Lässt sich Thomas Hitzlspergers Ansinnen, neben dem Vorstandsposten der VfB-AG auch das Präsidentenamt des Hauptvereins anzustreben, vereinbaren? Zwei Experten beziehen Stellung.
Stuttgart - Das Streben von Thomas Hitzlsperger nach der vollen Macht beim VfB Stuttgart ist Gegenstand hitziger Debatten unter Fans. Genauso beschäftigt die Frage, ob sich das Amt des Vorstandsvorsitzenden der ausgegliederten Fußballsparte mit dem des Präsidenten des Hauptvereins überhaupt vereinbaren lässt, Juristen. Der Vereinsbeirat hat eine Sportrechtskanzlei beauftragt, mögliche Konflikte zu prüfen.
Das Ergebnis steht noch aus, dürfte sich aber nicht grundsätzlich von den Einschätzungen anderer Experten unterscheiden. Zum Beispiel von Lennart Laude. Der 28-Jährige arbeitet als Jurist an der Uni Kiel (Spezialgebiet öffentliches Recht) und besitzt gleichzeitig einen VfB-Mitgliedsausweis. Laude ist Fan und Rechtsexperte – als solcher hat er sich ein paar Gedanken zum Führungsstreit gemacht. Laude kommt zum Ergebnis: „Eine Kandidatur von Thomas Hitzlsperger wäre zwar rechtlich vertretbar. Sie würde jedoch zu einem Legitimationsdefizit von Entscheidungen im Verein führen.“
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Grundsätzlich macht die Satzung des e. V. den Weg für Hitzlsperger frei. Seine Eignung speist sich formal aus seiner langen Erfahrung im Leistungssport. Zudem ist nirgendwo verankert, dass beide Ämter nicht von ein und derselben Person ausgeübt werden dürfen. Die Frage, wie sich beide Tätigkeiten zeitlich vereinbaren lassen, einmal ausgeklammert. Zu diesem Schluss kommt auch der Stuttgarter Sportrechtsexperte Marius Breucker. Er bestätigt: „Die Satzung schließt eine Doppelfunktion nicht aus.“
Diffiziler wird die Sache mit Blick auf das Gesellschaftsrecht. Es bestimmt, dass ein Aufsichtsratsmitglied nicht zugleich Vorstandsmitglied der Gesellschaft sein kann. Beim VfB mit seiner 2017 vorgenommenen Trennung in AG und Verein war es bisher ungeschriebenes Gesetz, dass der Präsident zugleich den Aufsichtsrat der AG anführt, aktuell Claus Vogt.
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Hitzlspergers Bekenntnis, nur das Präsidentenamt, nicht jedoch auch einen Aufsichtsratsposten anzustreben, überzeugt den Juristen Laude nicht. „Sein Versprechen spiegelt schlicht die rechtlichen Notwendigkeiten wider“, sagt der VfB-Fan. Indes sähen sich viele Mitglieder an dieser Stelle von der Vereinsführung getäuscht. Bei der Ausgliederung wurde gerade durch die bewusst angelegte Doppelrolle von Präsident und Kontrolleur der AG Befürchtungen der Fans entgegengetreten, diese würden künftig keinen Einfluss mehr nehmen können.
Mit anderen Worten: Was passiert, wenn nicht mehr ein direkt von den Fans gewählter Präsident der AG auf die Finger schaut, sondern ein anderer Aufsichtsrat, einer von Gnaden des Vereins? Vor diesem Hintergrund, schlussfolgert Laude, „erzeugt die von Hitzlsperger angestrebte Doppelfunktion einen moralisch unschönen Eindruck“.
Jurist plädiert für Gewaltenteilung
Sportrechtsexperte Breucker entgegnet mit dem formaljuristischen Blick: „Aus Sicht der 50+1-Regelung wäre es tendenziell sogar eine Stärkung des Vereins“, wäre eine Person AG-Chef und Präsident zugleich. Vorausgesetzt, die Profifußballsparte und der Gesamtverein verfolgten dieselben Interessen. Was sie theoretisch auch tun – praktisch offenbaren sich beim VfB aktuell durch die Datenaffäre jedoch unterschiedliche Interessenlagen.
Vieles ist also eine Frage der Praxis. Hier offenbart sich bei dem noch relativ neuen Stuttgarter Konstrukt so manche Startschwierigkeit. Ein Antrag auf Satzungsänderung zur Vermeidung von Ämterhäufung wurde bereits eingereicht.
Für Lennart Laude stellt sich unterm Strich folgendes Problem: Mag eine Doppelfunktion von Präsident und Vorstandschef anfänglich sogar funktionieren, so würde sie dem Club auf lange Sicht schaden. Ohne Gewaltenteilung, so schließt der Fan mit einer Warnung an seinen Herzensclub, würden vereinsinterne Entscheidungen auf Dauer die Akzeptanz beim Fan-Volk verlieren.