Fast jeder zweite Stuttgarter ist Mitglied in einem Sportverein. Und offenkundig zufrieden mit dem Angebot. Bei unserer Umfrage Heimat-Check schneiden die Vereine und das Sportangebot gut ab. Doch in bestimmten Stuttgarter Stadtbezirken gibt es Probleme.
Es ist ein seltenes Ereignis. Und deshalb um so erfreulicher. Demnächst wird auf dem Vereinsgelände des TV Cannstatt eine Sporthalle eingeweiht. Eine dringend benötigte. Denn Stuttgart hat zu wenige Sportflächen. Und das war wenig überraschend auch einer der meist angesprochenen Kritikpunkte der 11 000 Menschen, die beim Heimat-Check ihren Stadtbezirk bewertet haben.
Wie hoch war der Wert?
Wie bewerten Sie die Angebote der Vereine generell in Ihrem Stadtbezirk? Und wie gut ist das Angebot zur sportlichen Betätigung in Ihrem Stadtbezirk. Auf einer Skala von 1 (schlecht) bis 10 (gut) kam dabei ein Durchschnittswert von 6,86 für alle 23 Stadtbezirke heraus. Das ist der zweitbeste Wert von allen 14 abgefragten Kategorien. Nur mit der Sauberkeit waren die Stuttgarter noch zufriedener.
Wie sieht es in den Bezirken aus?
Doch schaut man genauer auf die Bezirke, fällt auf, die Bewertung steht und fällt mit der Infrastruktur. So ist es sicher kein Zufall, dass Botnang (8,14), Degerloch (8,09) und Feuerbach (7,85) ganz vorne sind. Dort sind mit dem MTV Stuttgart, der Sportvereinigung Feuerbach und der tus Stuttgart große Vereine, die eigene Sportstätten unterhalten und ein breites Angebot bieten, vom Kinderturnen bis zu Kursangeboten im vereinseigenen Fitnessstudio.
Wo ist das Sportangebot in Stuttgart schlecht?
Am unteren Ende der Skala sind die Innenstadtbezirke. Im Stuttgarter Norden (6,08), Süden (5,91) und in Mitte (5,85) ist die Bewertung unterdurchschnittlich. Ebenso wie die Versorgung der Menschen mit Sportflächen. In Mitte gibt es keinen Sportverein, im Süden einen. Flächen sind rar und entsprechend teuer.
Was sagen die Bürger zum Sportangebot in Stuttgart?
Bei den Kommentaren spiegelt sich das wieder. Aus Weilimdorf heißt es beispielsweise: „Eine neue, qualitativ hochwertige Sporthalle wäre schön, da viele Vereine Probleme haben, Hallenzeiten zu bekommen.“ Aus dem Westen wird mehrmals beklagt, dass „es zwar Angebote gibt, aber so viel Nachfrage, dass immer viel zu wenig Plätze da sind“. Aus Plieningen wünscht man sich eine „zusätzliche Sporthalle“, auch aus Obertürkheim und Mühlhausen und Möhringen. Ein Mitglied des TSV Steinhaldenfeld kommt sich „verarscht vor wegen der Turnhalle, der Aus- und Umbau verzögert sich seit über 15 Jahren“.
Das Problem ist erkannt. Es gibt in Stuttgart 37 Sporthallen, 117 Turnhallen und 49 Gymnastikhallen. Um dieses Angebot dem Bedarf der Vereine gegenüberzustellen, rechnet man in Übungseinheiten. Je nach Größe der Halle sind das zwischen 0,5 und drei Übungseinheiten. So lässt sich errechnen, welche Flächen fehlen.
Wie ist der Bestand?
Beim Schulsport fehlen keine Kapazitäten. Beim Vereinssport hingegen ist der Bedarf nur zu 75 Prozent gedeckt. Und es wird nicht besser. Die 290 Stuttgarter Vereine melden dieses Jahr 265 805 Mitglieder, dass sind 11 299 Menschen mehr, eine Steigerung um elf Prozent. Die höchste Zahl aller Zeiten. Mehr Mitglieder brauchen auch mehr Sportflächen.
Wo wird für das Sportangebot in Stuttgart gebaut?
Was wird getan? Schon seit einiger Zeit bauen der MTV Stuttgart und der TV Cannstatt auf ihren Vereinsgeländen. In Zukunft soll ein Quartett das Angebot ergänzen. Demnächst beginnt der Bau des Sportzentrums Q 22 im Neckarpark. Rund 19 Millionen Euro werden dafür ausgegeben: 9,2 Millionen Euro für eine zweiteilbare Halle, 5,5 Millionen für ein Judoleistungszentrum und 4,2 für eine Beachhalle. Q 22, so heißt das Baufeld neben der gemeinsamen Sportanlage des ESV Rot-Weiß Stuttgart und des VfL Stuttgart sowie dem Olympiastützpunkt.
Auch in Feuerbach, Hedelfingen und Plieningen sind neue Hallen geplant. Alle drei könnten Anfang 2028 fertig werden, so zumindest der Plan. Der Neubau in Hedelfingen ist mit 17,4 Millionen Euro veranschlagt und soll an der Hedelfinger Straße entstehen Geplant ist dort mehr als ein Angebot für Sportler: Es sollen eine Zweifeldhalle, daneben die Stadtteilbibliothek und eine Versammlungsstätte gebaut werden.
In Plieningen soll ebenfalls eine Multifunktionshalle auf dem Gelände Am Wolfer entstehen. Für 16,9 Millionen Euro soll man darin Sport treiben, aber auch Veranstaltungen abhalten können. In Feuerbach wird auf dem Gelände der Sportvereinigung eine Halle gebaut samt Verbindung zum vereinseigenen Fitnessstudio Vitadrom. Kosten soll das 13,9 Millionen Euro.
Was wird saniert?
Daneben wird fleißig saniert. Sieben Ballspielhallen gibt es in Stuttgart. Vor zwei Jahren wurde die Halle in Degerloch eingeweiht. Ihre sechs Vorgänger sind allerdings in die Jahre gekommen. Die Halle in Plieningen entstand 1988,1993 folgten Botnang und die Flatow-Halle in Wangen, 2002 die Halle in Obertürkheim, 2005 die Spitalwaldhalle in Sillenbuch und 2012 die Halle im Neckarpark. Sie alle werden anders als die Schulsporthallen vom Sportamt betrieben und vornehmlich den Vereinen zur Verfügung gestellt.
Bis zum Jahr 2030 sollen die Hallen saniert und auch energetisch auf den neuesten Stand gebracht werden. 20 Millionen Eurosoll das kosten, glaubt das Hochbauamt. Beginnen könnte es dieses Jahr mit Botnang, 2025 könnten Wangen, 2027 Plieningen und 2028 Sillenbuch an der Reihe sein, hernach stehen Obertürkheim und die Halle am Neckarpark auf dem Plan. Künftige Einsparungen durch Solarzellen, LED und Dämmung sollen einen Teil der Kosten decken.
Angemahnt werden von den Bürgern auch Sportflächen, auf denen man sich einfach so bewegen kann. besonders begehrt sind die Calisthenics-Anlagen, die Muckibuden im Freien. Da ist die Nachfrage groß. Wünsche werden überall dort angemeldet, wo es noch keine gibt. Basketballplätze, Bolzplätze, mehr Sport im Park, Skate Parks werden gewünscht.
Wo kann man in Stuttgart einfach so trainieren?
Derzeit gibt es in Stuttgart 143 000 Quadratmeter Flächen, die für Bewegung und Sport eingerichtet wurden. Die Hälfte davon sind Bolzplätze, 17 Flächen für Skater gibt es, 89 für Tischtennis, zwei für Parkour, sechs Trampoline, vier Schachbretter und drei für Tischkicker. Nun hat das Sportamt 200 weitere Flächen ausfindig gemacht, Ideen ausgearbeitet, was man dort so alles tun könnte. Auf insgesamt 53 Flächen in allen 23 Stadtbezirken will man demnächst tätig werden. So möchte man in Bad Cannstatt an der Überkinger Straße eine Slackline zum Balancieren installieren oder am Spielplatz Neckarine einen Baby-Pumptrack bauen. In Birkach am Anna-Haag-Weg könnte man ein Trampolin aufbauen und eine inklusive Schaukel, die auch Behinderte nutzen könnten. In Feuerbach kann man sich am Höhenweg einen „Räuber-Hotzenplotz-Weg“ vorstellen. Und in der Innenstadt am Karlsplatz sollen lange Wippen und Hängematten entstehen.
Was ist mit Schwimmen in Stuttgart?
Noch etwas plagt die Bürger. Viel zu wenig Bäder gebe es, die Öffnungszeiten müsse man ausweiten. Doch hat das Bäderamt schlicht zu wenig Personal, es kann entweder Hallenbäder oder Freibäder betreiben. Und mehr Trails für Mountainbiker werden gewünscht. Hier ist das Forstamt verantwortlich, seit Jahren wird verhandelt, um die Belange von Radlern, Naturschutz und Flaneuren auszubalancieren. Ein mühsamer Prozess, fast so langwierig wie das Bauen von Hallen. Immerhin, in Cannstatt darf demnächst Einweihung gefeiert werden.