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Offenbar ist der Putschversuch in der Türkei gescheitert. Gökay Sofuoglu, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, sieht auch positive Signale in den Ereignissen.

Stuttgart/Ankara - Der Umsturzversuch in der Türkei bewegt die Türken auch in Deutschland. Bereits in der Nacht haben in mehreren deutschen Städten Menschen gegen den Putschversuch demonstriert. Gökay Sofuoglu, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, sieht zumindest zwei positive Signale in den Geschehnissen der vergangenen Stunden.

Herr Sofuoglu, wie beurteilen Sie die aktuelle Lage in der Türkei?
Die Lage ist nach wie vor angespannt. Nach den Turbulenzen in der Nacht, scheint es inzwischen zwar so, als sei der Militärputsch zurückgeschlagen. Wie sich die Dinge weiterentwickeln, weiß man aber nicht. Ich wage jedenfalls noch keine Prognose.
Der türkische Präsident Erdogan scheint den Schuldigen aber bereits gefunden zu haben: den Prediger Fethulla Gülen, dessen Bewegung Erdogan als Terrororganisation eingestuft hat.
Tatsächlich hat auch ein Sprecher des Militärs inzwischen gesagt, dass es sich bei dem Putsch um eine Aktion der Gülen-Bewegung gehandelt habe.
Ist dieser Putsch ein weiterer Hinweis darauf, wie tief die türkische Gesellschaft gespalten ist?
Auf den ersten Blick könnte es so scheinen, als existierten in Türkei verschiedene Parallelgesellschaften, und es ist ohne Zweifel richtig, dass die Menschen in ihren politischen Auffassungen tief gespalten sind. Auf der anderen Seite muss man zur Kenntnis nehmen, dass sich im türkischen Parlament alle vier dort vertretenen Parteien gegen den Putsch gestellt haben und das Volk zum ersten Mal gegen das Militär aufgestanden ist. Das ist in Anbetracht der Geschichte der Türkei mit ihren vielen Militärputschen sehr bemerkenswert.
Der mutmaßlich gescheiterte Putsch könnte also auch positive Folgen haben?
Ich sehe zumindest zwei positive Signale: Einerseits hat das Volk mit seinem Widerstand gegen die Militärs in dieser Nacht gezeigt, dass es sich nicht alles bieten lässt. Andererseits haben sich die Parteien endlich zusammengetan, um für ihre demokratische Legitimation zu kämpfen.
Was bedeuten die Ereignisse in der Heimat für die türkische Gemeinschaft in Deutschland?
Dass wir uns in den nächsten Tagen wieder mit den Dingen beschäftigen müssen, die in der Türkei geschehen, und wenig Zeit haben für die Dinge, die wir hier in Deutschland zu tun haben.
Was meinen Sie damit?
Wie wir mit der AfD und dem immer wieder aufkommenden Rassismus umgehen, sind die Fragen, die uns eigentlich beschäftigen. Und die dürfen wir auch trotz der Ereignisse in der Türkei nicht aus den Augen verlieren.

Gökay Sofuoglu, Jahrgang 1962, ist seit Mai 2014 Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland und zugleich der Landesvorsitzende der Türkischen Gemeinde Baden-Württembergs. Er ist in Kayseri in der Türkei geboren, kam aber 1980, kurz vor dem dritten Militärputsch in der Geschichte der Türkei, nach Deutschland. Er war der erste muslimische Mitarbeiter im Bereich der Jugend- und Familienhilfe bei der Caritas und er war der erste Muslim im Vorstand des Stadtjugendrings Stuttgart.