Auf ihrer ersten Reise nach Uganda ließen sich die Heisigs 1982 auch nicht von schlechten Straßen abhalten. Heute fliegen sie lieber. Auf ihrer Reise nach Uganda ließen sich die Heisigs 1982 auch nicht von schlechten Straßen abhalten. Heute fliegen sie lieber. Foto: privat/Rüdiger O

Seit 30 Jahren helfen Angela und Peter Heisig Menschen in Afrika. Die Euphorie hat sie dabei nie verlassen.

Stuttgart-Degerloch - Es muss Dezember gewesen sein, 1982, irgendwo im Kongo oder in der Zentralafrikanischen Republik. So genau wissen das die Heisigs nicht mehr. Aber an die Geschichte erinnern sie sich noch, als wäre es gestern gewesen. Die Statisten sind ihr hellblauer VW-Bus auf einer Straße, die kaum mehr als eine tiefe, trockene Lehmrinne ist, einige Männer in kurzen, verstaubten Hosen – und mittendrin sie selbst. Angela Heisig steht auf der Straße und gibt ihrem Mann Peter mit Handzeichen zu verstehen, wie er fahren soll. Aber die Männer stoßen sie zur Seite. Sie wollen helfen, und Anweisungen zu geben, ist keine Frauensache.

30 Jahre später sitzen die Heisigs an ihrem Wohnzimmertisch in Hoffeld, schauen auf das Foto und schmunzeln. So ist das eben, soll das heißen, andere Länder, andere Sitten. Weil sie nicht mehr zur Seite gestoßen werden wollte, tauschte Angela Heisig mit ihrem Mann. Der lotste sie schließlich zusammen mit den Männern über die Straße, während sie am Lenkrad saß. Einige Kilometer weiter brach dann zwar die Spurstange. Der Kontinent hat sie trotzdem nicht mehr losgelassen.

„Die Reise mit dem VW-Bus war der Auslöser“, sagt Peter Heisig. „Wir wollten Afrika kennenlernen und hatten eine Ahnung. Aber wie es wirklich ist, wussten wir nicht.“ Er sagt das ganz ruhig – im Sitzen – und spricht davon, dass er sich für die Menschen verantwortlich fühlt. Das sind große Worte, und das meint er auch so. Seiner Frau geht es nicht anders, auch wenn sie beim Reden aufsteht, einige Schritte hin und her geht und mit den Armen Kreise in die Luft zeichnet. Kein Zweifel, sie ist die Aufgeregtere von beiden. „Das wir Getriebene sind, dürfen Sie aber nicht schreiben“, sagt sie irgendwann und lacht. Sie hätten sich eben die Euphorie von damals bewahrt. „Wir haben gedacht, wir könnten die Welt verändern“, sagt sie. Mit kaum mehr bewaffnet als einer Gitarre und beseelt von dem Willen, zu helfen.

„Das ist viel Arbeit, aber sie macht uns Spaß“

Sie helfen seitdem, wo sie nur können, schreiben Briefe, verschicken Nähmaschinen, sammeln Geld, organisieren Reisen. Alles ehrenamtlich, alles nebenher. Doch das, was sie in den vergangenen drei Jahrzehnten erreicht haben, stünde professionellen Entwicklungshelfern gut. Wer sich in Degerloch für das Schicksal armer Menschen in armen Ländern interessiert, kommt nicht umhin, irgendwann einmal auf die Heisigs zu stoßen. Die Früchte dieser Euphorie lassen sich in Zahlen messen.

Sie schätzen, dass sie mehr als 1000 Vorträge gehalten haben. Sie haben wohl mehr als 200.000 Euro gesammelt. Die Summe könnte höher sein, denn meistens erhalten sie Sachspenden. 55 Brunnen wurden bislang mit ihrer Hilfe in Uganda gebaut. „Damit werden mehr Menschen mit Trinkwasser versorgt als in Degerloch leben“, sagt Angela Heisig. Das soll beeindrucken, und das beeindruckt sie irgendwie auch selbst. Die Heisigs vermittelten 25 Patenschaften, für 21 Jugendliche aus Deutschland haben sie Sozialpraktika in Afrika organisiert. Und erst vor Kurzem haben sie von drei Firmen 150 Fußbälle, 26 Kilogramm Schokolade und 500 Unterhosen, neu selbstverständlich, geschenkt bekommen.

Zwei bis drei Stunden kostet sie ihre Hilfe am Tag, jeden Tag. Dabei arbeiten beide Vollzeit. Pausen kennen sie nicht. „Das ist etwas Sinnvolles, das geht uns nie auf den Keks“, sagt sie. „Das ist viel Arbeit, aber sie macht uns Spaß“, sagt er. Im vergangenen November etwa sind die beiden nach Italien gefahren, 13 Stunden am Stück. Zwei Tage lang haben sie Oliven gepflügt, einen Tag standen sie an der Presse und sind dann gleich zurückgefahren, wieder 13 Stunden. Das war ihr Jahresurlaub. Das Olivenöl verkaufen sie nun für den guten Zweck, denn die nächsten Brunnen sind bereits geplant. Sie haben bei Freunden gefragt, ob jemand mitkommen wollte. Niemand außer ihnen hat sich die Tortur angetan.

Wie der kleine Prinz

Anne war der Anfang von allem. Peter Heisig schiebt ein Foto über den Tisch. 1964 wird das wohl gewesen sein. Es zeigt ihn mit seinen Geschwistern, mit Vater und Mutter – und Anne. Auf dem Foto ist sie eine hochgewachsene, schlanke Frau Mitte 30, mit Kleid und schwarzer Haut. Sie lächelt. Die Uganderin studierte damals drei Jahre in Deutschland. „Die Frau hat Charisma“, sagt Angela Heisig. „Wer sie kennt, wird ganz viel für sie tun.“ Viele Familien, die Anne damals kennenlernte, schickten ihr Hilfspakete, die sie verteilte. Sie lebt noch heute und leitet ein Waisenhaus, auf dessen Dach einige Degerlocher jüngst eine Solaranlage gebaut haben. Anne war es, die die Heisigs in den 80er Jahren mit ihrem VW-Bus besuchen wollten.

„Idealisten waren wir schon immer“, sagt Angela Heisig. „Heute wissen wir, dass wir nicht die ganze Welt verändern können.“ Aber zumindest einen kleine Teil, soll das heißen. „Alles andere muss man ausblenden, sonst wird man verrückt.“ Sie halten es wie der kleine Prinz in dem Märchen von Antoine de Saint-Exupéry, der zu seinem Planeten zurückkehren will, um seine Rose vor dem Verdursten zu retten. Den Vergleich bemühen die beiden selbst, und tatsächlich reisen sie immer wieder nach Uganda, stets mit neuer Hilfe im Gepäck, inzwischen aber mit dem Flugzeug. „Es gibt viele Situationen, da muss man weinen“, sagt Angela Heisig. „Aber jeder, der dort war, hat sein Herz verloren.“