Neues Führungsduo: Christiane Benner und Jürgen Kerner starten mit einem großen Vertrauensvorschuss in die neue Amtszeit. Foto: AFP/ANDRE PAIN

Die aufgewühlten und polarisierten Debatten in den Betrieben treiben die neue IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner um. Sie hat einen Plan, wie sie die Belegschaften beeinflussen will.

Über mangelnden Zuspruch kann sich die IG Metall derzeit eigentlich nicht beklagen. In etlichen Bereichen ihrer Mitgliedschaft – bei Angestellten, Frauen, Jugend, Ausländern – kann sie in diesem Jahr sehr positive Zugangszahlen vorweisen. Dennoch glaubt die neue Vorsitzende Christiane Benner, dass die massive Verunsicherung in den Betrieben in der Krise auch mit ihrer Organisation zu tun hat, wie sie auf dem Gewerkschaftstag in Frankfurt bekennt.

IG Metall sieht sich in der Verantwortung

Die Beteiligung der Basis, die schon unter ihrem Vorgänger Jörg Hofmann forciert worden war, steht für die 55-Jährige ganz oben auf ihrer Agenda. „Wir sehen aufgrund des mangelnden Zusammenhalts und der Polarisierung in der Gesellschaft eine sehr wichtige Verantwortung für uns, weil wir es konkret in den Betrieben verändern können“, sagt Benner. „Wenn wir für die Menschen betriebliche Demokratie erfahrbar machen, haben sie eine positivere Haltung zum Thema Demokratie insgesamt.“ Also müsse man ihnen „vor allem das Gefühl geben, dass sie durch eigenes Handeln ihre Zukunft mitgestalten können“. Zuvor war Benner als erste Frau mit 96,4 Prozent (401 Ja-Stimmen, 15 Nein) und dem besten Wahlergebnis seit 58 Jahren ins Amt gekommen – 1965 hatte Otto Brenner fast 99 Prozent eingefahren.

Gespräche mit Gesamtmetall und BDA verabredet

Auch die Arbeitgeber sieht sie in der Pflicht, an der Bewahrung der Demokratie mitzuwirken. Es gebe immer dort eine hohe Zufriedenheit der Beschäftigten, wo sie erkennen können, in welche Richtung ihr Unternehmen strebt, meint die bisherige Zweite Vorsitzende. „Wenn sie einen sicheren Hafen sehen, haben die Leute auch keine Angst vor Veränderungen.“ Insofern habe sie auch schon mit Vertretern der Arbeitgeberdachverbände Gesamtmetall und BDA Gespräche verabredet. „Ich sag mal: ein ,Aufstand der Anständigen’ ist zu pathetisch, aber kriegen wir da nicht zusammen was hin?“ Gemeinsam müsse man alle Möglichkeiten nutzen, um die Beschäftigten zu erreichen. Die IG Metall werde sich diese Zeit in jedem Fall nehmen – „aber ich find’s halt cooler, wenn wir da zusammen vorangehen“.

Selbst die mediale Sichtbarkeit der Gewerkschaft hat sie – etwas überraschend – als Schwachstelle ausgemacht. „Wir kommen zu wenig vor – vor allem in der Öffentlichkeit und in den Medien“, befindet Benner. „Ich will, dass wir mehr gefragt werden.“ Denn entscheidend sei, was in den Fabrikhallen ankomme. „Wenn bei ,Hart aber fair‘ über Arbeitszeit diskutiert wird, und da ist kein Gewerkschafter, dann läuft irgendwas schief“, sagt die Vorsitzende, deren Vorgänger Hofmann Talkshows prinzipiell gemieden hat. Sie wolle für eine verstärkte Präsenz sorgen – „und ich bin sehr offen für Einladungen für alles“. Die Menschen wollten mit ihren Themen der Facharbeiter oder Ungelernten gesehen werden. „Es ist eine Aufgabe für uns alle, ihnen eine Stimme zu geben.“

Mehr Tiktok und Lokalmedien

Gemeint ist laut dem neuen Vize Jürgen Kerner auch, dass die IG Metall stärker in die Lokalmedien und Onlinemedien der Jugend vordringen wolle. „Wir sind eine der letzten Organisationen, denen die Menschen noch Vertrauen entgegenbringen“, betont der bisherige Hauptkassierer. „Wir können Stammtisch und Kanzleramt, wir müssen es nur noch transparenter machen.“

Der bisherige Hauptkassierer wurde mit 95,6 Prozent (394 Ja- und 18 Nein-Stimmen) in sein neues Amt gewählt. Die Stuttgarter Bevollmächtigte Nadine Boguslawski erhält im engsten Führungskreis die Verantwortung für Tarifpolitik und wird Hauptkassiererin. 360 Ja-Stimmen brachten ein Votum von 87,4 Prozent. Das Fünferteam wird komplettiert vom Sozialpolitiker Hans-Jürgen Urban (95,2) und Ralf Reinstädtler (92,2).