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Pkw sind größer und schwerer geworden - für strombetriebene Flitzer gilt das Gegenteil.

Frankfurt - Vor nicht allzu langer Zeit zählten sie noch zu den Messe-Exoten. Inzwischen gehören Elektromobile ganz selbstverständlich zum Angebot fast jedes Autobauers auf der IAA. Wir haben einen Experten für Automobildesign gefragt, wie zukunftstauglich die Stromer tatsächlich sind - und wie E-Mobile das Fahrzeugdesign verändern werden.

Wenn Lutz Fügener über die IAA in Frankfurt läuft, wirkt es ein wenig, als besuche er ein Klassentreffen. Gerade hat der Professor für Transportation Design an der Hochschule Pforzheim ein bekanntes Gesicht im Audi-Pavillon erspäht, Minuten zuvor hat er bei VW Hände geschüttelt. In den Entwicklungslaboren der Wolfsburger trage beinahe jede zweite Innovation die Handschrift seiner früheren Studenten, sagt der 45-Jährige. Auch bei anderen renommierten Autoherstellern finden Fügeners Schützlinge als Designer Arbeit.

Futuristische Audi-Studie Urban Concept

Ihre Visionen werden auf Messen wie der IAA ausgestellt - je extravaganter, umso mehr Spaß hat Fügener daran. Beispiel die futuristische zweisitzige Audi-Studie Urban Concept: Die frei stehenden Räder würden auf der Straße vermutlich an jedem Bordstein hängen bleiben, die Flügeltüren das Einsteigen erschweren - doch das spielt für den Professor erstmal keine Rolle: "Die Studie soll die Wahrnehmung der Marke beeinflussen." Audi wolle seinen Kunden zeigen, schaut her, wir können auch andere Autos bauen! Ähnlich mutig wie die VW-Premiumtochter zeigt sich der Münchener Konkurrent BMW. Sein elektrisch betriebener BMW i3 löse "viele der Paradigmen auf, mit denen die Marke bislang ihre Modelle beworben hat: flach, breit, sportlich". Fügener wünscht sich, dass noch viel mehr Hersteller "radikalere Formen zeigen". Aus den Reaktionen des Publikums ließen sich wiederum neue Fahrzeugideen entwickeln.

Dass neben Audi auch Opel (RAK e) und VW (Nils) nur wenige hundert Kilo schwere Mini-Elektro-Studien präsentieren, die an Messerschmitts Kabinenroller erinnern, ist laut Fügener kein Zufall, sondern "das Ergebnis eines geradlinigen Denkmodells". Nachdem Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren in den vergangenen Jahrzehnten immer kompakter und schwerer geworden sind, ein VW Polo irgendwann so groß war wie ursprünglich ein Golf, machten Elektromobile die gegenteilige Entwicklung durch. Herausgekommen sind "kleine, wirklich ehrliche" Formen und Funktionen - im Unterschied zu den zahlreichen Geländewagen (SUV) auf deutschen Straßen, bei denen aus Sicht Fügeners Technik und Proportion längst nicht mehr optimal zusammenpasst. "Das Pendel der SUVs schlägt nun zurück."

Die Mia müsse sich "über Funktionalität und Preis verkaufen"

Ein paar der ehrlichen Stromer gibt es schon bald zu kaufen, zum Beispiel den Ampera von Opel und die Mia des ehemaligen VW-Chefdesigners Murat Günak. Letztere ist, darauf legt Günak Wert, weiblich. Die Fahrzeuge könnten unterschiedlicher nicht sein: Während dem Ampera der Elektromotor nicht anzusehen ist, bricht die Mia mit sämtlichen Konventionen und kommt als Minibus ohne jeglichen Schnickschnack daher. Das reine E-Mobil fährt mit einer Akkuladung zwischen 90 und 130 Kilometer weit, der im Ampera verbaute Range Extender beschert rund 500 Kilometer Reichweite. "Damit setzt Opel einen Standard bei Elektromobilen", sagt Fügener. Die Mia hingegen müsse sich "über Funktionalität und Preis verkaufen" - die Einstiegsvariante kostet mit etwas über 20.000 Euro allerdings auch nur halb so viel wie der Opel Ampera.

Der Pforzheimer Autoprofessor freut sich über die zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten, die neue Antriebe den Designern bescheren. Über das Zusammenspiel von Form und Technik müsse nun wieder mehr nachgedacht werden. Fügener: "Ein solcher Zwang täte jedem Auto gut." Was die Mimik der Stromer betrifft, könnten diese zwar durchaus entschlossen, aber keineswegs so kampflustig gucken wie mancher SUV oder Sportwagen heutzutage. Allein schon, weil E-Mobile keinen imposanten Kühlergrill brauchen. Zudem öffnet der Technikwandel Nischen für kleine, neue Mitbewerber - siehe Mia oder die Firma German E-Cars, die bis heute über 200 Kleinwagen von Suzuki und Opel zu E-Mobilen umgerüstet und verkauft hat. Im Viersitzer namens Stromos könnten Führerscheinneulinge sogar bald das Fahren lernen, die entsprechende Zulassung besitzt das Fahrzeug nach Firmenangaben schon.

Und wann werden E-Mobile in erklecklicher Zahl über deutsche Straßen rollen? "Keine Ahnung", sagt Fügener und bleibt neben dem serienreifen Elektro-Zweisitzer Twizy von Renault stehen. Der hat nicht mal Türen, sei damit aber vielleicht gerade für junge Leute interessant, die sich alternativ ein cooles Fahrrad oder ein Motorrad kaufen würden. "Entscheidend wird sein, ob man damit am Stau vorbeifahren und quer zur Fahrtrichtung parken darf", meint der 45-Jährige. Die verhältnismäßig geringe Reichweite der Stadtmobile - die Audi-Studie kommt circa 70 Kilometer weit - sieht Fügener nicht als Makel an. Sonst müsste man auch über die Untauglichkeit jetziger Fahrzeuge für den Stadtverkehr schimpfen: "Mit manchem kommt man im Parkhaus kaum um die Ecke." Sagt der Professor, lacht und ist wieder weg, um den nächsten ehemaligen Studenten zu begrüßen.