Professor Harald Dreßing ist Experte für Stalking und Gewalttaten. Foto: ZI

Gewalt in Liebesbeziehungen ist die häufigste Form von Gewalt überhaupt, sagt der Forscher Professor Harald Dreßing. Vor allem, wenn der Partner ein Bindungsproblem hat und versucht, einen zu kontrollieren.

Interview - Der Leiter des Instituts für forensische Psychiatrie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim kennt den Donzdorfer Fall zwar nicht und kann deshalb keine Stellung dazu nehmen. Doch er weiß, wie man mit Stalkern umgeht und wann es gefährlich wird.
Herr Dreßing, Menschen, die ihre Ex-Partnerin angreifen, wie ticken die?
Vielleicht vorab: Gewalt in Liebesbeziehungen ist die häufigste Form von Gewalt überhaupt. So gesehen ist es gefährlich, eine Partnerschaft einzugehen (lacht). Wenn ein Partner sich trennt, der andere dies aber nicht akzeptiert und versucht, den Kontakt mit Stalking, also etwa unerwünschten Anrufen und Besuchen, zu erzwingen, gibt es immer die Gefahr einer Eskalation. Studien zeigen: beim Stalking ehemaliger Partner ist die Gefahr von Gewalttaten am größten. Das muss nicht immer mit einem Mord enden. Aber diesen Fall gibt es natürlich auch. Das ist ein Klassiker. Die Täter sind dabei oft nach außen nie durch Gewalttätigkeit aufgefallen. Die Gewalt bleibt innerhalb der Beziehung.
Nun wird ja nicht gleich jeder, der eine Trennung schwer verkraftet, zum Mörder. Wann wird es brenzlig?
Die Täter drohen vor der Tat häufig mit Gewalt. Das muss man ernstnehmen. Auch die Ankündigung eines Suizids ist ein Indikator. Denn es kommt immer wieder vor, dass der Täter zunächst den ehemaligen Partner und dann sich selbst tötet.
Was tut man in so einer Situation am besten?
Zunächst muss man ein Mal freundlich aber klar sagen, dass man keinen Kontakt mehr wünscht. Danach sollte man sich auf nichts mehr einlassen und Anrufe nicht mehr entgegennehmen. Viele gehen beim 91. Anruf doch wieder ans Telefon. Das ist freundlich gemeint, doch der Stalker lernt, dass er einfach hundertmal anrufen muss und dann auch Erfolg hat. Wenn der Ex dennoch nicht locker lässt, kann ein Gericht auf Antrag des Opfers ein Annäherungsverbot aussprechen. Davor macht die Polizei eine sogenannte Gefährderansprache. Unserer Erfahrung nach geben danach 50 Prozent der Täter ihr Verhalten auf.
Und wenn nicht?
Dann kommt das Annäherungsverbot zum Tragen. Verstöße können hohe Geld- und auch Haftstrafen zur Folge haben. Das beeindruckt ebenfalls viele Täter. Die Polizei und die Justiz haben in den vergangenen Jahren viel dazugelernt.
Und wenn es doch nichts hilft?
Speziell bei konkreten Tötungsandrohungen muss das Opfer unter Umständen weitere Maßnahmen ergreifen, das Haus etwa nur noch in Begleitung verlassen. Die extremste Maßnahme wäre, den Wohnort zu wechseln. Davon sich zu bewaffnen, raten wir übrigens ab. Im Notfall setzen die Opfer Waffen meist nicht richtig ein, und die Situation eskaliert noch weiter.
Gibt es eine Möglichkeit, Stalker frühzeitig zu erkennen, um es überhaupt nicht so weit kommen zu lassen?
Den typischen Stalker gibt es nicht. Anzeichen für künftige Schwierigkeiten können aber ein ungewöhnlich besitzergreifendes oder kontrollierendes Verhalten sein. Wenn einem der neue Partner vorschreibt, mit wem man befreundet sein darf, oder was man anzieht, ist Vorsicht angesagt.
Oder noch besser: eine schnelle Trennung, bevor es eskaliert.
Oder das. Dann sollte man sich aber auch sicher sein, dass man dabei bleiben will. Wir erleben oft, dass Frauen zu ihren stalkenden Partnern zurückkehren. Das ist keine Kritik an den Opfern, aber natürlich bestärkt das die Täter in ihrem Verhalten.