„Geboren, um gemalt zu werden“: Prinzessin Maria ­Fjodorownain St. Petersburg. Foto: Imw

Wie erzählt man Geschichte? Die Schau „Im Glanz der Zaren – Die Romanows, Württemberg und Europa“ des Landesmuseums Württemberg im Alten Schloss lenkt die Aufmerksamkeit auf fünf Frauen, die am russischen Zarenhof und im württembergischen Königshaus auf je ganz eigene Weise großen Eindruck hinterließen.

Stuttgart - Das Landesmuseum Württemberg zeigt im Alten Schloss in Stuttgart als Große Landesausstellung die Schau „Im Glanz der Zaren“.

Die Ausgangslage

Katharina die Große hat Mitte der 1770er Jahre das russische Reich stabilisiert. Die Machtpolitikerin mit deutschen Wurzeln aber weiß: Will Russland im Machtgefüge Kontinentaleuropas eine mitentscheidende Rolle spielen, braucht es belastbare Beziehungen nach Westen.

Eine Hochzeit soll den Einfluss der Romanows stärken. Welches Adelshaus aber käme als strategischer Partner infrage? Die russische Kaiserin entscheidet sich für ein in seinen Ausmaßen kleines, aber in der geografischen Spannung zwischen Frankreich und Preußen strategisch interessantes Herzogtum – Württemberg. Katharina entscheidet für ihren Sohn Paul. Der Thronfolger soll die württembergische Prinzessin Sophie Dorothee heiraten.

Auf höchster diplomatischer Ebene wird die persönliche Verbindung verhandelt, 1776 findet in St. Petersburg die Hochzeit statt. Aus Sophie Dorothee wird Maria Fjodorowna, und Katharina die Große notiert : „Alle sind von ihr begeistert.“

Eine Schau, fünf Bühnen

Eine Frau und ein Mann werden verheiratet. Prinzessin und Thronfolger. Oft genug keine Geschichte aus dem Poesiealbum. Bei Maria Fjodorowna und Paul aber ist es über alle politischen Erwartungen hinweg Liebe. Und wohl auch dies macht es Fritz Fischer und Katharina Küster-Heise, die „Im Glanz der Zaren“ maßgeblich erarbeitet haben, leicht, ihre Form der Erzählung zu realisieren und als ideal erscheinen zu lassen.

Sie folgen der gebürtigen Prinzessin Sophie Dorothee nach St. Petersburg, rollen dem Publikum einen roten Teppich aus, auf dem man durch Tapisserien jener Jahre spaziert, über die Bild gewordene Begeisterung am russischen Hof staunt und nicht zuletzt auch über die Briefzeilen der zur russischen Thronfolgerin aufgestiegenen Württembergerin: „Ich liebe ihn wie verrückt.“

„Im Glanz der Zaren“ ist als Ausstellung ein Spiel mit dem Staunen. In einem harmonischen Ganzen sind den fünf Frauen, die bis 1917 für die Verbindung zwischen den Romanows und dem Hause Württemberg stehen werden, fünf Bühnen zugedacht. Auf ihnen wird von Glanz und Selbstverständnis erzählt, wird Macht demonstriert, wird aber auch der Schritt in die Moderne des frühen 20. Jahrhunderts deutlich.

Die Hauptrollen auf diesen fünf Bühnen spielen fünf Frauen. Nach Sophie Dorothee sind dies zwei Russinnen – Katharina, die Gemahlin des späteren König Wilhelm I. und Olga, die Ehefrau des späteren Königs Karl. 1824 ist es wiederum Prinzessin Charlotte von Württemberg, die Großfürst Michael von Russland heiratet und den Namen Helena Pawlowna annimmt. Und zuletzt wird Großfürstin Wera, die Nichte Olgas, aus St. Petersburg an den Stuttgarter Hof geholt und heiratet später Herzog Eugen von Württemberg.

Fünf Frauen, fünf Bühnen, eine Schau – nur zu gerne folgt man dieser Präsentation, die sich mit gutem Grund auf die Überzeugungskraft von Originalen stützt, Politik über Alltagsgegenstände erfahrbar macht.

Brüche und Diagonalen

Was folgt dem Staunen der jungen Württembergerin Sophie Dorothee am russischen Hof? Was bringen Katharina und Olga mit nach Württemberg? Wie erlebt Charlotte von Württemberg, die als Helena Pawlowna einen Salon internationaler Geistesgrößen führt, die Widersprüche des zum tönernen Riesen angewachsenen russischen Reiches? Und wie anders als die der repräsentativen Autokratie verpflichtete Olga nimmt die Analytikerin Wera Ende des 19. Jahrhunderts die Zeichen einer neuen Zeit nicht nur in Württemberg wahr? Diese Fragen bieten Einstiege in die tieferen Ebenen einer Ausstellung, die das begleitende Katalogbuch als Schärfung des durch die fünf Bühnen eröffneten Blickfeldes versteht und nutzt.

Hinweise auf die Massenverelendung in Russland und die Armut in Württemberg machen in der Ausstellung die sozialgeschichtliche Folie für den Auftritt der Adligen deutlich. Und schließlich empfiehlt sich vor oder nach dem Besuch von „Im Glanz der Zaren“ der Weg in die ständige Sammlung des Landesmuseums, werden dort doch auch die Brüche außerhalb der großen Politik deutlich – etwa der Widerspruch von feudaler Repräsentation und gerade durch den württembergischen Hof vorangetriebener Industrialisierung.

Schlussbilder

Am 2. März 1917 unterzeichnet Zar Nikolaus II. die Abdankungsurkunde, am 30. November 1918 gibt in Württemberg Wilhelm II. seinen Rückzug vom Thron bekannt. Gewaltsame Revolution in Russland und Wandlung in einen „Freien Volksstaat“ in Württemberg – das sind die Schlussbilder dieser Ausstellung. Unaufdringlich wird diese Entwicklung aus dem Blick von fünf Frauen vorgezeichnet. Mag das filmreife so kurze wie heftige Auftreten Katharinas in Württemberg noch wenig Fenster in die große Politik öffnen, zeigt sich, verbunden mit Initiativen der jung gestorbenen Königin doch eine Reformbereitschaft in sozialen Fragen, die in Russland ausbleibt.

Zur zentralen Figur dieser Schau wie auch der Verbindung zwischen den Romanows und Württemberg aber wird Königin Olga (1822–1892). In allem den Anspruch des Souveräns wahrend, setzt sie doch zugleich Marksteine sozialer Verbesserungen. Ihre Ankunft in Stuttgart wird 1846 zum öffentlichen Beweis des Zarenglanzes. Olgas Mitgift wird im Alten Schloss präsentiert – mit einem Gold-Service für 120 Personen als Herzstück. „Der Glanz der Zaren“ bringt in alle Welt verstreute Hauptstücke dieses Schatzes zurück. 40 Jahre später sucht königliche Macht einen ganz anderen Ausweis: Die Fotografie unterstreicht den anekdotisch aufgeladenen Wandel zur Bürgermonarchie – zu spät.

Daten und Preise

Ort: Die Große Landesausstellung „Im Glanz der Zaren – Die Romanows, Württemberg und Europa“ ist von diesem Samstag an im Landesmuseum Württemberg im Alten Schloss in Stuttgart zu sehen. Sie endet am 23. März 2014.

Öffnungszeiten: Di bis So und Feiertag 10 bis 17 Uhr.

Eintritt: 12 Euro (ermäßigt 9 Euro), Kinder bis 5 Jahre kostenlos, Kinder und Jugendliche (6 bis 18 Jahre) 5 Euro. Familienkarte groß 21 Euro (zwei Erwachsene und Kinder bis 18 Jahre), Familienkarte klein 14 Euro (ein Erwachsener und Kinder bis 18 Jahre), Der Eintrittspreis umfasst ein Begleitheft zur Schau sowie den Besuch der ständigen Sammlung („Legendäre Meisterwerke“).

Katalog: Unbedingt empfehlenswert ist das im Thorbecke-Verlag erschienene Begleitbuch. Es kostet in der Ausstellung 19,80 Euro, im Buchhandel 25 Euro.

Kinder: „Märchenhaftes Russland“ heißt die Schau im Kindermuseum Junges Schloss. Zu erleben ist eine Mitmachausstellung für Kinder von 4 bis 10 Jahren.

www.landesmuseum-stuttgart.de