Eine Illustration aus dem Fundus des Heimatmuseums zeigt das ehemalige Schulgebäude.Foto: Heimatmuseum Althütte Foto:  

Altes Schulhaus, Heimatmuseum, Atelier: Eine neue Dokumentation lässt die wechselvolle Historie des ortsprägenden Gebäudes in Althütte, in dem auch die Schriftstellerin Anna Haag geboren wurde, aufleben.

Kinder verschiedener Klassenstufen lernen gemeinsam in einem Schulraum, das war früher Alltag in kleinen Dorfschulen. Die ehemalige Dorfschule in Althütte hatte dabei einst eine besondere Schülerin. Die Schriftstellerin Anna Haag wurde dort unterrichtet – von ihrem Vater, der gleichzeitig auch ihr Lehrer war.

Die Autorin, Politikerin, Pazifistin und Frauenrechtlerin Anna Haag (1888-1982) wurde in dem Haus geboren, das nun im Fokus einer Dokumentation steht. Am 4. November 1873 ist das stattliche Gebäude als Schulhaus eröffnet worden. Das ist nun Anlass, an die 150-jährige Geschichte des ortsprägenden Hauses zu erinnern.

Einige Dokumente mussten aus der Sütterlinschrift übersetzt werden

„Wir zeigen auch ein Bild der Schulklasse, auf dem Anna Haag zu sehen ist“, sagt Manfred Tegenkamp vom Heimatkultur Verein Althütte. Er hat die Dokumentation mit viel Engagement erarbeitet. Denn die Quellen aus der Zeit sind nicht immer einfach zu lesen. So waren einige Dokumente in Sütterlinschrift verfasst. Vier Helferinnen hätten ihn tatkräftig unterstützt und die Dokumente in die lateinische Ausgangsschrift übersetzt, berichtet Tegenkamp.

Ende des vergangenen Jahres habe er begonnen, an der Dokumentation zu arbeiten. Viele nützliche Unterlagen habe er auch aus dem Gemeindearchiv erhalten, hinzu kamen Quellen aus dem Staatsarchiv Ludwigsburg. „Doch es ist Heimatforschung und keine wissenschaftliche Arbeit“, sagt Tegenkamp. Er selbst nennt es Neugierfaktor, was ihn antreibe, seine Umgebung zu erforschen. „Wenn vieles für Sie neu ist, schauen Sie mit einem anderen Blick auf scheinbar Gewohntes“ , sagt Tegenkamp, der zuvor mit seiner Frau in Paderborn gelebt hat und seit einigen Jahren in Althütte wohnt.

Das Gebäude hat viele verschiedene Nutzungen gehabt

Die Dokumentation der wechselvollen Geschichte des Gebäudes, das im Laufe der Zeit verschiedene Nutzungen erlebt beziehungsweise erlebt hat – unter anderem als Heimatmuseum, Künstleratelier, Polizeirevier oder Jugendtreff – beinhaltet auch viele Bilder. Etwa die feine, farbige Illustration des Gebäudes, die auf dem Plakat, mit dem auf die Veranstaltung am Sonntag hingewiesen wird, abgebildet ist. Sie stamme vom Heimatmuseum, allerdings sei unklar, wer diese gefertigt hat. Auf der Rückseite des Bildes sei lediglich das Datum 1913 vermerkt.

Schüler berichten vom Unterricht in der alten Dorfschule

Um die Geschichte lebendig werden zu lassen, hat Tegenkamp auch Zeitzeugen zu Wort kommen lassen. Sie haben manche spannende Schilderung parat: „Das Schulhaus wurde bekanntlich mit einem Ofen beheizt. Dafür mussten die ‚guten’ Schüler regelmäßig die Eierkohlen aus dem Kohlenkeller holen. Das Schüren des Ofens musste auch von Kindern erledigt werden. Der heiße Schürhaken diente aber auch dazu, in die Schulbänke kleine Löcher oder Schlitze zu brennen. Bei einer Klassenarbeit konnte der Spickzettel dann unterm Tisch unter den ‚Durchbruch’ geführt werden, damit die eine oder andere Aufgabe dann doch noch (besser) gelöst werden konnte“, so erinnert sich beispielsweise Karl Schäfer, Jahrgang 1939 aus Althütte.

Dass die Rahmenbedingungen für das Lernen und den Unterricht früher ganz andere waren, zeigt auch die Schilderung von Helga Schultz, Jahrgang 1937: „Der Jahrgang umfasste 37 Kinder; unterrichtet wurden immer zwei Klassen in einem Klassenraum von einem Lehrer. Wenn der zweite Jahrgang eine ähnliche Anzahl von Kindern umfasste, musste der Lehrer ja circa 70 Kinder unterrichten.“

Auch die einst dürftige Lehrerbesoldung ist Thema – in einem Brief des Schulmeisters aus Althütte an das „ehrwürdige Pfarramt Rudersberg“ vom 2. März 1846: Er schreibt darin: „Der Schullehrer zieht jährlich vom Kind 1 Gulden Schulgeld ein. Nun sind es 113 Kinder, unter welchen wenigstens 25 Kinder sich befinden, deren Eltern total verarmt sind und … nicht bezahlen können.“ Er schreibt weiterhin, dass er „die notwendigen Bedürfnisse Brot, Schmalz, Salz und dergleichen auf Credit holen lassen“ müsse. Zu diesem gesellt sich der Umstand, „dass ich seit 6 Wochen auch keine Kartoffel mehr habe“. Auch die Umbaupläne des Gebäudes Rathausplatz 3 werden aufgegriffen: Das Heimatmuseum soll mehr Platz bekommen.

Manfred Tegenkamp wurde mit dem Kulturlandschaftspreis ausgezeichnet

Manfred Tegenkamp hat mit seiner Frau Angelika Szöke schon bei einem anderen Projekt Heimatforschung betrieben. Er wurde mit dem Kulturlandschaftspreis 2020 ausgezeichnet für seine Dokumentation der mehr als 400 Kleindenkmale in Althütte. Neben fast 350 Grenzsteinen, Brunnen, Backhäusern und weiteren Zeugen der Geschichte gehören auch 33 Haussteine dazu, die über die Historie des jeweiligen Gebäudes erzählen. In Vorträgen und bei Wanderungen hat er sein Wissen vermittelt.

Präsentation Am Sonntag, 5. November, 14 Uhr wird im Heimatmuseum Althütte, Rathausplatz 3, bei einem Vortrag die Dokumentation „150 Jahre Gebäude Rathausplatz 3“ vorgestellt. Ergänzt wird sie mit Hintergründen zum Schulwesen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. An diesem Sonntag ab 14 Uhr sowie am Samstag, 9., und Sonntag, 10. Dezember, jeweils von 11 bis 17 Uhr ist die Sonderausstellung im Heimatmuseum offen. Der Eintritt ist frei, um eine Spende wird gebeten.