Werbung für die Stuttgarter Nachrichten in den 1960ern über dem Kaufhaus Defaka Foto: Udo Becker

Alte Werbeschilder sind wie alte Hits: Sie können kindheitsprägend sein, und fast meint man, sie stammten aus einer Zeit, als die Welt noch in Ordnung war. Das Stuttgart-Album zeigt Reklameschriften von Marken, die es nicht mehr gibt oder die allen Widrigkeiten trotzen konnten.

Stuttgart - Die Marke Defaka ist in den 1970er Jahren verschwunden – die Marke Stuttgarter Nachrichten verschwindet hoffentlich noch lange nicht. Auf der etwa 50 Jahre alten Postkarte, die das Stuttgart-Album von Udo Becker bekommen hat, leuchten beide Marken in die Nacht hinein.

„Partie in der oberen Königstraße im Licht“, steht auf dem unteren Kartenrand. Es war die Zeit, als das 1925 gegründete Deutsche Familienkaufhaus (kurz Defaka) noch eine gute Partie für Besitzer Helmut Horten war. Ein Viertel des Gesamtumsatzes aller Horten-Betriebe erzielte er damals mit Defaka-Filialen (es gab 14 in Deutschland).

„Im Defaka war ich immer mit meiner Mutter oder Oma einkaufen“, erinnert sich Christiane Rowald auf der Facebook-Seite des Stuttgart-Albums. „Es war das erste Geschäftshaus Deutschlands, das in Stahlbau-Technik nach den Plänen von Professor Rolf Gutbier errichtet wurde“, schreibt Andreas Erdle. Nach und nach wurden die Defaka-Häuser in Horten umbenannt. Von außen waren die Kaufhäuser an den sogenannten Hortenkacheln zu erkennen. In den 1990ern verschwand – wie zuvor schon die Marke Defaka – der Namen Horten endgültig aus der deutschen Kauflandschaft.

Wäre die Stadt ohne Werbung schöner?

Wer die alten Fotos mit der Leuchtreklame betrachtet, stößt auf viele Markennamen, die nicht überlebt haben. „Radio Barth“ und „Farbfernsehen Grundig“ ist auf dem legendären Gebäude zu lesen, das nicht zu den architektonischen Glanzpunkten der Stadt gehörte, aber trotzdem von vielen noch heute vermisst wird. Wolfgang Schönig hat das Foto vom seltsam schräg am Rotebühlplatz erbauten Domizil von Radio Barth in den 1980ern gemacht – heute befindet sich dort der Neubau City-Plaza.

Braucht die Stadt Werbung? Wäre sie ohne Werbung gar schöner? Seit vielen Jahrzehnten wird darüber diskutiert. Würde man nachts in New York den Stecker ziehen, wäre der Times Square ein Häufchen Elend. Stuttgart ist nicht New York. Als man Geld für den im Krieg zerstörten Bahnhofsturm brauchte, ist die erste Idee, Reklame auf dem Turm anzubringen, zum Glück verworfen worden. Schließlich einigten sich die Verantwortlichen auf einen Kompromiss: auf einen fünf Meter hohen Mercedes-Stern, der „schwebend“ über dem Bahnhofsturm 1952 montiert worden ist. „Für Postkarten wird gern ohne Werbung fotografiert“, weiß Wibke Wieczorek, die seit Kindheitstagen Karten sammelt. „Schlösser, Theater und Kirchen sind absolut werbefrei“, sagt sie. Werbung fand sie vor allem am Marktplatz, Wilhelmsbau, Hindenburgbau, Schulstraße und beim Buchhaus Wittwer.

Teile der alten Reklameschrift von Barth befinden sich heute übrigens bei dem Grafikdesigner Ufuk Akci, einem Fan des Stuttgart-Albums. Als das Barth-Haus im Jahr 2000 abgerissen wurde, war er mit einer Kiste Bier zu den Bauarbeitern gefahren, die ihm die Buchstaben aushändigten, die Akci dann in seinem Fiat Uno nach Hause fuhr. Heute hängen die Originalbuchstaben von Barth in seinem Wohnzimmer.

Das Stuttgart-Album erfreut sich im dritten Jahr seines Bestehens wachsender Beliebtheit und hat bei www.facebook.com/Album.Stuttgart fast 10 000 Fans. Im Silberburg-Verlag sind zwei Bücher zu unserer Serie erschienen.