Samsungs größter ultrahochauflösender Fernseher heißt S 9 und kostet 35 000 Euro. Dafür misst der Bildschirm eine Diagonale von 2,16 Metern Foto: Samsung

Mit ihnen sieht man viermal schärfer als mit herkömmlichen TV-Geräten. Das Problem: Für die sogenannten Ultra-HD-Geräte gibt es praktisch noch keine Inhalte – weder auf Blu-ray noch im Fernsehen. Also was bringen sie überhaupt?

Berlin - Markus Wagenseil, Manager des japanischen TV-Herstellers Panasonic, schaut in den Himmel: Er könne sich noch genau erinnern, als er zum ersten Mal seine Brille trug. Plötzlich war die Welt gestochen scharf – und die Sterne habe er funkeln sehen, sagt er auf der Internationalen Funkausstellung (Ifa) in Berlin, die offiziell am Freitag eröffnet wird. Wenn ein Technikexperte auf lyrischen Höhenflügen ist, kann es eigentlich nur einen Grund haben: Er möchte etwas verkaufen, das auch andere superscharf finden sollen. Ultra-HD-Fernsehen nennt es die Branche oder: das ultrahochauflösende Fernsehbild. Die Ifa hat es zum Trend ausgerufen. Neben Toshiba wollen auch andere TV-Größen wie Samsung, Sharp sowie die chinesischen Hersteller TLC und Hisense Geräte präsentieren.

Die Fernsehbranche fokussiert sich aus gutem Grund auf den neuen Standard, denn sie steckt in einer Krise. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden in Deutschland 3,7 Millionen Fernsehgeräte zu insgesamt rund fünf Milliarden Euro verkauft – 1,2 Millionen Geräte weniger als im Vorjahreszeitraum. Das hat auch mit dem Sportjahr 2012 zu tun, in dem sich die Deutschen zu Fußball-EM und Olympischen Spielen mit neuen Modellen versorgten. Deshalb gehen die Hersteller derzeit massiv auf Kundenfang. Der Verbraucher soll etwas bekommen, von dem er gar nicht ahnte, dass er es benötigt: Utra-HD. Branchenexperten sprechen von einer „Revolution“.

Doch nutzt die Revolution auch den Kunden?

Ultra-HD liefert eine Auflösung von exakt 3840 mal 2160 Bildpunkten – damit ist es viermal besser als der Standard Full-HD, also das voll hochauflösende Fernsehbild. Der Effekt: Durch das superrealistische Bild fühlt sich der Betrachter stärker in das Bild gezogen, auch kleinste Details sind zu sehen, das Bild erscheint fast dreidimensional. Vor allem aber kann sich der Zuschauer deutlich näher zum Bildschirm setzen als beim HD-Fernsehen. Selbst im geringen Abstand sind keine Bildpunkte zu erkennen.

Klingt banal, ist aber für viele Kunden wichtig. Denn die Bildschirmgröße ist laut einer Studie der Ditzinger Elektronik-Genossenschaft Euronics der Hauptgrund, sich einen neuen Fernseher anzuschaffen. Die Verbraucher stellen sich immer größere Flachbildfernseher in die Wohnzimmer, Bildschirmdiagonalen von mindestens 46 Zoll (117 Zentimeter) liegen im Trend. Teils sind sie so groß, dass mancher eigentlich die Wohnzimmerwand durchbrechen müsste, um auf den empfohlenen Mindestabstand zu kommen, um ein pixelfreies Bild zu sehen. Das ultrahochauflösende Fernsehen dagegen passt in praktisch jedes Wohnzimmer.

Nur: Noch fehlt das Programm, das auch zu den neuen Fernsehern passt.

Derzeit strahlen noch nicht einmal alle deutschen Fernsehsender ihre Filme in HD-Qualität aus. Bis Serien oder Dokumentationen superscharf erscheinen, dürften zumindest noch Jahre vergehen. Nur bei aufwendigen Kinofilmen wird schon in Ultra-HD-Qualität gefilmt, räumt Klaus Böhm, Mediendirektor bei der Unternehmensberatung Deloitte, ein. Für ihn ist das aber ebenso ein „Hoffnungszeichen“ wie die Technikbegeisterung der Japaner. Diese filmten bereits die kommende Fußball-WM in Ultra-HD – was den deutschen Zuschauern aber reichlich wenig nutzt. Hierzulande wollen der Bezahlsender Sky sowie der Satelliten-Betreiber Astra bis 2015 erste Ultra-HD-Sendungen ausstrahlen. Und auch das ist wohl eher optimistisch geschätzt.

Blu-ray muss ersetzt werden

Zudem braucht es einen neuen DVD-Standard, denn Blu-ray ist ebenfalls nicht für ultrahochauflösende Inhalte geeignet. Zwar kann man herkömmliche Blu-rays auf den Ultra-HD-Bildschirmen abspielen, sie werden aber – wie heute auch die „normalen“ Inhalte – künstlich hochgerechnet.

Für Branchenkenner sind das allerdings nur Anlaufschwierigkeiten. Michael Schidlack, Konsumgüter-Experte des IT-Branchenverbandes, setzt auf die Gewohnheiten der Verbraucher. Diese schätzten von ihren Smartphones und Tablet-Computern eine hervorragende Auflösung – welche die Fernsehgeräte erst jetzt liefern würden. Hätten die ersten TV-Produzenten und Bezahlsender den Trend gesetzt, würden die anderen nachziehen und schließlich alle auf den neuen Standard umsteigen, betont Böhm: „Ultra-HD wird 2016 im Massenmarkt ankommen. Es wird viel zügiger gehen als bei anderen Innovationen wie etwa bei HD.“ Er schätzt, dass 2016 fünf Prozent der Geräte in Ultra- HD verkauft werden – das wären 13,7 Millionen Apparate weltweit.

Unter Experten heißt es, das superscharfe Fernsehen habe weitaus mehr Potenzial als das 3-D-TV. Dieses wurde vor einigen Jahren ebenfalls als Trend ausgerufen, doch noch immer gibt es kaum Filme oder Dokumentationen, die Käufer hatten das Nachsehen. Auch waren es viele Zuschauer leid, sich 3-D-Brillen aufzusetzen, um das Programm zu betrachten. Beim Ultra-HD-Fernsehen ist das bessere Bild dagegen mit bloßem Auge zu erkennen. Außerdem lassen sich mit ihm auch Programme schärfer darstellen, die nicht in Ultra-HD-Qualität liefen. Upscale-Fähigkeit wird das genannt – schlechtere Fernsehsignale können hochgerechnet und damit verbessert werden. Um weitere Zweifel auszuräumen, verweisen die Sprecher von Konzernen wie Toshiba und Samsung darauf, dass sich der Bildschirm auch ohne das passende Fernsehprogramm nutzen lasse – zum Beispiel, um Fotos in hervorragender Auflösung zu betrachten oder um bei Computerspielen noch stärker das Gefühl zu haben, man sei Teil der Handlung.

Ob das die Kunden überzeugt, wird sich erweisen. Eine Rolle könnte der Preis spielen. Obwohl bisher kaum Ultra-HD-Geräte auf dem Markt sind, fallen die Preise bereits rasant. Auf der Ifa werden Geräte mit einer Bildschirmdiagonalen von 55 Zoll (140 Zentimeter) für rund 5000 Euro präsentiert; der chinesische Hersteller Hisense, mit dem auch der von der Pleite bedrohte deutsche TV-Hersteller Loewe kooperiert, zeigt ein 50-Zoll-Gerät für 2000 Euro.

Klaus Böhm schwärmt derweil schon vom nächsten Schritt. In Japan, sagt er, werde bis 2020 bereits am nächsten Standard gearbeitet. Dann soll die Auflösung doppelt so hoch sein wie heute.