Der Hauptangeklagte wird in den Gerichtssaal in Stuttgart-Stammheim geführt Foto: dpa

Drei Angeklagte schweigen, einer packt aus: Ja, er habe Militärkleidung geliefert, sagt der Textilgroßhändler aus Geislingen. „Aber doch nicht an eine Terrororganisation“, so der 49-Jährige. Werden die anderen Angeklagten noch aussagen?

Stuttgart - Christian Monka, Oberstaatsanwalt am Bundesgerichtshof, wirft den vier Männern die Unterstützung einer terroristischen Organisation im Ausland vor, sprich der Ahrar al-Sham, die in Syrien gegen das Assad-Regime kämpft und die für zahlreiche Morde und andere Gräueltaten verantwortlich sein soll.

Auf der Anklagebank vor dem 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart sitzen ein 32-jähriger libanesischer Student, zwei 29 und 31 Jahre alte deutsch-libanesische Ingenieure und der 49-jährige Textilgroßhändler aus Geislingen, dessen Firma ihren Sitz in Amstetten im Alb-Donau-Kreis hat. Oder besser gesagt – hatte. Denn seit er im Visier der Bundesanwaltschaft ist, hätten sich seine Lieferanten von ihm distanziert, so der 49-Jährige. Seine Firma habe im Sommer 2014 Insolvenz anmelden müssen. „So einfach kann es doch nicht sein, eine Existenz zu zerstören“, klagt der Geschäftsmann und zweifache Vater.

Funkscanner nach Syrien geliefert

Bundesanwalt Monka wirft dem 31-jährigen Angeklagten Ali F. vor, er habe im April 2013 mindestens zwei militärisch nutzbare Funkscanner im Wert von je 900 Euro nach Syrien gebracht und dort Verantwortlichen der Ahrar al-Sham übergeben. Der 32-jährige Student Kassem R., als einziger des Quartetts in U-Haft, soll der Ahrar al-Sham fünf gebrauchte Krankenwagen von Deutschland und anderen europäischen Ländern aus geliefert haben. Und alle vier Männer sollen die Lieferung der Militärkleidung organisiert und durchgeführt haben.

Der Libanese und die zwei Deutsch-Libanesen schweigen vorerst. Ihre Verteidiger wollen ihr Pulver nicht vor der Zeit verschießen. Die Anwälte drängen auf ein Rechtsgespräch mit dem 3. Strafsenat, um die Möglichkeiten einer Verständigung auszuloten. Dafür müssen sie etwas anzubieten haben – zum Beispiel Geständnisse.

Zu gestehen hat der 49-jährige Geschäftsmann, vertreten von den Anwälten Stefan Holoch und Boris Müller, laut eigener Aussage nichts. Er sei am 12. September 2013 per E-Mail kontaktiert worden, sagt er. Hassan S. habe nach Militärkleidung gefragt. „Er hat gesagt, er arbeite für die FSA“, so der Geislinger. Und die FSA, also die Freie Syrische Armee, sei die Opposition, die gegen Assad kämpfe. Andere Organisationen kenne er überhaupt nicht.

Um sicher zu gehen, sei er am 7. Oktober 2013 in die Türkei nach Antalya geflogen. Dort habe er Hassan S. getroffen. Wieder sei ausschließlich von der FSA die Rede gewesen. „Es gab für mich keinen Anhaltspunkt, dass er einer terroristischen Gruppierung angehört“, beteuert der Textilgroßhändler, der bis 2013 rund 4000 Tonnen an ausgemusterten Uniformen unter anderem der Bundeswehr und der österreichischen Armee in alle Welt geliefert habe. Auch auf der Rechnungsadresse sei FSA gestanden, sagt der 49-Jährige.

Militärklamotten für 133 000 Euro

Hassan S. leistete laut Anklage schließlich 4000 Euro Anzahlung an die Firma in Amstetten. Kassem R. habe vom 20. bis zum 22. Dezember 2013 den Transport der Waren in die Türkei und letztendlich nach Syrien zur Ahrar al-Sham organisiert. Dort sei die Ware im April vorigen Jahres eingetroffen. Konkret: Die Firma aus Amstetten lieferte 7418 Paar Stiefel, 6026 Militärparkas und 108 Militärhemden im Wert von 133 000 Euro.

„Dieses Verfahren ist ein Pilotverfahren“, sagt Bundesanwalt Christian Monka. Es gehe unter anderem darum, die Ahrar al-Sham einzuordnen. Monka sieht die Kampftruppe eindeutig als Terrororganisation, die im syrischen Küstengebiet an der Grenze zur Türkei zahlreiche Sprengstoff- und Selbstmordanschläge verübt habe.

Sagen die anderen Angeklagten noch aus?

Die Ahrar al-Sham ist am 31. Januar 2013 durch den Zusammenschluss mehrerer kleinerer Gruppen entstanden. Sie sei von radikal-religiösen Anschauungen geleitet, wolle das Regime des syrischen Machthabers Baschar al-Assad stürzen, um eine Gesellschaft unter dem Gesetz des Islam und unter den strengen Regeln der Scharia zu errichten. 10 000 bis 20 000 Kämpfer sollen der Ahrar al-Sham angehören. Sie sollen häufig mit der Al-Nusra-Front zusammenarbeiten, die zum Al-Kaida-Netzwerk gehört.

Der Prozess, der unter strengen Sicherheitsvorkehrungen im OLG-Saal in Stammheim stattfindet, ist bis zum 25. Februar 2016 terminiert. Ob dies ausreicht, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die anderen drei Angeklagten doch noch aussagen.