Dieses Foto der indischen Küstenwache aus dem Jahr 2004 zeigt einen Sentinelesen auf der Insel North Sentinel, der mit Pfeil und Bogen auf das Flugzeug zielt. Foto: AFP/Survival International

Nach der Tötung eines US-Missionars durch Ureinwohner stellt sich der Polizei die schwierige Aufgabe, ob sie die Leiche bergen sollen. Der 27-Jährige war verbotenerweise auf die Insel North Sentinel im Indischen Ozean gefahren, um die wenigen Dutzend völlig isoliert lebenden Bewohner zum christlichen Glauben bekehren.

Neu Delhi - Aktivisten und Wissenschaftler haben dazu aufgerufen, auf die Bergung des auf den indischen Andamanen-Inseln getöteten US-Bürgers John Allen Chau zu verzichten. Eine Bergungsaktion wäre „unglaublich gefährlich“ für die indigenen Inselbewohner ebenso wie für die Besucher von außen, erklärte die Organisation Survival International, die sich für den Schutz indigener Völker einsetzt.

Der 27-Jährige war von Sentinelesen auf North Sentinel Island getötet worden, als er die Insel aufsuchte. Chau soll als Missionar versucht haben, die urzeitlich lebenden Sentinelesen in der Andaman-See zum Christentum zu bekehren.

Stephen Corry, Leiter der Organisation Survival International, warnte vor dem Risiko gefährlicher Epidemien, die den Ureinwohnern bei einem Kontakt mit Außenstehenden drohten. Als Beispiel nannte er die Masern und die Grippe. Der Leichnam von John Allen Chau „sollte in Ruhe gelassen werden, ebenso die Sentinelesen“.

Sentinelesen – die letzten ihrer Art

North Sentinel Island ist die westlichste Insel der zu Indien gehörenden Inselgruppe der Andamanen im Indischen Ozean. Sie wurde 1771 erstmals entdeckt und 1880 von den ersten Europäern betreten. Die Insel wird ausschließlich von wenigen Dutzend Ureinwohnern bevölkert, die jeden Kontakt mit der Außenwelt ablehnen. dem Rest der Welt ablehnen.

In den tropischen Regenwäldern Südamerikas, Zentralafrikas und Westneuguineas gibt es bis heute noch einige unerforschte Gebiete, in denen vermutlich unentdeckte indigene Gemeinschaften leben. Ihre Anzahl kann nur geschätzt werden.

„Wir wissen nicht einmal, wie viele sie sind“

„Die Sentinelesen wollen alleine gelassen werden“, sagt der Anthropologe Anup Kapur. Die andamanesische Wissenschaftlerin Anvita Abbibbi ergänzt: „Wir wissen nicht einmal, wie viele sie sind. Niemand hat Zugang zu diesen Menschen.“ Und so solle es auch bleiben.

„Warum sollten wir nur wegen unserer Neugier einen Stamm stören, der es für Zehntausende von Jahren allein ausgehalten hat?“, fragt sie. Vieles könne dann verloren gehen – die Menschen, ihre Sprache, ihr Frieden.

„Gott hat mich geschützt und getarnt“

Die Sentinelesen sind das letzte isoliert lebende indigene Volk auf den zu Indien gehörenden Andamaneninseln. Forscher glauben, dass die Sentilenesen vor etwa 50 000 Jahren von Afrika auf die Insel ausgewandert sind. Andere indigene Völker auf den Andamanen wurden durch Gewalt und Krankheiten nach dem Kontakt fast völlig ausgelöscht.

Die indische Regierung erkennt bei den Sentinelesen ein Recht auf Autonomie an, hat daher die Insel und das umliegende Gewässer im Radius von drei Seemeilen zur verbotenen Zone erklärt und jede Kontaktaufnahmen zu den Sentinelesen verboten.

John Allen Chau hatte sich von Fischern heimlich in die Nähe von North Sentinel bringen lassen. Schon bei seiner ersten Landung griffen ihn Einwohner an. Der US-Missionar sah sich offenbar unter dem besondern Schutz Gottes. „Gott hat mich vor der Küstenwache und der Marine geschützt und getarnt“, schrieb der 26-Jährige vor seinem Tod, wie indische Zeitungen berichteten.

Die Fischer, die ihn vor der Insel absetzten, wurden Zeuge des tödlich endenden Zusammentreffens. Als John Allen Chau die Sentinelesen erreichte, soll er gerufen haben: „Mein Name ist John. Ich liebe euch und Jesus liebt euch.“