Einer der größten Rugby-Stars Australiens, Israel Folau, wünscht Homosexuelle in die Hölle und bringt damit nicht nur sich, sondern auch seinen Verband, Mitspieler und Gegner in die Bredouille.
Sydney - Seit mehr als zwei Wochen tobt der Krieg. Krisensitzungen, Drohungen, Wortgefechte. Die Rugby-Welt dies- und jenseits der Tasmansee ist in Aufruhr. Israel Folau, einer der Starspieler der Wallabies, Australiens Nationalmannschaft, hat Gott und die Welt gegen sich aufgebracht. So manch anderer Profi in der Superrugby-Liga der südlichen Hemisphäre will nicht mehr mit ihm oder gegen ihn spielen. Es wirkt wie ein glücklicher Zufall, dass der dynamische Fullback der in Sydney beheimateten Waratahs gerade verletzt ist und nicht vom sportlichen Geschehen ablenkt.
Es hatte mit einem Online-Statement auf Instagram begonnen. Jemand fragte den als strengreligiösen Christen bekannten Folau, der mit der neuseeländischen Netball-Nationalspielerin Maria Tutaia verheiratet ist, was Gottes Plan mit Homosexuellen sei. Der 29-jährige Profi antwortete: „Hölle. Es sei denn, sie bereuen ihre Sünden und wenden sich Gott zu.“
Während sein Tweet ein halbes Jahr zuvor über seine Ablehnung der gleichgeschlechtlichen Ehe noch als Ausdruck seiner fundamentalistisch-religiösen Einstellung akzeptiert worden war, löste die aktuelle Äußerung einen Sturm der Verdammnis aus. Dabei machte der nationale Verband, Rugby Australia (RA), eine denkbar schlechte Figur – hin- und hergerissen zwischen der Angst, seinem Starspieler auf die Füße zu treten, und der Notwendigkeit, seine Sponsoren zu beruhigen. Dieser Eiertanz wiederum führte dazu, dass Folaus Mit- und Gegenspieler nicht so recht wussten, was sie sagen sollten oder konnten.
Selbstmordversuch aus Verzweiflung nach Outing
So blieb es anderen Organisationen und Individuen vorbehalten, die Aussage als inakzeptabel und vor allem verantwortungslos zu geißeln. Nigel Owens, der populärste Rugby-Schiedsrichter der Welt, der sich 2007 als homosexuell outete, erinnerte an die qualvollen Jahre vor seinem öffentlichen Geständnis, in denen er mit seiner sexuellen Orientierung kämpfte und in seiner Verzweiflung einen Selbstmordversuch unternahm. „Israel Folau hat ein Recht auf seine Weltanschauung und freie Meinungsäußerung“, sagte der 46-jährige Waliser, „aber mit seiner Position im Sport kommt auch eine Verantwortung, in welcher Weise er seine Überzeugungen vermittelt. Da draußen sind junge Leute, die sich, wie ich einst, das Leben nehmen möchten. Schwul zu sein ist keine freie Entscheidung. Ich wünschte mir, dass ich und andere schwule Leute nach unserem Charakter beurteilt werden und nicht nach unserer Sexualität.“ Der walisische Ex-Internationale Gareth Thomas, der sich als erster Rugbyspieler geoutet hatte, stichelte in Richtung Folau: „Und was hat Gott mit dir vor?“
Es dauerte mehr als zwei Wochen, ehe sich prominente Spieler dezidiert zu Wort meldeten – sinnigerweise in einiger Entfernung in Neuseeland. Der Erste war Brad Weber. Er schrieb auf Twitter, er sei angewidert von Folaus Aussage und genervt vom Schweigen der Spieler. „Ich kann es nicht ausstehen, dass ich dieses Spiel, das ich liebe, mit Leuten wie Folau spielen muss, die sagen, was er sagt“, schrieb das Mitglied der All Blacks, „meine Cousine und ihre Partnerin und meine Tante und ihre Partnerin gehören zu den liebenswertesten, warmherzigsten und liebevollsten Menschen, die ich kenne.“ All-Blacks-Halfback T. J. Perenara schloss sich diesen Worten an und ging noch weiter: „Als Rugby-Profis sind wir, ob uns das gefällt oder nicht, Vorbilder für viele junge Leute, ganz besonders junge Maori und Polynesier. Sie führen die Selbstmordstatistiken an und besonders jene aus der Lesben- und Schwulenszene. Kommentare, die noch größeren Schaden anrichten, können nicht toleriert werden.“
Der zum Ritter geadelte ehemalige All Black Michael Jones (53), wie Folau ein strenggläubiger Christ, meinte, Folau sei ein gutherziger Mensch, und es sei wichtig, sich zu äußern, „aber man muss es auf respektvolle Weise tun und mit Weisheit, und es muss mit viel Liebe und Würde geschehen, ganz besonders als Christ“.
Folau könnte Rugby den Rücken kehren
Australiens Verband RA bat Folau zwar zu einem Gespräch, akzeptierte aber seine Ansichten. „Israel hat klargestellt, warum sein Glaube wichtig für ihn ist“, sagte Geschäftsführerin Raelene Castle, „und er sagte, er hatte nicht vor, die Leute absichtlich zu verärgern oder dem Spiel Schaden zuzufügen.“ Es dauerte zwei Wochen, ehe die Frau an der Verbandsspitze ein Rundschreiben an die Spieler versandte, in dem sie die Profis an ihre im Verhaltenskodex verankerten Pflichten erinnerte und um verantwortungsvollen Umgang mit sozialen Medien bat. All dies, um das Feuer zu löschen, das die Sponsoren entfachen könnten, allen voran Qantas, das sich im vergangenen Jahr offen für die Ehe für alle starkgemacht hat.
Das könnte sich als rechtliches Minenfeld erweisen, denn die Fluggesellschaft hat ja einen Vertrag mit dem Verband und nicht mit Folau. Der Verband wiederum hat die Profis unter Vertrag, nicht die jeweiligen Franchisen und Clubs, für die sie spielen. Und dann ist da die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr in Japan, bei der Nationaltrainer Michael Cheika mit seinem Starspieler rechnet. Da der Vertrag des 62-fachen Internationalen Ende dieses Jahres ausläuft, könnte der vielseitige Folau, der auch schon im Dreizehner-Rugby und Australian Rules Football erfolgreich war, seine Drohung wahr machen und dem Sport und/oder Australien einfach den Rücken kehren. Eine kleine Maßregelung, und der reulose Sünder ist weg.