Die Corona-Impfung ist mittlerweile ausschließlich Sache der niedergelassenen Ärzte. Foto: Archiv/dpa/Christian Charisius

Die Zahl der Corona-Infektionen im Kreis Ludwigsburg steigt, das Gesundheitsamt sieht den Beginn der Herbstwelle. Die Impfkampagne ist indes eingeschlafen. Die geringe Nachfrage muss aber nicht verwundern.

Arbeitgeber klagen über massive Krankenstände, in den Kliniken laufen die Intensivstationen voll. Das hat zwar nicht nur mit einer steigenden Zahl von Corona-Infektionen zu tun – aber auch.

Wie ist die Infektionslage im Kreis? Die Herbstwelle ist im Kreis Ludwigsburg angerollt, seit Anfang des Monats steigen die Zahlen rapide. Und das, obwohl deutlich weniger getestet wird als noch im vergangenen Herbst. Dem Gesundheitsamt werden „derzeit täglich PCR-Tests im oberen dreistelligen Bereich und mehrere Hundert Schnelltests gemeldet“, heißt es aus dem Kreishaus. In Schulen, Kitas und Seniorenheimen werden zudem wieder vermehrt Ausbrüche registriert. In den vergangenen sieben Tagen erfasste die Behörde rund 3150 Neuinfektionen. Zum Vergleich: Ende September waren es nicht einmal halb so viele.

„Verglichen mit dem Landesdurchschnitt liegen wir mit den registrierten Infektionsfällen noch darunter“, sagt Landratsamtssprecher Markus Klohr. Er verweist dabei aber auf die vermeintlich hohe Dunkelziffer. Nichtsdestotrotz: „Die wieder hohen Inzidenzen, die Hospitalisierungsrate und die Belegung der Intensivbetten in den Kliniken spiegeln in der Gesamtbewertung die Belastung des Gesundheitssystems wider“, sagt Klohr.

Wie reagiert das Gesundheitsamt auf die steigenden Coronazahlen? Der Kreis orientiert sich bei seinen Planungen an den drei Szenarien, die der Bund ausgearbeitet hat. Dabei entscheidend ist, wie sich Sars-CoV-2 weiterentwickelt. Sollte die sich jetzt aufbauende Welle vor allem von milden Krankheitsverläufen geprägt sein, wird es zu den derzeit geltenden Regeln – Masken in Bus und Bahn sowie aktuelle Tests in Pflege- und Altenheimen – keine zusätzlichen geben. Bei einer Welle mit schwereren Verläufen, allerdings ohne extreme Spitzen, könnten Masken- und Abstandspflicht sowie gezielte Tests auf einzelne weitere Bereiche ausgedehnt werden. Etwa auf Schulen und Kitas.

Im schlimmsten Fall – wenn die Situation in den Krankenhäusern kaum mehr beherrschbar ist – würde die Maskenpflicht auf Veranstaltungen in Innenräumen ausgedehnt, Hygienekonzepte wiederbelebt und die Teststrategie ausgeweitet. Auch das Thema Impfen würde wieder forciert – vor allem mit mobilen Angeboten.

Was Eltern allerdings freuen dürfte: Schließungen von Schulen und Kitas sind nicht vorgesehen. Dasselbe gilt für Heime.

Wie hoch ist die Nachfrage nach Corona-Impfungen im Kreis? Impfen ist nunmehr ausschließlich Sache der niedergelassenen Ärzte. Impfzentren werden keine Renaissance mehr erleben. Dafür gibt es derzeit auch keinen Anlass: Im Kreis Ludwigsburg ist die Nachfrage nach den Coronavakzinen mäßig. Aus Sicht von Carola Maitra, Vorsitzende der Kreisärzteschaft, gibt es dafür zwei Gründe: Zum einen sei es für gesunde und jüngere Menschen schlicht nicht nötig, den Schutz ein zweites Mal aufzufrischen. „Weiterhin hat ein erheblicher Teil der Menschen im Verlauf des Jahres eine Covid-Erkrankung erlitten, weshalb sich auch hier die Impfnotwendigkeit relativiert“, so Maitra.

Wie ist es mit den neuen Impfstoffen? Inzwischen gibt es neue, sogenannte bivalente Corona-Impfstoffe, die auch gegen die Varianten BA1 und BA4/5 gerichtet sind. Derzeit empfiehlt die Stiko insbesondere Menschen ab 60 Jahren, sich ein zweites Mal boostern zu lassen. Bei der Verteilung dieser Stoffe hat die ein oder andere Praxis im Kreis zum wiederholten Mal keine guten Erfahrungen gemacht. Teils kam der neue Impfstoff in letzter Minute, teils mussten Termine abgesagt werden. Die anfänglichen Lieferprobleme bestätigt die Kassenärztliche Vereinigung (KV), inzwischen sei aber überall genug Impfstoff vorhanden. Joachim Kolb, Arzt aus Benningen, konnte die Termine zwar einhalten, allerdings nur, weil er unter anderem bei der KV, Apothekern und Herstellern intervenierte. Er sieht dabei ein generelles Problem: Es habe sich gezeigt, wie wenig Fortschritte es in der Logistik seit Beginn der Kampagne gegeben habe, was wiederum in Verunsicherung bei der Bevölkerung und einer geringeren Bereitschaft, sich impfen zu lassen, resultiere.

Wie belastet sind die Arztpraxen? In Anbetracht der schleppenden Nachfrage bereiten die Corona-Impfungen selbst den Praxen derzeit keine Probleme. Allerdings beklagen viele einen stetig steigenden Verwaltungsaufwand. So muss beispielsweise neu erfasst werden, um die wievielte Impfung es sich handelt. Joachim Kolb zweifelt den „erkennbaren Nutzen für den Einzelnen oder die Gemeinschaft“ an. Carola Maitra sagt: „Der in dieser Situation wirklich nicht mehr nachvollziehbare Dokumentationswahn macht uns große Schwierigkeiten.“ Zumal viele Praxen wegen Krankheitsfällen unterbesetzt sind, Patienten warten deshalb teils lange auf einen Termin.

Wie sieht es mit anderen Impfungen – beispielsweise Influenza – aus? Im Vergleich zu den Vorjahren haben sich tendenziell mehr Menschen gegen Influenza impfen lassen. Was andere Impfungen anbelangt, seien keine nennenswerten Veränderung festzustellen, so Maitra. Aus ihrer Sicht halten sich die Impfgegner in dieser Hinsicht auch eher zurück. Die Vorsitzende der Ludwigsburger Ärzteschaft bekräftigt die Sicherheit der Corona-Impfstoffe: „ Es sind inzwischen Millionen und Abermillionen Dosen verimpft worden. Die Dokumentation erfolgte in großem Umfang, und es haben sich bis zum jetzigen Zeitpunkt keine wirklich schweren Nebenwirkungen gezeigt.“