35.000 Jahre alte Idee: Löwenmensch. Foto: StN

Jeder sollte diese Ausstellung gesehen haben, schwärmt die Londoner „Times“ über die neue Eiszeitschau im British Museum in London. Doch die berühmtesten Stücke von der Schwäbischen Alb sind entweder nicht oder nur in Kopie vertreten.

Stuttgart/London - Das British Museum, eines der bedeutendsten kulturhistorischen Museen der Welt, präsentiert derzeit die frühesten Kunstwerke der Menschheit einem internationalen Publikum. Einen zentralen Rang in der aufwendig beworbenen Schau nehmen zwölf Figuren aus den Höhlen der Schwäbischen Alb ein. Darunter der Löwenmensch, ein Fabelwesen aus dem Hohlensteinstadel bei Ulm, an dem die Briten ihr Thema exemplarisch festmachen: The arrival of the modern mind – das Aufkommen des modernen Denkens.

Doch ausgerechnet diese 30 Zentimeter große Plastik, die ein steinzeitlicher Künstler vor rund 35.000 Jahren geschaffen hat, ist eine Kopie. Das British Museum hängt das zwar nicht an die große Glocke, denn das widerspricht dem Anspruch, nur Originale zu zeigen. Die Elfenbeinskulptur ist aber zu bedeutend, um auf sie verzichten zu können – und das Original ist beim besten Willen nicht greifbar. Es liegt derzeit in mehrere hundert Einzelteile zerlegt im Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen – ungefähr so, wie es 1939 bei Grabungen gefunden wurde.

Dass das Puzzeln von neuem beginnt, hat einen triftigen Grund: 2010 haben Archäologen weitere Buchstücke im Hohlensteinstadel gefunden. Und die scheinen in die Lücken der fragmentarischen Figur zu passen. „Wir haben die Hoffnung, dass wir den zweiten Arm hinbekommen“, sagt Projektleiter Claus-Joachim Kind.

Replik des Löwenmenschen mit LKW abgeholt

Im Sommer will das Landesamt erste Ergebnisse veröffentlichen, und für November kündigt der Eigentümer, das Ulmer Museum am Marktplatz, die „Rückkehr des Löwenmenschen“ an. Das alles passte nicht in den Zeitplan der Briten, also mussten sie sich mit einer Replik begnügen. Die haben sie übrigens mit einem LKW abgeholt, was bei den heimischen Archäologen für Verwunderung sorgte. Möglicherweise ist man in London mit den metrischen Maßangaben nicht ganz vertraut. Dafür spricht auch, dass im Katalog eine weitere Figur aus Baden-Württemberg, ein Elfenbeinlöwe des Archäologischen Landesmuseums, mit 25,5 Zentimeter Höhe angegeben ist. Korrekterweise müsste das Komma eine Stelle weiter links sitzen.

Komplett verzichten muss das British Museum auf die Venus vom Hohle Fels und das Mammut aus der Vogelherdhöhle – zwei Funde des Tübinger Archäologen Nicholas Conard, die vor wenigen Jahren als weltweite Sensation gefeiert wurden.

„Die Briten hätten sie natürlich gerne gehabt, aber wir müssen unsere langfristigen Leihverträge einhalten“, sagt Barbara Theune-Großkopf, die Vizechefin im Archäologischen Landesmuseum in Konstanz. Die beiden Figürchen waren nämlich längst dem Landesmuseum Württemberg in Stuttgart zugesagt. Dort liegen sie derzeit in den Vitrinen der Ausstellung „Legendäre Meisterwerke“.

Transport belastet die uralten Kunstwerke

Im Mai reist das kleine Mammut dann in den gerade entstehenden Archäopark in Niederstotzingen, die Venus zieht im Lauf des Jahres ins Urgeschichtliche Museum nach Blaubeuren um, wo sie eigentlich bleiben soll – bis sie erneut auf Reisen geht? „Wir müssen uns überlegen, wie oft wir die Figuren überhaupt noch ausleihen können“, sagt Theune-Großkopf. Jeder Transport ist eine Belastung für die uralten Kunstwerke – trotz klimageregelter Spezialboxen.

Das Landesmuseum Württemberg hat seine Exponate von einem fachkundigen Kurier per Flugzeug nach London bringen lassen. Darunter auch das Relief einer menschlichen Figur, das vor 35 000 Jahren in das Plättchen eines Mammutstoßzahns geschnitzt wurde. Aber auch eiszeitliche Flöten aus dem Hohle Fels, eine Halskette aus der Brillenhöhle und das Figürchen eines Wildpferds aus dem Vogelherd bereichern die Londoner Ausstellung.