Irans neuer Präsident streckt die Hand aus. Ziviles Atomprogramm ja, Nuklearwaffen nein. Wie ernst ist es Ruhani mit Verhandlungen? Netanjahu findet seine UN-Rede "heuchlerisch", Westerwelle lobt sie.

New York - Neue Hoffnung auf eine Lösung des Atomstreits mit Teheran: Der Iran ist nach den Worten des neuen Präsidenten Hassan Ruhani sofort zu „fristgebundenen und ergebnisorientierten Verhandlungen“ über sein Atomprogramm bereit. Sie müssten aber zeitlich befristet und zielorientiert sein, sagte Ruhani am Dienstag bei seiner ersten Rede vor der UN-Vollversammlung in New York. „Der Iran stellt absolut keine Gefahr für die Welt oder die Region dar“, betonte Ruhani. Sein Land strebe nicht nach Atomwaffen.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach am Mittwoch in Jerusalem von einem zynischen und heuchlerischen Auftritt. „Ruhanis Rede enthielt nicht einen einzigen echten Vorschlag, das Atomprogramm zu stoppen, und es gab auch keine Zusage, Resolutionen des Sicherheitsrates zu befolgen.“

Westerwelle vorsichtig optimistisch

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sieht hingegen Grund zu vorsichtigem Optimismus. „Der Iran könnte es ernst meinen.“ Wegen des iranischen Atomprogramms sei aber weiterhin „große Vorsicht“ angebracht. Teheran müsse jetzt auch in der Sache neue Angebote machen. Am Rande der UN-Vollversammlung traf Westerwelle Ruhani zu einem „konstruktiven Gespräch“, in dem es auch um Syrien ging.

Der iranische Präsident beharrte auf dem Recht seines Landes, Uran anreichern zu dürfen. Das diene aber nicht militärischen Zwecken: „Das Ziel eines Atomprogramms eines jeden Landes darf nur die friedliche Nutzung sein. Ich erkläre hier mit aller Deutlichkeit, dass das der alleinige Zweck des iranischen Atomprogrammes ist.“ Atomwaffen hätten keinen Platz in der Sicherheits- und Verteidigungsdoktrin des Landes und widersprächen der religiösen Überzeugung.

Ruhani bezeichnete den Iran als „Anker der Stabilität in einer Region der Instabilität“. Er fügte hinzu: „Die sogenannte iranische Bedrohung ist nur eine ausgedachte Bedrohung.“ Zuvor hatte US-Präsident Barack Obama deutlich gemacht, dass die USA keinen Iran mit Atomwaffen dulden würden. Das Land habe aber ein Recht auf eine friedliche Nutzung von Atomenergie.

Netanjahu kritisiert Ruhani scharf

Netanjahu meinte dazu: „Wie erwartet war dies eine zynische und heuchlerische Rede.“ Ruhani habe von Menschenrechten gesprochen, während der Iran an der Abschlachtung von Zivilisten in Syrien beteiligt sei. Er habe Terrorismus verurteilt, während der Iran sich selber in Dutzenden von Ländern des Terrorismus bediene. Und er habe von einem zivilen Atomprogramm gesprochen, das laut Internationaler Atomenergiebehörde IAEA eine militärische Komponente habe.

Es sei klar, dass der Iran als eines der ölreichsten Länder nicht in ballistische Raketen und tief unter der Erde liegende Atomanlangen investiere, nur um Strom zu produzieren, sagte Netanjahu weiter. Er hatte in der Vergangenheit wiederholt mit einem militärischen Präventivschlag gegen iranische Atomanlagen gedroht. Israels Delegation hatte den UN-Plenarsaal verlassen, bevor Ruhani redete.

Ruhani nennt Sanktionen "unmenschlich"

Der Iran hat sich nach den Worten Ruhanis inzwischen das nötige Wissen erworben und die Uran-Anreicherung habe industrielle Ausmaße angenommen. Es sei deshalb eine Illusion, das iranische Atomprogramm noch mit „illegalem Druck“ stoppen zu wollen, sagte er in Anspielung auf die Sanktionen gegen sein Land. Ruhani bezeichnete die Sanktionen als unmenschlich. Insbesondere die einfachen Bürger seien die Opfer.

Teheran suche keine Verschärfung der Spannungen mit den USA, fügte Ruhani hinzu. „Ich habe aufmerksam den Ausführungen von Präsident Obama heute zugehört. Wenn der Wille bei der Führung der USA besteht, und sie nicht kriegshetzerischen Interessengruppen folgt, können wir ein Umfeld erreichen, in dem wir mit unseren Differenzen umgehen.“ An diesem Donnerstag findet in New York ein Treffen der Außenminister der fünf Ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat und Deutschlands (5+1) mit dem Iran statt.

In einem CNN-Interview nahm Ruhani auch zum Holocaust Stellung, den sein Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad geleugnet hatte. Über die Dimensionen des Holocausts müssten Historiker reflektieren. „Aber allgemein kann ich Ihnen sagen, dass jedes Verbrechen, das in der Geschichte gegen die Menschlichkeit geschieht, einschließlich des Verbrechens der Nazis an den Juden, ebenso wie an Nicht-Juden, aus unserer Sicht verwerflich und verdammenswert ist.“