Helge Schneider war am Dienstag in der Liederhalle Stuttgart. Foto: Timo Deiner

Das Publikum lacht schon, wenn Helge Schneider nur einen Satz oder ein Lied beginnt. Wer am Faschingsdienstag in Stuttgart ausgelassene Stimmung sucht – Helge Schneider sorgt dafür.

Stuttgart - Auf dem Klavier spielt er einfühlsam den Beginn von Beethovens („hat viele Schlüpferstürmer komponiert“) „ Mondscheinsonate“, er lässt das Saxofon summen und kreischen, zupft die Saiten der Gitarre, als wäre er ein Andalusier, und lotet am Vibrafon Notenkombinationen aus wie ein Klangforscher: Helge Schneider, der große Dadaist, kann aus vielen Instrumenten einiges herausholen – wenn er gerade möchte, und sie nicht lieber missbraucht oder herrlich satirischen Unsinn verzapft.

„Hier werden die Leute viel älter als woanders, nur in viel kürzerer Zeit“, sagt er im ausverkauften Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle, in der er am Dienstag mit seiner astreinen Jazz-Combo auftritt.

Die Band hat oft Pause, denn Helge, der sich auf dieser Tournee „Pretty Joe“ nennt, hat zu viel zu erzählen. „Ich bin schon total kaputt“, behauptet er nach zehn Minuten, und sagt über die Musiker: „Die kenne ich noch nicht so gut, die habe ich vom Arbeitsamt Frankfurt, das sind normale Hartzer.“ Und über seinen virtuosen Saxofonisten Carlos Boes: „Er hat schon mit Santana gespielt – nicht mit Carlos Santana, sondern mit seinem Bruder Ralf.“

Zur allgemeinen Erheiterung intoniert er seinen sinnfreien Hit „Katzeklo“ und vollführt dazu gymnastische Übungen. „Ganz Japan“ singe das, behauptet er, aber „mit einem anderen Text und einer anderen Melodie“ – ein Zitat aus einem seiner frühen, genialen Hörspiele, an geeigneter Stelle passend wiederverwendet.

Bei „Mr. Bojangles“ veralbert er Timbre und Bühnenposen der großen Crooner, mit dem Synthesizer ruiniert er am Ende mit Blubbern, Zirpen und Rauschen vorsätzlich sowohl den Klang als auch den Rhythmus der stoisch swingenden Band. Auch verbal sucht Helge immer wieder die Entgleisung: „Afrika liegt ja viel näher an Australien, weil die Erde rund ist, und Afrika liegt irgendwo dazwischen, nur Australien kommt uns viel weiter weg vor.“ Darauf muss man erstmal kommen.

Seine Lieblingszielscheibe aber ist alles politisch Korrekte: „Durch die Emazipation ist ja viel geschehen, was wir vorher hatten“, sagt er, „den Männern hat sie nicht viel gebracht. Und wir Frauen? Unser Kanzler, da stimmt doch was nicht! Aber Hut ab: Den ganzen Tag in Frauenkleidern herumlaufen, dieses Versteckspiel mitmachen…“

Dauerlakai Bodo muss auf Zuruf ständig Tee servieren, „natürlich Theatertee, nur Wasser“, sagt Helge. Er empfiehlt Bodo, mal seine Freundin anzurufen, ehe es ein anderer tut, „ihr könnt spazieren gehen und dann kann die Sachen anziehen. Ist ja besser, als nur den Slip.“ Das ist exakt sein Duktus, in solchen Momenten ist der Künstler aus Mühlheim ander Ruhr ganz bei sich und seinem rheinischen Singsang.

Der Bartträger Sergej Gleithman mit den schwarzgeränderten Augen mimt zum „Meisenmann“ wild rudernd eine Art Vogel. Helge demonstriert derweil, dass er dem Klavier romantische Wonne entlocken könnte, wenn er nur wollte, gerät ins absurde Fabulieren und in einen surrealen Dialog mit Udo Lindenberg.

„Der Adler findet Beute in einem Kinderwagen, der vor einem Stehcafé abgestellt ist“, singt Helge, und kurz darauf zum Schönklang: „Magensäure, lalalala.“ Dann gibt es noch Reis, Helge ruft: „schüttel dein Haupthaar für mich, Baby!“, verkündet dann die Sponsoren („Gummibären. Schokolade. Geld“) und bemerkt: „Ich habe gerade eine Tür gehört. Da ist wohl jemand gegangen. Aber das Geld ist im Sack.“ In „Gartenzaun“ hat er einst gesungen: „Das ganze Geld mit Quatsch verdient.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.