Qualitätskontrolle bei Fleischmann – auch nach der Insolvenz soll die Produktion weitergehen Foto: Fleischmann

Hohe Pensionslasten haben erneut einen Modellbahn-Bauer in die Zahlungsunfähigkeit gedrückt. Kritiker vermuten, dass der eigentliche Grund der Malaise woanders liegt.

Stuttgart - Wie die in Salzburg ansässige Fleischmann-Muttergesellschaft – Modelleisenbahn Holding – am Mittwoch mitteilte, habe Fleischmann beim Amtsgericht Ansbach „Insolvenzantrag in Eigenverwaltung“ gestellt. Vor allem „Pensionslasten für ehemalige Mitarbeiter“ hätten „zur Überschuldung geführt“, sagte ein Sprecher der Salzburger Holding, zu der neben Fleischmann auch der Bähnchen-Bauer Roco gehört.

Die Pleite des in Heilsbronn nahe Nürnberg ansässigen Traditionsherstellers ist nur die vorerst letzte Hiobsbotschaft in der seit Jahren darbenden Branche. Eines der Schwergewichte im Markt – Roco aus Österreich – ging bereits im Jahr 2005 bankrott. 2009 schlitterten mit dem Göppinger Marktführer Märklin und dem Schwarzwälder Zubehör-Spezialisten Faller zwei weitere Branchengrößen in die Insolvenz. Ein Jahr später traf die Pleite das Schopflocher Unternehmen Kibri, das ähnlich wie Faller Häuser, Bahnübergänge und Figuren im Kleinstformat herstellte. Auch der slowenische Modellbahn-Spezialist Mehano und das für seine Flugmodelle bekannte Unternehmen Graupner haben zwischenzeitlich Konkurs anmelden müssen.

Nahezu alle Firmen bestehen allerdings fort – zumindest als Marke. Teils wurden sie von Insolvenzverwaltern saniert, teils von Investoren übernommen, wie etwa Kibri oder die 2014 ins Trudeln geratene Stuttgarter Firma Vollmer.

Vielschichtige Probleme für über die 100 Jahre alten Traditionsbetriebe

Die Probleme, denen sich die oft über 100 Jahre alten Traditionsbetriebe gegenübersehen, sind vielschichtig. Für den Niedergang wird oft die zunehmende Konkurrenz im Spielzeugbereich verantwortlich gemacht. Besonders elektronische Kinderzimmerausstattung – vom Gameboy bis zur Playstation – interessierten Jugendliche heute deutlich mehr, als die von Lokomotiven-Echtdampf und Rasenstreu geprägten Eisenbahnprodukte, heißt es. Nostalgiker über 60 allein reichten als Kundengruppe nicht mehr aus. Auf maximal 200 Millionen Euro im Jahr schätzen Insider die Branchenumsätze in Deutschland noch.

Klar ist aber auch, dass sich viele der oft familiengeführten Kleinfirmen zu spät auf neue Kundenwünsche eingestellt haben. Beispielsweise geriet der Übergang zur Digitaltechnik für viele Hersteller zum Fiasko.

Dazu kommt schlechtes Management. In neue, kostensparende Fertigungsprozesse, investierte man lange nicht. Als die Produktionskosten im Inland irgendwann zu hoch wurden, orientierte man sich nach Fernost – und fiel dabei oft auf die Nase. Eine ganze Reihe von Firmen baute nach der Jahrtausendwende beispielsweise Fertigungskapazitäten in China auf, vertraute aber hauptsächlich auf Fremd- und Auftragsfertiger.

Abfluss von Produktions-Know-How

Die Folge waren Termin- und Qualitätsprobleme sowie der Abfluss von Produktions-Know-How. Mittlerweile orientiere sich die Branche daher wieder weg von China und hole die Produktion ins europäische Ausland zurück – oft nach Osteuropa. Märklin etwa baut seine Modellbahnen in Göppingen, schwerpunktmäßig aber in Ungarn. Fleischmann und Roco fertigen vorwiegend in der Slowakei und Rumänien. Einzig der ostdeutsche Hersteller Piko hat früh in ein eigenes Werk in China investiert – ein Weg, der sich dem Vernehmen nach auszahlt.

Heute gehören die krassen Umsatzrückgänge der Jahre 2005 bis 2010 zwar der Vergangenheit an. Die Branche habe sich auf niedrigem Niveau stabilisiert, heißt es. Der Pleitegeier kreist allerdings immer noch.

In Form hoher Verpflichtungen für Rentenzahlungen holt die goldene Vergangenheit der 1970er-,80er und 90er Jahre die Firmen ein. Der Mitarbeiterbestand der Unternehmen betrug damals oft ein Vielfaches von heute. Von Fleischmann heißt es, mit 15 Millionen Euro Jahresumsatz und 33 Mitarbeitern am Standort Heilsbronn habe man sich nicht mehr in der Lage gesehen, „die Pensionslasten für insgesamt 630 ehemalige Beschäftigte zu tragen“. Aufgrund ähnlicher Ungleichgewichte schlitterte 2009 Faller in den Bankrott. „Wir müssen derzeit mehr Pensionäre als aktive Mitarbeiter bezahlen“, sagte Faller-Geschäftsführer Horst Neidhard damals.

Aber es gibt auch eine andere Sichtweise der Dinge. „Die Hersteller streifen über die Insolvenz ihre Pensionslasten ab“, sagt ein Insider. Lukrative Teile des Fleischmann-Geschäfts seien in andere Bereiche der Konzern-Holding verlagert worden. Dass die Fleischmann-Stammgesellschaft nur noch 33 Mitarbeiter habe, sei kein Zufall. Fleischmann sei bewusst „kleingerechnet“ worden.

Zumindest die Betriebsrenten sind durch eine Garantie des Pensionssicherungsvereins (PSV) sicher. Im PSV sind rund 73 000 deutsche Firmen zusammengeschlossen, die bei Insolvenzen gegenseitig für Ausfälle haften. Von der Fleischmann-Mutter Modelleisenbahn-Holding, heißt es, die PSV werde im kommenden Insolvenzverfahren der „wahrscheinlich größte Gläubiger sein“.