Südwest-CDU kann Projekt nur wenig abgewinnen. Grün-Rot befürchtet Rückfall in die 50er Jahre.    

Stuttgart - In Baden-Württemberg formiert sich massiver Widerstand gegen das von der CSU forcierte Betreuungsgeld. Selbst der mächtige CDU-Landesverband steht nicht mehr hinter der Abmachung in der schwarz-gelben Koalition - obwohl auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) daran festhalten will.

CDU-Landeschef Thomas Strobl will Mütter lieber auf eine andere Weise unterstützen. „Ich könnte mir gut vorstellen, dass dies über die bessere Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung gelöst werden kann“, sagte Strobl, am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa. Auch CDU-Fraktionschef Peter Hauk sagte: „Wir wollen der Altersarmut vorbeugen.“ Die Südwest-FDP hält das Betreuungsgeld für eine „Fehlinvestition“.

Sozialministerin Altpeter: Geld für Kinderkrippen ausgeben

Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) hält die Kontroverse bei Schwarz-Gelb für überfällig. „Das Betreuungsgeld ist ein kaum für möglich gehaltener Rückfall in das Denken der 50er Jahre“, sagte die SPD-Politikerin. „Mit einem Betreuungsgeld entstehen Fehlanreize.“ Sie forderte die CDU-regierten Länder auf, diesen „Kuhhandel“ mit der CSU zu unterbinden. Es sei wesentlich vernünftiger, das Geld für den Ausbau der Kinderkrippen auszugeben. Das Betreuungsgeld soll von 2013 an zunächst 100 Euro und ab dem folgenden Jahr 150 Euro monatlich betragen - für Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause betreuen und nicht in eine Kita schicken.

FDP-Generalsekretärin Gabriele Heise empfahl der CSU einen Umdenkprozess. „Die CSU muss sich da ein Stück bewegen und überlegen, ob sie mit dieser Forderung richtig fährt.“ Es sei schon jetzt absehbar, dass die Nachfrage nach Betreuungsplätzen für Kleinkinder wesentlich höher ausfallen werde als bisher geplant. Es wäre deshalb besser, das Geld hier zu investieren, statt es für das Betreuungsgeld auszugeben, sagte Heise. „Das käme allen Familien zugute.“

Strobl, der auch Vorsitzender der baden-württembergischen Landesgruppe im Bundestag ist, sagte voraus: „Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineingeht.“ Die Union sei im Zwiespalt: Einerseits wolle man den Eltern über bessere Betreuungsangebote Wahlfreiheit ermöglichen, andererseits solle auch die Erziehungsleistung zu Hause anerkannt werden. Es sei fraglich, ob es hier ein Ungleichgewicht zu Ungunsten von daheim erziehenden Eltern gibt, das man mit dem Betreuungsgeld ausgleichen müsse.

Konflikt ideologisch aufgeladen

Strobl beklagte, der Konflikt sei von Befürwortern und Gegnern „ideologisch sehr aufgeladen“ worden. „Den Beteiligten ist zu raten, von der Palme herunterzukommen.“ Es sei nicht Aufgabe der Politik, Lebensentwürfe zu bewerten, sie müsse Rahmenbedingungen schaffen. „Die Politik kann sehr entschlossen den Ausbau der Kinderbetreuung und der Ganztagsschulen angehen, ohne die Betreuungsleistung von Eltern gering zu schätzen“, sagte der Vorsitzende des bundesweit zweitgrößten CDU-Landesverbands.

Heise glaubt nicht, dass der Streit um das Betreuungsgeld die Koalition in Berlin sprengen könnte. „Es ist sinnvoll, dieses Thema nochmal aufzurufen, da sich auch in der CDU etwas tut.“ In der CDU-Bundestagsfraktion haben zwei Dutzend Abgeordnete Widerstand gegen die Leistung angekündigt. Heise sagte, es sei die Pflicht der Politik, getroffene Entscheidungen angesichts neuer Fakten auf den Prüfstand zu stellen.

Ministerin Altpeter sagte, für sie ist es der „Gipfel“, dass bei Schwarz-Gelb in Berlin überlegt werde, das Betreuungsgeld „zwar der wohlhabenden Gattin, nicht aber einer armen Mutter, die Hartz IV bezieht, zu geben“. Sie sieht in der Leistung auch einen Verstoß gegen das Grundgesetz. Es verletze das Gleichstellungsgebot und schaffe zudem ein ganz neues und kurioses Recht, indem Familien belohnt werden, wenn sie Kitas nicht in Anspruch nehmen. „Wenn ich nicht in die staatlich bezuschusste Oper gehe, dann bekomme ich dafür doch auch keinen finanziellen Ausgleich.“