Es lebe die Tradition: In Deutschland tragen die Schornsteinfeger noch Schwarz. Foto: SoAk

Sind wir ein Volk von Wurstessern? Was ausländische Reiseführer über uns so alles sagen.

Jerusalem - Germanen sind den Bewohnern des Heiligen Landes seit Jahrtausenden bekannt. Schon vor rund 2000 Jahren zitierte der Geschichtsschreiber Josephus Flavius eine Rede des jüdischen Königs Agrippa II. im Tempel von Jerusalem, in der er eine wenig schmeichelnde Beschreibung der Bewohner rund um Rhein und Main abgab: „Wer von Euch hat nicht schon von dem zahlreichen Volk der Germanen gehört? Einen Mut besitzen sie, der den Tod verachtet, und eine Gemütsart, die heftiger ist als die der wildesten Tiere.“ Doch nach 2000 Jahren wechselhafter Beziehungen zwischen Deutschen und Juden ist in Israel inzwischen ein anderes Deutschlandbild entstanden: „Deutschland ist es gelungen, sein Image auf verblüffende und beachtungswürdige Weise aufzupolieren“, schreibt der israelische Reiseratgeber „Tripo“.

"Fast jeder Nachtisch wird dort mit Äpfeln gemacht"

Israelische Reiseführer benutzen für Deutschland einhellig ein Superlativ: „Deutschland ist riesig“ - kein Wunder, dient ihnen zum Größenvergleich doch die Heimat Israel, die gerade einmal so groß ist wie Hessen. Deutschland sei dagegen „so groß, dass man dort wochenlang Fahrradtouren machen kann“, begeistert sich die Expertenwebsite Allabout. Auch diesen Sommer gilt Berlin wieder als eines der beliebtesten Reiseziele von Israelis aller Couleur: „Paris ist vielleicht schöner, London hat besseres Fernsehen, aber Berlin ist was ganz Besonderes“, hieß es in den Nachrichten von Channel 10. „Für Zehntausende Israelis ist Berlin die Stadt schlechthin. Billig, sauber, sicher“, fuhr der Bericht fort: „Ein Teil von Deutschland, der sich selber nicht so ernst nimmt.“ Als zweitwichtigstes Reiseziel empfehlen Experten den Freistaat im Süden der Republik: „Bayern ist Pflicht“, so Allabout: „Riesig groß und atemberaubend schön.“ In negativen Aspekten sind sich viele Ratgeber einig: „Die deutsche Gastronomie beweist, dass Klischees manchmal richtig sein können: Sie ist einfältig, enthält dafür aber umso mehr Fett und Cholesterin. Willkommen im Land von Fleisch und Kartoffeln!“, heißt es im Ratgeber des Reiseausstatters Lametayel. „Tripo“ wundert sich über die Beliebtheit von Äpfeln: „Fast jeder Nachtisch dort wird mit Äpfel gemacht: Apfelkuchen, Apfelstrudel, sogar in Pancakes stecken sie Äpfel!“

Fürsorglich warnt man die plastikverwöhnten Israelis davor, dass „man in Deutschland an vielen Orten nicht mit Kreditkarte zahlen kann“. Dafür sei es von Vorteil, dass hier der Brauch, reichlich Trinkgeld zu geben, „fast unbekannt“ sei. Bayern kommt als Wiege des Deutschtums besonders gut weg: „Die meisten Bewohner hier pflegen die Tradition, und deswegen stammen viele Stereotype über Deutsche mit ihrem Sauerkraut, den Würsten und dem Bier, das man schon am Nachmittag trinkt, von hier.“ Volkstümlichkeit ist ein sympathisches Kuriosum: „Obwohl die Deutschen in allem die Ersten sein wollen, bewahren sie gleichzeitig schöne Traditionen. Bis heute kleiden sie sich in Grün, wenn sie auf die Jagd gehen. Schornsteinfeger tragen Schwarz, und manchmal tragen Männer in Bayern noch kurze Hosen mit Hosenträgern“, erklärt die Website von Lametayel und fügt erläuternd hinzu: „Die meisten Deutschen sind förmlich und distanziert, aber nach einem kurzen Gespräch lockern sie sich und lächeln.“

Gil Yaron wurde 1973 in Haifa, Israel, geboren, wuchs aber in Deutschland auf. In den USA und in Jerusalem studierte er Medizin. Seit sieben Jahren arbeitet er für verschiedene deutsche Tageszeitungen und publiziert in drei Sprachen Bücher zum Thema Nahost. Wenn Yaron nicht mit seinem Mountainbike durch das Heilige Land brettert, arbeitet er ehrenamtlich als Arzt bei einer Menschenrechtsorganisation.