Eine Mauereidechse wärmt sich in der Sonne. Foto: dpa

Die Umsiedlung von Mauereidechsen gilt als Lösung im Konflikt zwischen Artenschutz und Bauprojekten. Doch ein Beispiel aus Bad Cannstatt zeigt, dass das nicht unbedingt funktioniert.

Bad Cannstatt - Mauer- und Zauneidechsen sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützte Arten. Und beide Arten sind in Stuttgart ansässig. Durch große Bauvorhaben wie Stuttgart 21 oder die Wohnbebauung am Neckarpark müssen die kleinen Reptilien immer wieder aus ihrem angestammten Lebensraum in neue Habitate umgesiedelt werden. Dieser Vorgang geht nicht immer glimpflich aus.

 

Das Problem ist der Zeitdruck

Beobachten konnte man so einen fehlgeschlagenen Domizilwechsel im Travertinpark auf dem Hallschlag. Vom Gelände des erweiterungsbedürftigen Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums im Stuttgarter Norden wurden einige Hundert Mauereidechsen auf den Hallschlag umgesiedelt. Allerdings: Viele von ihnen sind dort umgekommen. Der Grund: „Die Nahrungsgrundlage hat dort nicht ausgereicht“, sagt Hans-Peter Kleemann, Vorsitzender der Naturschutzbund-Gruppe (Nabu) Stuttgart. Dies hängt auch damit zusammen, dass man sich bei der Anzahl der Tiere verschätzt hat. Die Stadt rechnete mit 240 Echsen, am Ende waren es 900. Dass Mauer- oder Zauneidechsen nach der Umsiedlung verenden, ist kein Einzelfall. Das Problem: Der Zeitdruck, der bei Bauvorhaben und den damit zusammenhängenden Umzügen der Tiere vorherrscht. „Oft fehlt bei diesen Unternehmungen der Vorlauf, den das neue Habitat bräuchte, um für die neuen Echsen vorbereitet zu werden“, sagt der Experte. Damit gemeint ist vor allem, das Herstellen einer angemessenen Nahrungsgrundlage und die Suche nach der richtigen Größe des Areals. Dieses muss entweder identisch sein mit der Größe des bisherigen Lebensraumes oder es muss qualitativ höher sein. Das bedeutet, dass es bei einem kleineren Lebensraum eben mehr Nahrung geben sollte. „Oft ist das aber nicht der Fall und die neuen Areale bräuchten noch ein oder zwei Jahre, um wirklich vollständig vorbereitet zu sein.“ Dies liegt zu einem großen Teil auch an der generellen Abnahme des Insektenbestandes – Eidechsen ernähren sich hauptsächlich von entsprechendem Kleingetier – in der Natur. Finden sie keine Nahrung, verlassen sie ihr angestammtes Gebiet und machen sich anderweitig auf die Suche. Durch die zunehmende Versiegelung der Grünflächen finden sie aber auch dort kaum etwas zu fressen.

Keine böse Absicht

Der Experte vom Nabu sieht keine Böswilligkeit bei den zuständigen Stellen in der Stadtverwaltung und verweist auf das Spannungsverhältnis von Naturschutz, wirtschaftlichen Interessen und dem Mangel an Wohnraum in Stuttgart. Natürlich seien auch die Ausweichflächen für neue Echsen-Habitate nur begrenzt vorhanden. Hinzu kommt, dass die „Stuttgarter Mauereidechse“ – deren Gen-Mix aus ausländischen und heimischen Arten besteht – sehr stark und widerstandfähig ist und somit nicht unbedingt dafür geeignet, außerhalb von Stuttgart angesiedelt zu werden, da sie dort andere Arten verdrängen. Diese Sachzwänge seien nicht zu leugnen. „Man kann aber auf alle Fälle sagen, dass die Stadt bei den Umsiedlungen teilweise fahrlässig handelt.“ Weitere Echsen könnten dem Bauvorhaben für Stuttgart 21 in Untertürkheim – dem sogenannten Abstellbahnhof Untertürkheim – zum Opfer fallen. Dort leben etwa 6000 Tiere. Die Hälfte davon wurde schon umgesiedelt. Der Rest wird erst einmal an Ort und Stelle gelassen. Was mit ihnen während der Bauarbeiten passiert, ist unklar.