Çiğköftem ist der Pionier: Vor zehn Jahren eröffnete Ishak Yilmaz die erste Filiale der türkischen Kette in Stuttgart. Große Systemgastronomen wie Bona’me und Big Chefs folgten mittlerweile. Und jetzt sind die Teigtaschen von Kiyam Manti in aller Munde.
Ohne seine Tante wäre Mehmet Sahin sicherlich nicht im Teigtaschen-Geschäft gelandet. Aber Sadiye Cengiz stellt offenbar weit und breit die besten Manti her. Weil die Nudeln so gefragt sind, gründete sie erst ein Minigewerbe, dann stieg ihr Neffe in das Unternehmen ein. Dieses Jahr will der Wirtschaftsinformatiker die dritte Filiale von Kiyam Manti eröffnen, im Stuttgarter Milaneo ist er im Dezember gestartet. „Wir sehen große Chancen auf dem Markt, weil unser Produkt neu ist“, sagt der 33-Jährige. Systemgastronomie mit türkischer Küche ist sehr im Kommen: In Stuttgart folgte auf das 2021 eröffnete Restaurant Bona’me im vergangenen September der Konkurrent Big Chefs, in Ludwigsburg gibt es nun Döner von der Kette Maydonoz. Ishak Yilmaz darf sich deshalb als Trendsetter bezeichnen, denn er eröffnete schon vor zehn Jahren den ersten Çiğköftem-Imbiss in Stuttgart.
Manti sind im Prinzip türkische Maultaschen
Mehmet Sahin beschreibt seine Spezialität gerne als „türkische Maultaschen“. Überhaupt seien gefüllte Nudeln in fast jeder Küche beliebt: Ravioli heißen sie in Italien, Pelmeni in Russland, Mandu in Korea und Gyoza in Japan. Mit Hackfleisch werden sie in der Türkei gefüllt, in Butter und Tomatenmark geschwenkt und mit Knoblauchjoghurt serviert. Auch mit Käse und seit kurzem mit Kartoffeln für die Veganer gibt es die Teigtaschen bei Kiyam Manti. Das Erfolgsrezept des Betriebs sei die Qualität, ist sich Mehmet Sahin sicher. Hergestellt werden sie mit Mehl von einer Mühle und Fleisch aus dem Schwarzwald nach dem Rezept der Tante aus Oberndorf am Neckar, wo die Familie wohnt. Auch im Onlineshop und bei Supermärkten sind die Nudeln erhältlich. Mit der Gastronomie wollte sich der Wirtschaftsinformatiker einen weiteren Absatzkanal eröffnen. „Die Filiale im Milaneo war nach einem Monat profitabel“, berichtet er. Neben Ludwigsburg soll es ein Kiyam Manti auch bald in Böblingen geben.
Neue Player aus Südosteuropa
„Neue Player und Innovationen in der Systemgastronomie kommen längst nicht mehr nur aus den USA“, sagt Sandra Warden. McDonalds gilt zwar als Erfinder des unkomplizierten Fast Foods. Aber die Geschäftsführerin vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) führt Beispiele von bekannten Marken aus allen möglichen Ländern an, etwa Marché von Mövenpick aus der Schweiz oder Autogrill aus Italien. Çiğköftem zählt zu den ersten Unternehmen, die aus der Türkei nach Deutschland gekommen sind. Auch Big Chefs hat dort seinen Ursprung sowie die Döner-Kette Maydonoz. „Mit wachsendem Wohlstand und Unternehmerkraft entwickeln sich zunehmend auch in Südosteuropa starke Marken, die international wachsen wollen und können“, fährt Sandra Warden fort. Hinzu komme, dass die Mittelmeer- und Levante-Küche in Europa im Trend liege und das Lebensgefühl und die kulinarischen Vorlieben der Gäste treffe. Bona’me ist ein Kölner Gastronomiebetrieb, gegründet von Einwandererkindern, der diese Vorlieben erfolgreich aufgegriffen hat. Vom Rhein aus soll außerdem die neue Marke Tastyy den Döner deutschlandweit systemfähig machen: Die Firma will 50 Läden im Land eröffnen.
Für Ishak Yilmaz von Çiğköftem ist es eine einfache Rechnung: „Man verdient in Westeuropa das bessere Geld“, sagt der Stuttgarter Franchisenehmer. Die Wraps könnten in Deutschland für den fünffachen Preis im Vergleich zur Türkei verkauft werden. Bei einer Städtetour nach Mannheim stieß er erstmals auf die Marke. Die traditionelle Zutat rohes Hackfleisch wurde vor langer Zeit bereits durch eine vegane Bulgurmischung ersetzt, dazu kommt Gemüse wie Gurken, Tomaten und Salat sowie Soßen und Zitronensaft. „Wir haben es gefeiert“, sagt er über seinen ersten Eindruck. Sein Studium der Medieninformatik hatte er gerade abgeschlossen, den Schritt in die Selbstständigkeit wollte er machen – und entschied sich dann für die Weizenfrikadellen. „Es ist verlockend“, sagt er über das Franchisesystem, aus Istanbul bekam er viel Unterstützung.
Kichererbse lief nicht – wegen des deutschen Namens?
Nach dem Start im Milaneo eröffnete Ishak Yilmaz noch im gleichen Jahr die zweite Filiale im Böblinger Mercaden. Seit dem Jahr 2017 ist er außerdem mit einem Imbiss im Königsbau in Stuttgart vertreten. Während in der Innenstadt auch viel deutsche Kundschaft den Wrap kauft, hat der 37-Jährige in den anderen Einkaufszentren hauptsächlich Gäste mit südosteuropäischem Hintergrund. Mit einem zweiten Imbiss namens Kichererbse wollte er im Milaneo neue Kreise erschließen, doch die Falafel und Bowls wird es nicht mehr lange geben. Er vermutet, dass es am zu deutsch klingenden Namen liegt, dass das Geschäft nicht fruchtete. „Kumpir und Fisch“ heißt seine neue Idee nach der türkischen Backkartoffel. Dass sich Ketten wie Boname und Big Chefs derzeit ausbreiten, erklärt er mit der türkischen Küche: „Sie ist mega“, findet Ishak Yilmaz, „wir haben eine riesige Palette.“ Und wenn ein Gastronom ein schönes Produkt habe, könne er eigentlich nichts falsch machen.
Kiyam Manti ist als Franchise geplant für die Zukunft
Auch Mehmet Sahin will, dass sein Konzept Kiyam Manti wächst. Die Marke als Franchise auszubauen hat er natürlich „im Hinterkopf“. Aber er will sich vorerst auf die Region Stuttgart beschränken. In Einkaufszentren sieht er seine Teigtaschen gut platziert aufgrund ihrer hohen und multi-kulturellen Kundenfrequenz. Weintraubenblätter, Bulgurklöße mit Hackfleischfüllung und Pommes frites stehen neben den Manti noch auf seiner Speisekarte. Die Produktion in Oberndorf hat die Familie längst von Hand auf eine Maschine umgestellt, ein paar Tonnen kommen schließlich pro Monat zusammen. Bei der Entwicklung der Fertigung half ihm ein Freund, der Maschinenbau studiert. „Mein Ziel war es eigentlich, mich im Bereich Informatik selbstständig zu machen“, sagt der 33-Jährige, „dass ich bei Teigtaschen lande, hätte ich niemals gedacht.“