Groko-Chefunterhändler Seehofer, Merkel und Schulz (v.l). Foto: dpa

Deutschland hat eine neue Regierung – aber nur, wenn die SPD-Basis ihren Segen gibt. Wie das im Ausland ankommt? Dazu unsere internationale Presseschau.

Berlin - Vorbehaltlich der Zustimmung der SPD-Mitglieder hat Deutschland eine neue Regierung. Im Ausland gibt es Lob für Kanzlerin Merkel, aber es gibt auch sekptische Stimmen.

Corriere della Sera, Mailand

„Kanzlerin Angela Merkel verliert, weil sei einen hohen Preis für ihr viertes Mandat bezahlt. Dass das Finanzministerium an die SPD geht, bedeutet nicht, dass Deutschland in Zukunft Abstriche mit Blick auf die europäischen Regeln macht. Aber es ist ein Zeichen einer Wende. Vielleicht ist es das, was die Kanzlerin wollte. Aber in den Augen vieler ist es ein totaler Absturz. (Der SPD-Vorsitzende Martin) Schulz gewinnt aus gegenteiligen Gründen, aber er muss gehen und kann die SPD nicht weiter führen. Es endet eine Epoche, zumindest auf symbolischer Ebene. Und auch auf personeller: Vom strengen und zerfurchten Gesicht von (Finanzminister) Wolfgang Schäuble zum jugendlicheren und pausbackigen von Olaf Scholz.“

El Mundo, Madrid

„Die große Koalition bedeutet nicht nur ein Ende des Geduldsspiels, das der Ausgang der Wahl vom 24. September nach sich gezogen hatte, sondern sie ist auch ein guter Grundstein, um die europäische Agenda neu zu beleben. Denn die wartete auf ein Ende der Blockade in Berlin, um Kernthemen wie die Bankenunion, die Harmonisierung des Asylrechts und den Haushaltsplan anzugehen. (Bundeskanzlerin Angela) Merkel hat einmal mehr ein Beispiel ihrer Führungsqualitäten und Weitsicht gegeben. Deutschland gewinnt. Europa auch.“

El País, Madrid

„Deutschland hat es geschafft, eine Koalitionsregierung zwischen Mitte-Rechts und Mitte-Links zu bilden, mit enormen Schwierigkeiten und „schmerzhaften Zugeständnissen“ (in den Worten von Angela Merkel). Diese wird aber nicht nur die Stabilität und den Wohlstand des Landes garantieren, sondern auch den Weg zu den Reformen ebnen, die die Europäische Union braucht. Die Parteien wissen, dass sie bei den nächsten Wahlen die Rechnung für diese neue Koexistenz von vier Jahren präsentiert bekommen könnten, aber sie haben sich dennoch entschieden, das Beste für ihr Land zu tun.“

Neue Züricher Zeitung, Zürich

„Unter dem dominierenden Einfluss der SPD ist der Koalitionsvertrag geprägt vom Geist der Rückwärtsorientierung, des Korrigierens vermeintlicher, in der Vergangenheit zugelassener Fehlentwicklungen und ‚Ungerechtigkeiten‘. Wenn man überhaupt eine gemeinsame Vision erkennen will, dann das Ziel, die vor fünfzehn Jahren beschlossenen Wirtschaftsreformen der Ära Schröder zurückzudrehen: Deutschland schreitet vorwärts in die Vergangenheit. Deutschland wäre bereit für Neues, für einen Aufbruch, für Zukunftsoptimismus. Doch das wird es von Merkel, Schulz und Co. nicht erhalten. Die abermalige große Koalition ist eine Sackgasse.“

Die Presse, Wien

„Der SPD-Chef, der innerhalb eines Jahres eine einzigartige Achterbahnfahrt durchlebt hatte, zahlreiche Volten schlug und zunehmend eine unglückliche Figur machte, rettete sich durch einen Überraschungscoup: Er wird den Parteivorsitz wohl aufgeben, um sich sein Wunschressort – das Außenamt – zu sichern. Mit dem Generationswechsel zu Andrea Nahles stellt er personell die Weichen für eine Erneuerung. Zudem spekuliert die SPD auf ein Ende der Koalition zur Mitte der Legislaturperiode. Zumindest klammern sich die Sozialdemokraten an das Szenario einer Post-Merkel-Ära – wenn das nur keine Illusion ist.“

Pravda, Bratislava

„Die Sozialdemokraten wussten aus Erfahrung, welch großes Risiko sie eingehen, und entschieden sich daher, ihre Haut nicht allzu billig zu verkaufen. Das scheint ihnen gelungen zu sein, denn sie gingen aus den Verhandlungen um die Postenverteilung als Sieger hervor. Das Problem liegt aber woanders. Künftig könnten sich die Wähler fragen, wozu sie überhaupt noch zu den Urnen gehen sollen, wenn am Schluss so oder so wieder eine große Koalition herauskommt. Diese scheinbare Alternativlosigkeit wird Wasser auf die Mühlen der AfD sein. Auch darum müssen die Sozialdemokraten in der Regierung erfolgreich sein. Andernfalls erwartet sie der politische Tod.“