies ein Tag der Wahrheit werden - nach nahezu zwei Jahrzehnten als „Padrone“ der Rechten stand er vor der offenen Revolte in seinem Lager: Viele wollten weiter zu Letta halten. Also entschloss sich der Mailänder Medienzar und Milliardär in einer letzten Kehrtwende doch noch, Letta zu stützen - „für das Land und dabei nicht ohne Qual“.

Dabei hatte er - wie zuvor schon bei dem Reformer Mario Monti - den Stecker ziehen und Neuwahlen erreichen wollen. Bauchschmerzen bereitete dem Cavaliere, dass die Spaltung seiner Partei vor den Vertrauensabstimmungen bereits vollzogen schien. 23 Senatoren seiner Partei PdL (Volk der Freiheit) hatten sich schon von ihm abgewendet und waren auf Lettas Seite geblieben. Eine neue Mitte-Rechts-Kraft jenseits von Silvio Berlusconi ist angekündigt, er musste die Notbremse ziehen.

Den Fehdehandschuh warf Berlusconi kurz vor den entscheidenden Stunden im Parlament ausgerechnet der Mann hin, der lange loyal als seine rechte Hand und als Chef der Partei gewirkt hat. In einem überraschenden Schachzug forderte Vize-Regierungschef Angelino Alfano die Parlamentarier der PdL (Volk der Freiheit) am Dienstagabend auf, für eine Fortsetzung der Regierungsarbeit mit Letta und mit dessen linker Partei zu votieren. Damit stellte sich Alfano, der einst als Kronprinz des Ex-Regierungschefs Berlusconi gehandelt wurde, offen und frontal gegen seinen Patron - und der sprach dann von „Verrat“.

Die Fäden im Hintergrund zog Staatschef Giorgio Napolitano

Das Grummeln in Berlusconis Partei war längst zu einem Gewitter geworden. Als Berlusconi den „Falken“ in seinem Lager folgte und den Rückzug der fünf PdL-Minister aus Lettas Kabinett autoritär anordnete, brach eine Revolte aus. Sie muss nicht zuletzt Berlusconi selbst überrascht haben: Nur widerwillig folgten die Minister seiner Anweisung. Die Front in der Partei gegen die von ihm angestrebten baldigen Neuwahlen wurde größer.

Politisches Ping-Pong-Spiel auf italienische Weise, was immer auch Durcheinander, Überraschungen und Entwicklungen in der letzten Minute mit sich bringt. Denn kaum hatte Alfano der Regierung praktisch sein grünes Licht gegeben, kam dieses Signal aus dem Regierungspalast Chigi: Letta werde den Rückzug der PdL-Minister, der doch schon als „unwiderruflich“ galt, nicht annehmen. Es könnte also so weitergehen - bis zum nächsten Streit. Bereits an diesem Freitag ist ein weiterer Stolperstein im Weg - im Immunitätsausschuss des Senats beginnt die entscheidende Runde über einen Ausschluss des Senators Berlusconi, weil dieser wegen Steuerbetrugs rechtskräftig verurteilt worden ist.

Die Fäden im Hintergrund zog auch diesmal Staatschef Giorgio Napolitano. Er wollte keine Neuwahlen, sondern eine „unbefristete“ Regierung. Sie soll nicht nur die marode Wirtschaft des Landes wieder ankurbeln, sondern vor allem - endlich - eine Wahlrechtsreform durch das Parlament bringen. Unterdessen muss Berlusconi nun zusehen, dass ihm nach dieser von ihm als „ungehörig“ beschimpften Allianz seiner abtrünnigen Parteifreunde mit Letta nicht alle Felle davonschwimmen.

So kam Berlusconis Entscheidung, Letta kippen zu wollen, als Bumerang zu ihm zurück - für Letta ein „historischer und dramatischer Tag“. Er geht gestärkt aus dem politischen Ringen hervor. Also alles nur Theaterdonner und nun Friede, Freude Eierkuchen in Rom? Wohl kaum. Diese Koalition kann keine harmonische werden, und das Erdbeben um Berlusconi kann die Parteienlandschaft in Italien stark verändern.