In Wirklichkeit sind Hausstaubmilben fast 1000-mal kleiner als hier abgebildet. Die Spinnentiere werden etwa 0,1 bis 0,5 Millimeter groß und sind weiß gefärbt. Ursprünglich lebten sie in Vogelnestern, inzwischen sind Hausstaubmilben in nahezu jedem Haushalt zu finden, wo sie sich von abgefallenen Hautschuppen ernähren. Foto: Fotolia

Milben können im Hochsommer und zum Herbstanfang zur Plage werden. Denn sie lösen Allergien aus. Forscher wollen der Nieserei ein Ende bereiten – und eine Tabletten-Impfung auf den Markt bringen. Doch Allergologen klagen: Die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, ist nicht hoch.

Stuttgart - Anderthalb Gramm Hautschüppchen verliert ein Mensch pro Tag – und ist sich gar nicht bewusst, welch unliebsame Haustiere er damit füttert: Hausstaubmilben finden in Betten, Teppichen und Polstermöbeln optimale Lebensbedingungen. Ist es dann auch noch zwischen 20 und 30 Grad Celsius warm, können die Milben für so manchen zur Plage werden. Denn der Kot der winzigen Spinnentierchen zerfällt und verteilt sich in der Luft. Darauf reagieren viele Menschen allergisch. Die Augen schwellen, die Nase trieft. Wird es richtig schlimm, kommt noch Atemnot hinzu.

Die Hausstauballergie, die eigentlich eine Milbenkotallergie ist, ist die am weitesten verbreitete Allergie. Schätzungsweise 700 Millionen Menschen weltweit leiden daran, in Deutschland ist es hinter der Pollenallergie die zweithäufigste Allergie. Die meisten Betroffenen behandeln die Symptome mit Sprays und Salben und versuchen, soweit es geht, die allergieauslösenden Stoffe, Allergene genannt, zu meiden. Beispielsweise indem sie Bettdecken und Kissen mit einem Milbenschutz überziehen, sowie Teppiche und Polster regelmäßig reinigen lassen.

„Dabei wäre es besser, sich einer Hyposensibilisierung zu unterziehen und somit den Körper an das Allergen zu gewöhnen“, sagt der Allergologe Thomas Fuchs, Chefarzt an der Universitätsmedizin Göttingen und Vorstandsmitglied im Ärzteverband deutscher Allergologen (AeDA). Nur so würden Betroffene auch von der Allergie geheilt. Die Behandlung wird von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt.

Zulassung wird voraussichtlich 2014 eingereicht

Tatsächlich erprobt das dänische Pharmaunternehmen ALK derzeit eine neue Schluckimpfung gegen die Hausstauballergie. Dabei wird der allergieauslösende Stoff in kleinen Dosen nicht wie derzeit üblich per Spritze oder per Tropfen den Betroffenen verabreicht. Sie nehmen stattdessen täglich eine Tablette ein. So kann der Körper langsam lernen, das Allergen zu tolerieren. Innerhalb von drei bis vier Jahren sei die Allergie dann verschwunden, heißt es bei ALK.

Noch ist das neue Medikament nicht marktreif. Die Zulassung werde aber voraussichtlich 2014 eingereicht. So gibt es eine Studie mit 992 Patienten aus zwölf europäischen Ländern, die laut Unternehmenssprecher zeige, dass das Präparat die Beschwerden deutlich reduziere.

Die Schluckimpfung in Tablettenform ist nicht neu. Schon seit 2006 gibt es diese Form der Immunisierung für Betroffene einer Graspollen-Allergie. Zumindest in Deutschland haben die Fachärzte damit gute Erfahrungen gemacht, wie der Allergologe Thomas Fuchs bestätigt. „Im Allgemeinen ist ein Großteil der Betroffenen am Ende einer solchen Therapie beschwerdefrei.“ Man könne es dem Patienten aber nicht garantieren.

Auch die Nebenwirkungen sind bei einer Immunisierung per Tablette um einiges geringer als bei einer Therapie etwa mit Spritzen. Zwar kommt es zu Reaktionen wie einer juckenden Mundschleimhaut, einer laufenden Nase oder Atembeschwerden. „Aber diese Nebenwirkungen gibt es hauptsächlich in der Anfangsphase“, sagt Fuchs.

Der psychologische Vorteil der Tablettenimpfungen: Die Betroffenen müssen nicht zu jeder Behandlung zum Arzt. „Die Tabletten kann jeder zu Hause einnehmen“, sagt Fuchs. Was aber nicht bedeutet, dass auf den Fachmann ganz verzichtet werden kann. Ein Allergologe sollte die Therapie schon überwachen.

„Dramatische Unterversorgung von Allergikern in Deutschland“

Ob dieser Vorteil allerdings ausreicht, dass endlich mehr Menschen sich aufgrund ihrer Allergie behandeln lassen, darauf will sich Thomas Fuchs nicht verlassen. Denn nach wie vor ist die Hyposensibilisierung bei Asthmatikern in Deutschland nicht sehr verbreitet, wie eine aktuelle AeDa-Studie beweist. Dazu wurden die Daten von 40 Millionen Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen hinsichtlich der Behandlung bei Allergien untersucht.

Dabei kam heraus, dass sich nur sieben Prozent der Heuschnupfenpatienten und fünf Prozent der Asthmatiker einer Hyposensibilisierung unterziehen. „Das Ergebnis bestätigt für uns eine dramatische Unterversorgung von Allergikern in Deutschland mit der einzigen wirksamen Therapie“, sagt die AeDa-Präsidentin Kirsten Jung. Dabei werde die Allergieimpfung sogar von der Weltgesundheitsorganisation WHO und den nationalen Leitlinien empfohlen.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen macht der AeDa die schlechte Honorierung der Fachärzte für ihren Einsatz der langwierigen Allergieimpfung dafür verantwortlich, dass immer weniger Allergologen eine solche Therapie anbieten. „Andererseits sind es aber auch die Allergiker selbst, die sich lieber mit Medikamenten aus der Apotheke behandeln, als wirklich gegen die Allergie vorzugehen“, sagt Thomas Fuchs.

Das Gefährliche daran: Die Patienten wiegen sich so in falscher Sicherheit. Denn aus den vermeintlich harmlosen allergiebedingten Schnupfen kann sich ein allergisches Asthma entwickeln. Ebenfalls wahrscheinlich ist, dass sich das Immunsystem weitere Fehltritte erlaubt und der Körper auf weitere Allergene allergisch reagiert. „Am Ende weist der Patient Kreuzallergien gegen alle möglichen Stoffe auf“, sagt Fuchs. Eine Immunisierung wird dann nur schwieriger werden.