Auf sechs Startbahnen werden in zehn Jahren die Flugzeuge am Bosporus starten und landen können – da können deutsche Flughafenbetreiber nur neidisch werden. Foto: TURKISH PRESIDENTIAL PRESS SERVI

Rund 200 Millionen Passagiere sollen in zehn Jahren jährlich auf dem neuen Flughafen in Istanbul starten und landen – dagegen werden Lufthansa und Co. wenig unternehmen können.

Frankfurt - Nach nur gut vier Jahren Bauzeit ist am Montag rund 40 Kilometer von der türkischen Metropole Istanbul entfernt ein neuer Flughafen eröffnet worden, der im Endausbau der größte Flughafen der Welt sein soll. Zwar startet das Prestigeprojekt des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tyyip Erdogan vorerst nur im sogenannten Soft Opening mit nur fünf Flügen am Tag, Ende Dezember aber wird die türkische Fluggesellschaft Turkish Airlines ihren Flugbetrieb vom bisherigen Flughafen Atatürk an das Schwarze Meer verlegen. Rund zehn Milliarden Euro wird der neue Flughafen am Ende gekostet haben. Damit hat sich Erdogan nach Ansicht seiner Kritiker nicht nur ein Denkmal gesetzt, sondern auch die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Istanbul im internationalen Luftverkehr die Vorreiterrolle als Drehkreuz zwischen Europa und Asien übernehmen kann. Bis zu 200 Millionen Passagiere pro Jahr soll der Istanbul-Flughafen, wie er nüchtern heißt, von 2028 an abfertigen können. Der bisher weltweit größte Flughafen in Atlanta in den USA bringt es auf rund 104 Millionen Fluggäste.

Gebaut wurde das Megaprojekt von einem Konsortium türkischer Firmen, doch auch deutsche Unternehmen waren beteiligt. Der Münchner Siemens-Konzern lieferte Elektronik, Liebherr Kräne, Thyssen-Krupp die Fluggastbrücken. Die deutsche DHL baut ein Cargo-Center, und das Unternehmen Heinemann wird die Duty-Free-Läden betreiben.

Türkischer Flughafen wächst schneller als die Konkurrenz

Der Bau des neuen Flughafens setzt eine Tendenz fort, mit der sich die europäische Konkurrenz der Branche schon länger befassen muss. Zum einen wird der Frankfurter Flughafen gemessen an den Passagierzahlen noch weiter zurückfallen, bisher lag der Rhein-Main-Flughafen noch auf Platz vier knapp vor dem bisherigen Istanbuler Flughafen Atatürk. Aber schon seit Jahren wachsen sowohl die türkische Fluglinie als auch ihr bisheriger zentraler Flughafen stärker als die deutschen Wettbewerber. Frankfurt schafft mit einem neuen Terminal zwar gerade Kapazitäten für insgesamt 95 Millionen Passagiere im Jahr, mehr ist aber kaum möglich, weil eine weitere Startbahn nicht durchsetzbar sein dürfte. München, das zweite deutsche Drehkreuz, arbeitet jetzt schon an der Kapazitätsgrenze, und eine dritte Startbahn wird noch Jahre auf sich warten lassen. In Istanbul ist hingegen reichlich Platz. Die Pläne für den weiteren Ausbau liegen schon in der Schublade. Bis 2028 sollen zu den jetzigen zwei noch vier weitere Startbahnen kommen, wenn die Nachfrage es erforderlich macht. Drei Terminals sollen dann bis zu 200 Millionen Passagiere im Jahr abfertigen können – so viele wie an keinem anderen Flughafen der Welt. Seit 2007 haben sich die Passagierzahlen von Turkish Airlines verdreifacht, die der Lufthansa hingegen stiegen gerade einmal um 20 Prozent.

Die Türkei hat Transport und Logistik als strategisch wichtige Branche identifiziert. Die Flugzeugflotte wurde massiv ausgebaut und erneuert. Die Flugpreise liegen deutlich niedriger als bei Lufthansa und locken damit auch deutsche Passagiere an. „Turkish Airlines hat einen Kostenvorteil von 10 bis 15 Prozent – vor allem wegen niedrigerer Personalkosten“, sagte Heiko Ammermann, Partner und Luftfahrtexperte von Roland Berger, in einem Interview. Die Gesellschaft befördert mittlerweile mehr Fluggäste als die Lufthansa.

Gute geografische Lage

Die zusätzlichen Passagiere wollen die Türken mit ihren Umsteigeverbindungen und der guten geografischen Lage anlocken. Ähnlich wie Dubai am Persischen Golf liegt der neue Flughafen auf halber Strecke bei Langstrecken zwischen Nordamerika und Asien. Vor einigen Jahren war noch der Frankfurter Flughafen der wichtigste Umsteigeflughafen für Passagiere der Lufthansa und ihrer Star-Alliance-Partner, die von den USA nach Indien oder Asien wollten. Hier haben die arabische Fluggesellschaft Emirates und Turkish Airlines schon länger starke Konkurrenz ausgeübt, die durch das neue Drehkreuz am Schwarzen Meer verstärkt werden dürfte. „Wir sehen die europäischen Drehkreuze, aber auch Dubai als unsere wichtigsten Konkurrenten an, von denen wir Passagiere anlocken wollen“, sagt Kadri Samsunlu von der Betreibergesellschaft IGA in Istanbul. Einen Vorteil gegenüber Dubai und Emirates sieht Samsunlu darin, dass Turkish Airlines anders als die Golf-Airlines jeden deutschen Flughafen anfliegen dürfen.

Wie stark Frankfurt und die anderen großen Flughäfen leiden, wird von der Entwicklung von Turkish Airlines abhängen, dem Hauptkunden am Istanbuler Flughafen. Dabei wird auch die Wirtschaftsentwicklung des Landes am Bosporus eine wichtige Rolle spielen. Bisher haben die ökonomischen Schwierigkeiten in diesem Jahr mit Lira-Verfall und hoher Inflation das Projekt nicht gebremst. Zur Konjunkturstützung wurden Infrastrukturprojekte sogar besonders gefördert. Weitere teure Ausbauten wie das geplante zweite Terminal werden frühestens in zwei oder drei Jahren begonnen.

Auch Turkish Airlines wollen weiter wachsen. Um das zu schaffen, muss die halbstaatliche Fluglinie ihre Flotte stark ausbauen. Das ist wegen der schwachen Landeswährung sehr teuer geworden, denn die Maschinen müssen in Dollar bezahlt werden. Schon 2016 wurden die Auslieferungen nach hinten geschoben, aber immer noch soll die Zahl der Flugzeuge bis 2023 um mehr als 50 Prozent wachsen.