Mit Hilfe eine Förderprogramms saniert eine Familie in der Schwäbisch Gmünder Stadtmitte ein Fachwerkhaus aus dem 19. Jahrhundert.
Rund 130 Quadratmeter Wohnfläche. Ein schöner, kleiner Garten und ein uriger Gewölbekeller. Freigelegte Fachwerkbalken, abgeschliffene alte Dielenböden. Dieses Haus, Baujahr 1870, hat Flair.
Die Stadtmitte von Schwäbisch Gmünd ist nur ein paar Schritte entfernt. Auch die Grundschule, der Kindergarten und Läden sind in der Nähe. Eva Bidon, 35, und ihr Mann Sebastian Schillings-Bidon, 42, können es manchmal gar nicht glauben, dass sie dieses Gebäude tatsächlich gekauft und saniert haben. Das Gebäude mit drei bewohnbaren Ebenen hat lediglich einen niedrigen sechsstelligen Eurobetrag gekostet, sagt der Hausherr an diesem sommerlichen Vormittag. Die Sanierung freilich verschlang noch mal eine ähnliche Summe – und ungezählte Arbeitsstunden des Wirtschaftsingenieurs. Mitunter haben auch mal Freunde mit angepackt.
Die Familie mit zwei Kindern – acht und zwei Jahre alt – hatte ein bisschen Glück, dass ihr Traum wahr wurde. Der Verkäufer fand wohl Gefallen an den Interessenten, die zusicherten, die Immobilie behutsam zu sanieren und keinesfalls abzureißen. Außerdem können sich die neuen Eigentümer freuen, dass ihr Haus ausgerechnet in Gmünd steht. Denn die Stadt hat der Familie 7500 Euro spendiert.
In den Innenstädten soll wieder gewohnt werden
Das Förderprogramm heißt „Jung kauft Alt“, die ehemalige Reichsstadt ist eine von ganz wenigen Kommunen in Baden-Württemberg, die einen Zuschuss für den Erwerb einer älteren Immobilie in der City gewähren. Voraussetzung: die Käufer müssen ein in die Jahre gekommenes Haus erwerben, auf Vordermann bringen und dann selbst beziehen.
Das Programm soll verhindern, dass immer mehr alte Gebäude in den Innenstädten und Ortszentren leer stehen, verfallen, während zugleich in den Außenbereichen immer neue Wohngebiete für Einfamilienhäuser ausgewiesen werden. „Jung kauft Alt“ soll verhindern, dass zu viele Ressourcen verbraucht und immer mehr Flächen versiegelt werden.
Die Bundesregierung will bis 2030 den Flächenverbrauch deutschlandweit auf 30 Hektar täglich verringern. Ein ambitioniertes Ziel. Derzeit würden noch immer grob geschätzt täglich gut 50 Hektar bebaut, sagt Reiner Braun von der Beratungsgesellschaft Empirica in Berlin. Er hat „Jung kauft Alt“ im Auftrag des Verbands der Privaten Bausparkassen unter die Lupe genommen.
Bundesweit wird das Programm in genau 119 Kommunen angeboten, Braun vergleicht es mit einem „kommunalen Baukindergeld“. Er sagt aber auch, bei pauschalen Geldauszahlungen bestehe immer die Gefahr, dass der Verkäufer einfach den Preis noch etwas anhebe. Deshalb sei es womöglich schlauer, wenn die Kommune einen Gutachter bezahlt, der den jeweiligen Sanierungsaufwand ermittelt – was in Schwäbisch Gmünd getan wird. Die Stadt lässt für ein Gutachten maximal 2500 Euro springen – und je Kind bis einschließlich 16 Jahre noch einmal 2500 Euro. Bis dato sind laut Auskunft von Dieter Popp vom Gmünder Amt für Stadtentwicklung vier Projekte im Rahmen des Programms bezuschusst worden. Die einzige weitere Kommune im Land, die laut Empirica „Jung kauft Alt“ anbietet, ist Gechingen bei Böblingen. Bislang seien in der Gemeinde drei Anträge bewilligt worden, so die Auskunft aus dem Rathaus.
Ziel von Stadtentwicklung sollte es immer sein, den sogenannten Donut-Effekt zu vermeiden, erklärt Braun. Ein Phänomen, von dem viele Kommunen betroffen sind: In der Ortsmitte herrscht Leerstand, weil sich die Menschen in die Wohngebiete am Stadtrand zurückziehen. Braun sagt, es sei erfreulich, dass das Bundesbauministerium angekündigt habe, es wolle das Programm „Jung kauft Alt“ unterstützen. Er hofft, dass es bei der finanziellen Unterstützung bleibt. Sollten nämlich darüber hinaus Regelungen aufgestellt werden, die überall gelten müssen, sei viel zu viel Bürokratie zu erwarten. Bis dato regelt jede Stadt und jede Gemeinde alles selbst.
Der Großstädter muss sich noch an Schwäbisch Gmünd gewöhnen
Erfunden worden ist das Programm im kleinen Hiddenhausen. Andere Kommunen haben den Namen dann übernommen. „Jung kauft Alt“ findet längst bundesweit Beachtung. Die Stiftung Baukultur etwa erklärt, das Programm sei „super“.
Sebastian Schillings-Bidon erzählt, dass es für ihn als waschechten Stuttgarter schon eine Herausforderung gewesen sei, in die wesentlich kleinere Stadt Schwäbisch Gmünd zu ziehen. Eva Bidon ist hier aufgewachsen, ihre Eltern leben immer noch in der Stadt. Sie mochte die gut 60 000 Einwohner zählende Kommune schon früher, sagt sie. Seit der Remstal-Gartenschau 2019 habe sich die Lebensqualität in Gmünd nochmals deutlich verbessert.
Auf eine Immobilie in Gmünd hatten die beiden es eigentlich gar nicht abgesehen. Als aber Eva Bidons Eltern eines Tags berichteten, dass um die Ecke ein Reihenhaus zum Verkauf stehe, schaute das junge Paar im Internet mal nach den Preisen für Häuser in Gmünd. Einfach so, aus Neugier. Bei dieser Recherche sind sie zufällig auf das Gebäude gestoßen, das sie jetzt bewohnen. In der Annonce hieß es „Für Liebhaber“, was oft eine nette Umschreibung für Gebäude ist, denen ein Abriss gut tun würde. In solchen Fällen sagen Fachleute, die Faustregel sei klar: Hauswert minus Abbruchkosten gleich Kaufpreis. Ein Abriss indes kam für die Bidons keinesfalls in Frage.
Die beiden haben sich bei der ersten Besichtigung in das Haus Gebäude verguckt. Liebe auf den ersten Blick, wie sie sagen. Die alte Türe und die dahinter versteckten Holztreppe – toll! Der Steinboden im Eingangsbereich – ein Traum. Die ungewöhnliche Türklingel im Flur, eine kleine, metallene Glocke, die nur über einen Draht mit dem Hebel an der Türe verbunden ist – hat man noch selten anderswo gesehen, ein echter Hingucker!
Jeder Besucher des Hauses erkennt gleich: Da wurde mit viel Liebe zum Detail saniert. In den Zimmern stehen ein paar alte Möbel der vorherigen Bewohnerinnen – fünf ledige Schwestern, die fast ihr ganzen Leben zusammen in dem Haus wohnten. Als alle Damen gestorben waren, verkaufte der jüngste Bruder die Immobilie, selbst bereits ein betagter Herr. Es ist kaum verwunderlich, dass der Senior höchst erfreut war, als sich die junge Familie für sein altes, geerbtes Haus interessierte – und dass er ihr schließlich den Zuschlag gab. Sebastian Schillings-Bidon sagt: „Wir haben so viel erhalten wie möglich.“ Bretter, die aus der niedrigen Decke im Obergeschoss entfernt wurden zum Beispiel, werden nun als Regal genutzt. Das Haus inklusive Zuschuss von der Stadt ist für die junge Familie wie der sprichwörtliche Sechser im Lotto.
Die Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) erklärte kürzlich in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“, es sollten „nicht für jede Generation immer neue Einfamilienhaussiedlungen ausgewiesen werden“. Man könnte also sagen, Sebastian Schillings-Bidon und seine Frau handelten vorbildlich. Auch wenn es hier keinen Platz für eine größere Werkstatt und keinen trockenen Keller gibt – sie haben es noch keine Sekunde bereut, jetzt in diesem schönen Haus in Gmünd zu wohnen.