Dariusz Wojtyna kann sich bei Hausbesuchen auf die Verah-Assistentin Giada Zappala verlassen Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Für junge, mobile Leute ist der Besuch beim Hausarzt kein Thema. Man geht halt hin, wenn’s nicht so gut geht. Für Ältere mit körperlichen Gebrechen ist dies mitunter unmöglich, aber auf den Hausbesuch kann sich inzwischen kein Patient mehr verlassen.

Stuttgart - Der Arzt, der bei Wind und Wetter und mit wehenden Rockschößen zum Patienten eilt, gehört bald in romantisierende Drehbücher über Dr. Ferdinand Sauerbruch: Es gibt inzwischen Allgemeinmediziner, die Hausbesuche und Visiten im Pflegeheim ablehnen. „Wenn Sie 20, 30 Jahre lang eine Hausarztpraxis betreiben, dann wird der Anteil derer, die nicht mehr in die Praxis kommen können, irgendwann einmal sehr hoch“, erklärt Dariusz Wojtynia, Facharzt für Innere Medizin, der eine Praxis im Norden Stuttgarts betreibt.

Hausbesuche kosten Zeit, auch wegen der Anfahrt, bei der ja keine medizinische Leistung erbracht wird. Sie kosten Geld für Fahrzeug und Sprit, und weil die Praxis während des Außendienstes verwaist ist. Der Arzt aus dem Norden Stuttgarts hat eine Lösung gefunden. Er ist einer von landesweit 3500 Hausärzten, die so genannte Hausarztverträge mit den Krankenkassen abgeschlossen haben. Das Modell hält für Patienten zusätzliche Leistungen bereit, soll den bürokratischen Aufwand der Ärzte verringern und deren Einnahmen kalkulierbarer machen. Die wesentlichste Entlastung aber bringt Verah, die Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis.

Bei Dariusz Wojtynias übernimmt Giada Zappala diesen Part. Sie hat bei Wojtynia ihre Ausbildung gemacht und sich zusätzlich qualifizieren lassen, um als Versorgungsassistentin im Routinefall auf Achse gehen zu können. Sie kennt sich aus mit der Medikamentenversorgung ihrer Patienten, weiß, was bei Dementen und im Notfall zu tun ist und ist zudem Sozialmanagerin.

„Wenn ich einen Hausbesuch mache, sehe ich ja, ob jemand nicht mehr putzen kann, mit dem Anziehen Probleme hat oder seine Medizin nicht mehr auseinanderhalten kann“, sagt die 23-Jährige. In solchen Fällen kann sie alles Notwendige in die Wege leiten. Blutdruck messen, die Medikamente kontrollieren, gelegentlich Blut abnehmen, das komme am häufigsten vor bei ihren Einsätzen. „Vor allem aber gibt es viel zu reden, die älteren Leute erzählen so gern“, sagt sie.

Seit 1,5 Jahren übernimmt Giada Zappala nun schon die Hausbesuche ihres Chefs, seit vergangenem Jahr in einem Verah-Mobil. Den silberfarbenen WV-Up hat der Arzt zu Sonderkonditionen geleast; ihm ist auch von außen anzusehen, wer hier mit welcher Mission unterwegs ist. „Wir dachten, dass das Angebot vor allem von Ärzten auf dem Land angenommen wird“, sagt die AOK-Pressesprecherin Elisabeth Schöndorf, „inzwischen sind selbst in Stuttgart schon zehn solcher Fahrzeuge unterwegs.“ Rund die Hälfte der Ärzte, die mit der AOK einen Hausarztvertrag geschlossen haben, beschäftigen inzwischen Versorgungsassistentinnen, die ihre Chefs in Routinefällen entlasten.

„Ich bin selbst immer noch zu Hausbesuchen unterwegs, abends und mittags“, sagt Dariusz Wojtynia, „das gehört einfach zu meinem Beruf.“ Es gebe aber Patienten, die nicht akut erkrankt seien, wo kein Arzt kommen müsse. Wo vielleicht der Verband gewechselt gehört oder ein älterer Mensch keine Möglichkeit hat, den Weg in die Praxis zurückzulegen. Dafür habe er seit 2013 die Versorgungsassistentin. „Ich bin sehr zufrieden“, sagt Wojtynia.

Verah, oder besser gesagt Giada Zappala, verschafft dem Arzt Luft für anderes: „Vor fünf Jahren hatte ich acht Patienten im Pflegeheim, heute sind es 20“, sagt Dariusz Wojtynia, laufend kämen weitere Anfragen, „auch von Patienten, die bisher bei einem anderen Hausarzt waren.“ Ablehnen möchte er solche Anfragen nicht: „Was sollen denn Patienten machen, wenn sie mit einem Beinbruch oder pflegebedürftig im Bett liegen und nicht aufstehen können?“

Laut Kassenärztlicher Vereinigung Baden-Württemberg lag die Gesamtzahl der Hausbesuche im Jahr 2014 um 5,99 Prozent niedriger als im Jahr zuvor. Im selben Zeitraum sank die Zahl der Ärzte, die Hausbesuche gemacht haben, um 3,17 Prozent.

„Wir gehen davon aus, dass unter dem Strich deutlich mehr Hausbesuche ermöglicht werden“, hatte Dr. Berthold Dietsche, der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Baden-Württemberg, 2013 bei der Einführung der Verah-Mobile gesagt. Auf Basis des Verah-Modells waren im Jahr 2014 landesweit bereits mehr als 2000 Assistentinnen wie Giada Zappala unterwegs. „Die Hausbesuche werden nicht einzeln abgerechnet, deshalb können wir keine Gesamtzahl nennen, aber es ist davon auszugehen, dass die landesweit zugelassenen 340 Verah-Mobile oft im Einsatz sind“, sagt der Sprecher des Deutschen Hausärzteverbands.