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Jungen werden nach Ansicht von Forschern zunehmend zu Bildungsverlierern in Deutschland - Frauen sind dafür trotz ihrer Schulerfolge immer noch im Job benachteiligt.

München - Jungen werden nach Ansicht von Forschern zunehmend zu Bildungsverlierern in Deutschland - Frauen sind dafür trotz ihrer Schulerfolge immer noch im Job benachteiligt.

"Eigentlich gibt es geschlechtsspezifisch gesehen überhaupt keinen Zusammenhang zwischen einem Erfolg im Bildungs- und später im Erwerbssystem", sagte Dieter Lenzen, Präsident der Freien Universität Berlin und Vorsitzender des "Aktionsrats Bildung", am Donnerstag in München. Die Buben hängen den Mädchen in der Schule bei den Leistungen allerdings immer weiter hinterher. Die Folgen sind laut Lenzen gravierend: Fast die Hälfte aller Schulabgänger ohne Abschluss seien Jungen, oft fehle es ihnen in extremem Maße an Sozialkompetenz.

Taten wie der Amoklauf eines 17-Jährigen Winnenden zeigten auf extreme Weise, welche Konsequenzen es haben könne, wenn Jungen auf der Strecke bleiben. "Es ist schon auffallend, dass die Täter bei solchen Amokläufen fast immer Jungs sind, die Opfer dafür häufig Mädchen und Lehrerinnen", sagte Lenzen. Zwar habe der 17-Jährige sicher schwere psychische Probleme gehabt und ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Bildungssystem sei nicht zu erkennen. "Aber an diesen Auswüchsen sieht man natürlich, welche Probleme in einem solchen System entstehen können. Das Bildungssystem schafft es ja offenbar nicht, Jungen in einen solchen psychischen Zustand zu bringen, dass solche Taten unwahrscheinlicher werden."

Vor allem die Tatsache, dass Buben schon in der Grundschule meistens von Lehrerinnen unterrichtet würden, verhindere, dass sie eine männliche Identität ausbilden könnten, erläuterte Lenzen. Die Politik müsse sich eine Angleichung des Geschlechterverhältnisses in allen Bildungseinrichtungen zum Ziel setzen, lautet das Fazit des Aktionsrats mit acht Experten von mehreren deutschen Hochschulen. Schon in den Schulbüchern würden den Kindern zu stark Stereotype vermittelt. Lehrer müssten lernen, mit Unterschieden zwischen den Geschlechtern fachkundiger umzugehen.

Der Bildungsrat, der auf Initiative der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft 2005 zusammengetreten ist, veröffentlicht jährlich ein Gutachten zu einem bestimmten Bildungsthema. Grundlage der Analyse sind die internationalen Bildungs-Erhebungen Pisa und Iglu sowie des Statistischen Bundesamtes und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

"Die noch vor 30 Jahren außerordentlich prekäre Situation von Mädchen und jungen Frauen kann heute schlicht nicht mehr konstatiert werden", bilanziert der Aktionsrat. Dies setze sich allerdings nicht bis in die Berufswahl fort. Denn dort kämen - vielfach unbewusst auch an den Schulen untermauerte - traditionelle Rollen-Stereotype weiterhin zum Tragen. Einen ähnlichen Hintergrund vermuten die Bildungsforscher für das noch immer geringe Selbstbewusstsein vieler Mädchen bei Mathematik und den Naturwissenschaften. Im Gegensatz dazu sind Mädchen im Alter von 15 Jahren den Jungen bei der Lesekompetenz im Schnitt um ein volles Schuljahr voraus.

http://www.aktionsrat-bildung.de