Ein Biologe injiziert Spermien Foto: AP

Wissenschaftler aus Newcastle haben nach eigenen Angaben menschliches Sperma erzeugt.

Newcastle - Erfolgsgeschichte oder Horrormeldung? Wissenschaftler aus Newcastle haben nach eigenen Angaben weltweit erstmals menschliches Sperma im Labor erzeugt. Britische Medien prophezeien Männern bereits, dass sie in ihrer biologischen Funktion ausgedient haben.

Ganz so dramatisch sieht es in der Realität nicht aus. Ziel des Teams rund um Professor Karim Nayernia vom North East England Stem Cell Institute war, Männern zu helfen: "Durch unsere Forschung verstehen wir die Spermienbildung besser und können die Ursachen für männliche Unfruchtbarkeit ergründen." Nayernia gewann das Sperma aus Stammzellen von wenige Tage alten menschlichen Embryonen, die per künstlicher Befruchtung gezeugt worden waren. Er erklärte, nach einem Monat Reifezeit voll entwickelte Spermien gewonnen zu haben. Zum Beweis haben sie die Entwicklung auf Video dokumentiert.

Der Forscher betonte, mit dem Sperma aus dem Labor keine Eizellen befruchten zu wollen. "Wir verstehen, dass manche Menschen Bedenken haben. Aber das heißt nicht, Menschen im Reagenzglas produzieren zu können, wir haben das auch nicht vor." Andere Experten hegten Zweifel an dem Forschungsergebnis. Allan Pacey von der Universität Sheffield sagte, es handle sich lediglich um Spermien im frühen Stadium. Nayernia räumte ein, es werde noch mindestens fünf Jahre dauern, bis die "Produktionstechnik" perfektioniert sei.

"Theoretisch werden Männer entbehrlich", sagt Professor Nayernia

Die theoretischen Konsequenzen dieses Durchbruchs sind dennoch enorm. Frauen, die eine künstliche Befruchtung mit Laborsperma wählen, könnten so ein britisches Gesetz umgehen, wonach es Kindern erlaubt ist, ihren biologischen Vater ausfindig zu machen. Eine Schwangerschaft ohne biologische oder juristische Beteiligung eines Mannes wäre so möglich.

Im Grunde reicht die Stammzelllinie eines einzigen männlichen Embryos für die unbegrenzte Produktion von Spermazellen. "Theoretisch werden Männer entbehrlich", sagt Nayernia, "aber nur, wenn man eine in Größe und Form gleiche Bevölkerung schaffen will, denn alle Nachkommen hätten genetisch denselben männlichen Ursprung."

Persönlich sehe er Fortpflanzung nicht als rein biologischen Prozess, den er zukünftig in der Petrischale simulieren wollte: "Da gibt es auch menschliche, emotionale, psychologische, soziale und ethische Aspekte." Genau diese Fragen überschatteten die positiven Aspekte von Nayernias Ergebnissen. "Jetzt wissenschaftlich erwiesen: Männer überflüssig", titelte eine britische Zeitung.

So ganz neu ist der Forschungsweg nicht

Manche verglichen die Forscher mit Frankenstein, weil Nayernia auch mit Hautzellen experimentiert. Über kurz oder lang könnte es so selbst vollständig unfruchtbaren Männern - etwa nach einer Krebsbehandlung - möglich sein, die biologischen Väter ihrer Kinder zu werden. Wenn Hautzellen ausreichen, um Spermien künstlich zu produzieren, wäre es sogar denkbar, dass Tote noch Vater werden.

Hysterie wie auch Hoffnung sind derzeit allerdings stark verfrüht: Britische Gesetze verbieten es, künstliche Eizellen oder Laborsperma für die medizinische Befruchtung von Frauen zu verwenden. Und so ganz neu ist der Forschungszweig ebenfalls nicht: In Göttingen wurden 2007 Vorläufer von menschlichen Spermien aus Stammzellen des Knochenmarks im Labor gezüchtet. US-Mediziner entwickelten 2003 aus embryonalen Stammzellen von Mäusen Spermien und befruchteten damit Eizellen.

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