Forschungsprojekt Windy Citys: Simulierte Windströmungen über den Dächern von Stuttgart (Stöckach) sollen helfen, Standorte für Kleinwindkraftanlagen zu finden. Foto: /Hochschule für Technik

Die Hochschule für Technik in Stuttgart erhofft sich von der akademischen Ausweitung neben guten Köpfen für ihre Forschung auch steigende Studierendenzahlen im Mint-Bereich.

Künftig können auch Studierende an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW, früher: Fachhochschulen) ihren Doktortitel erwerben. An der Hochschule für Technik (HFT) in Stuttgart sieht man darin eine große Chance: „Für die Attraktivität unserer Hochschule ist das ein großer Fortschritt“, sagt HFT-Rektorin Katja Rade. Sie sagt das auch im Blick auf den Wettbewerb mit Universitäten um die besten Köpfe. Denn künftig könne man damit perspektivisch nicht nur den Studierenden mehr bieten, sei nicht mehr Bittsteller bei Promotionskollegs mit Unis, sondern könne auch das eigene Forschungsprofil stärker nach außen sichtbar machen.

„Dass wir jetzt zum Promotionsrecht kommen, ist nicht vom Himmel gefallen“, sagt Rade. Die promovierte Betriebswirtin hat diese Entwicklung als Vorstandsmitglied im Promotionsverband der 24 baden-württembergischen HAW vorangetrieben und verweist nicht ohne Stolz darauf, dass acht ihrer 126 HFT-Professorinnen und -Professoren Gründungsmitglieder im Promotionszentrum seien und inzwischen noch drei weitere dazugestoßen seien. Denn im Unterschied zu den Uni-Professoren müssen Professoren an HAW erst mal in den Promotionsverband aufgenommen werden und dafür alle drei Jahre ihre Forschungsstärke in Form von Drittmitteln und wissenschaftlichen Publikationen nachweisen.

HFT kann künftig mit eigenen Forschungsthemen stärker punkten

„Aktuell haben wir 30 laufende Promotionsverfahren“, berichtet Rade. Allerdings noch nach dem alten System. „Bisher brauchten wir einen Kooperationspartner und standen, wenn wir Glück hatten, als Zweitgutachter drauf“, so die Rektorin. Jan Cremers, Dekan der Fakultät Architektur und Gestaltung, ergänzt: „Bisher hatten wir immer ein Problem, gute Leute zu finden.“ Auch weil die Perspektive unklar gewesen sei. Und weil die unterschiedlichen Anforderungen der Kooperationspartner für die Promovierenden zuweilen einen Spagat bedeutet hätten. Zwar seien die Kollegs auch weiterhin sinnvoll. Künftig werde man die Promotionen aber besser aufs Thema zuschneiden können, erklärt Berndt Zeitler, der Leiter des Zentrums für akustische und thermische Bauphysik und Vizechef des Instituts für Angewandte Forschung an der HFT. Dabei könne diese schon jetzt mit starken Forschungsthemen punkten. Unter dem Oberbegriff „Resiliente Lebensräume“ erforsche man drei Schwerpunktthemen: Energie, Mobilität, nachhaltiges Bauen. „Wir können sichtbar machen, dass man nicht nur zu Grundlagenforschung promovieren kann“, sagt Katja Rade.

Promotion mit Anwendungsbezug: Stromerzeugung am Stöckach

Bestes Beispiel sei das Projekt „Windy Citys“, das man als interdisziplinär angelegtes Promotionskolleg gemeinsam mit der Hochschule Esslingen und der Uni Stuttgart betrieben habe. Darin habe man den wirtschaftlichen Einsatz von Kleinwindanlagen zur lokalen, dezentralen Stromerzeugung in urbanen Räumen erforscht, beispielsweise am Stöckach in Stuttgart. Dabei sei es auch um Simulation und Visualisierung von Windströmen gegangen, die Entwicklung neuer Energiespeichertechnologien, den Test von Prototypen in städtischen Kleinwindanlagen sowie ein intelligentes Lastmanagement. Ziel sei, Energie dort zu erzeugen, wo man sie brauche, herauszufinden, wo man kleine Windmaschinen hinstellen und wie man die Energie speichern könne, etwa über Wasserstoff, erklärt Cremers. Vier Teilnehmer der HFT seien bereits erfolgreich promoviert worden.

„Von der Grundstruktur her tun wir uns leichter als die Unis – ohne große Institute“, meint Cremers im Blick auf die Forschungsprojekte, etwa auch wettbewerbstaugliche wie dem Solar Decathlon, bei dem das deutsche Team von der HFT im Mai dieses Jahres mit seinem Beitrag zur urbanen, ökologischen Nachverdichtung den ersten Preis für Gebäudetechnik und Bauphysik eingesammelt hat. Im Blick auf die Drittmittel zeigt sich allerdings der Unterschied: Knapp fünf Millionen Euro habe die HFT im vergangenen Jahr einwerben können – bei der Uni Stuttgart waren es 260 Millionen Euro.

Rektorin hofft auf steigende Studierendenzahlen

Gleichwohl setzt man in der HFT durch das Promotionsrecht auf eine stärkere Strahlkraft, auch im Blick auf die rückläufigen Studierendenzahlen im Mint-Bereich. „Wir hoffen, dass sich dadurch die Zahlen wieder steigern“, sagt Rade. Und sie betont: „Wir werden alles tun, um die Qualitätsstandards hoch zu halten. Wir werden keine Angriffsfläche bieten.“ Dafür sollen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen sorgen. Aber erst mal muss die Verordnung beschlossen und das Promotionsrecht an den Promotionsverband verliehen werden. Das soll im September geschehen.