So stellen sich die Planer die Gestaltung des Uferbereichs der Murr vor. Foto: Teleinternetcafé/Treibhaus

In Backnang soll das größte Projekt der Internationalen Bauausstellung 2027 umgesetzt werden: Dort soll ein neuer Stadtteil für 1500 bis 2000 Menschen entstehen. Das wissen nicht viele. Ein Festival in der Stadt soll das ändern.

Vier Jahre vor dem Ausstellungsjahr der IBA’27 sollen die Menschen in der Stadtregion Stuttgart die Themen und Projekte der Bauausstellung besser kennenlernen und sich möglichst rege am Gestaltungsprozess beteiligen. Dazu wird es mehr als hundert Einzelveranstaltungen an ausgewählten Standorten geben. Zudem sind im Sommer vier mehrwöchige Festivals mit Projektbühnen in Stuttgart, Fellbach und in Backnang vorgesehen. Festival-Zentrale ist in Stuttgart-Mitte, aber auch in Backnang wird viel geboten: Geplant sind Workshops, Symposien, Ausstellungen, Mitmachaktionen, Vorträge, Quartierspaziergänge, Konzerte, Theateraufführungen und mehr.

 

Mit dem Dilemma umgehen

„Eine Bauausstellung ist ganz stark und überzeugend, wenn ich Häuser anschauen kann“, sagt IBA-Intendant Andreas Hofer. „Viele Menschen können die IBA noch nicht so richtig einordnen.“ Das sei ein Dilemma, mit dem es umzugehen gelte. Das Festival solle mit dazu beitragen, dieses zu ändern.

Backnangs Oberbürgermeister Maximilian Friedrich freut sich, dass auch seine Stadt als Standort für eines der IBA-Festivals ausgewählt wurde. „Das unterstreicht, welchen Anteil Backnang an der IBA hat“, sagt er. Die Stadt befinde sich seit Jahrzehnten im Wandel, die Industriegeschichte, allen voran die Leder- und Gerberindustrie, mache die „DNA Backnangs“ aus. Seit 2019 habe sich Backnang auf die Reise zur IBA gemacht, was damit an Vorhaben einhergehe, sei im städtischen Bewusstsein, in der Bevölkerung „unterdurchschnittlich ausgeprägt“, findet auch der OB.

Mehr als hundert Planungs- und Architekturbüros hatten sich vor zwei Jahren an einem städtebaulichen Wettbewerb zum Areal Backnang-West beteiligt. Das knapp 17 Hektar große, ehemals industriell genutzte Areal erstreckt sich vom Murrtal-Viadukt bis zur Friedrichstraße. Auf dem ersten Platz landete ein Entwurf des Büros Teleinternetcafé Architektur und Urbanismus aus Berlin zusammen mit Treibhaus Landschaftsarchitektur aus Hamburg: Deren Konzept sieht drei dicht bebaute Teilquartiere vor, mit Flächen für Gewerbe, Industrie und Handwerk, soziale und kulturelle Nutzungen, Einzelhandel sowie Wohnungen für alle Gesellschaftsschichten. Entlang der Murr soll als verbindendes Element ein Band großzügiger Freiräume entstehen, die das Wasser erlebbar machen. Dabei spielt auch ökologischer Hochwasserschutz eine große Rolle.

Flächen größtenteils in Privatbesitz

„Es soll in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ein neuer Stadtteil entstehen, in dem zwischen 1500 und 2000 Menschen leben“, sagt OB Friedrich. Der Anteil städtischer Flächen sei jedoch sehr begrenzt, da sich der Großteil der Grundstücke in Privatbesitz befände, erklärte der Backnanger OB. „Unser Ziel bei der Entwicklung des Gebietes ist es, die Eigentümer mitzunehmen sowie die Backnanger Bürgerschaft.“

Tobias Großmann, der Leiter des Stadtplanungsamtes, hofft, dass möglichst viele Menschen das Festival auch nutzen werden, um das Areal zu entdecken: „Ein wesentliches Merkmal des Festivals ist, dass es ganz stark dazu dienen wird, das Gelände zugängig zu machen – über die Kultur, über das Festival selbst und über Veranstaltungen, die wir dort machen.“ In Backnang werden als Veranstaltungsorte unter anderem das Technikforum Backnang sowie Flächen im Gebäude an der Wilhelmstraße 42, wo Ausstellungen und Workshops geplant sind. Die Galerie im Helferhaus wird ebenso genutzt wie Flächen an der Fabrikstraße 76.

Ein großer IBA-Tag ist für den 7. Juli geplant, mit Workshops zum Thema Material und Bauen. Am Abend zeigen Forscherinnen und Forscher bei der „Science Night“ woran sie arbeiten. Geführte Touren durchs Areal mit Stadtplanern und Planern der Büros Teleinternetcafé und Treibhaus sollen am 14. und 15. Juli der Stadtgesellschaft und Fachwelt die Visionen für das Quartier West näherbringen. Schülerinnen und Schüler stellen Entwürfe aus, zudem gibt es für sie einen Beteiligungsworkshop am 15. Juli im Technikforum, wie Großmann erklärt. Auch eine Ausstellung mit Informationen zur Rahmenplanung des Quartiers Backnang West gehört zum Festival-Programm.

Kultur darf nicht fehlen

„Wenn ein neues Stadtquartier entsteht, darf Kultur auf keinen Fall fehlen“, erklärt Johannes Ellrott, der Leiter des Kultur- und Sportamtes in Backnang. „Kultur ist der Kitt der Gesellschaft, sie schafft Gemeinschaft, und das Areal soll ein Ort werden, an dem Gemeinschaft gelebt wird.“ So nutzt beispielsweise seit Anfang des Jahres die Backnanger Künstlerin Barbara Kastin auf Initiative des Heimat- und Kunstvereins ein Interimsatelier auf dem Gelände, wo sie sich auf verschiedene künstlerische Arten mit dem Areal auseinandersetzt. Das Bandhaus-Theater plant in seiner neuen Probebühne in einer alten Fabrikhalle auf dem Kaess-Areal Konzerte und Theateraufführungen. Am 8. Juli führt Koch und Gärtner Maurice Maggi durchs Areal und an die Kochtöpfe unter dem Motto „Stadtpflanzen und essbares Unkraut“. Wer dabei sein möchte, muss sich zum Rundgang mit kulinarischem Abschluss bei der Volkshochschule anmelden.

Skulpturen aus Muschelkalk

Der Backnanger Bildhauer Norbert Kempf wird mit einigen Kollegen auf dem Hof neben dem Technikforum ein mehrwöchiges Symposium mit offener Werkstatt veranstalten. Entstehen sollen Skulpturen aus Muschelkalk. Auftakt ist am 16. Juli. Besucher sind bis 28. Juli eingeladen, den Künstlern bei der Arbeit zuzuschauen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Zwar seien beim ersten Festival noch keine neuen Gebäude zu sehen, erklärte IBA-Intendant Andreas Hofer. Er äußerte sich aber zuversichtlich, dass man beim nächsten Festival, das im Jahr 2025 stattfinden soll, und dann zum Ausstellungsjahr 2027 auch in Backnang einiges zu sehen bekommen werde. „2027 ist dann die Schlusspräsentation. Danach kommt die Welt nicht zum Stillstand, denn viele Projekte sind Generationenprojekte über viele Jahre“, so der Architekt: „Wir hoffen aber, dass bereits im Jahr 2027 vieles in Gebäuden erlebbar und zeigbar ist – wir machen eine Bauausstellung, keine Planausstellung.“

IBA-Festival Backnang

Ausstellungen
 Die Ausstellung zur Rahmenplanung des Quartiers Backnang West im Technikforum läuft von 5. bis 22. Juli, Mittwoch bis Samstag von 14 bis 19 Uhr. Die Ausstellung MUTopia mit Visionen fürs Quartier zeigt Schülerarbeiten in der Wilhelmstraße 42. Vernissage ist am 5. Juli um 19 Uhr. Öffnungszeiten sind 7. bis 22. Juli, Mittwoch bis Samstag von 14 bis 19 Uhr. Vernissage „Jemandsland“ mit Werken von Barbara Kastin am 2. Juli, 11.30 Uhr, in der Galerie im Helferhaus, Petrus-Jacobi-Weg 5.

Stadtspaziergänge
 Auf Exkursion durchs Quartier mit den Planern und Architekten geht es am Freitag, 14. Juli, ab 16.30 Uhr, und am Samstag, 15. Juli, ab 11, Uhr. Treffpunkt ist das Technikforum Backnang an der Wilhelmstraße 32.

Infos zum Programm unter: https://festival.iba27.de/programm