Nach dem großen Erfolg des Hate-Slam im vergangenen Jahr geht die Journalistenbeschimpfung am 27. November im Club 33 weiter. Foto: Max Kovalenko

Hate-Slam nennt sich, womit Journalisten ihre geschundenen Reporterseelen auf offener Bühne selbst therapieren. Sie lesen Beschimpfungen vor, die sie in Form von Leserbriefen erhalten haben. Nach dem Erfolg vom vergangenen Jahr folgt am nächsten Mittwoch die Hass-Spaß-Fortsetzung im Club 33.

Hate-Slam nennt sich, womit Journalisten ihre geschundenen Reporterseelen auf offener Bühne selbst therapieren. Sie lesen Beschimpfungen vor, die sie in Form von Leserbriefen erhalten haben. Nach dem Erfolg vom vergangenen Jahr folgt am nächsten Mittwoch die Hass-Spaß-Fortsetzung im Club 33.

Stuttgart - Was sagt das Aussehen über einen Menschen aus? Lassen sich Rückschlüsse von Augenstand, Nasengröße und Stirnhöhe auf Charakter und Verstand ziehen? Mein Kollege Wolf-Dieter Obst, den Lesern der Stuttgarter Nachrichten seit vielen Jahren als eifriger Polizeireporter bekannt, hatte mit seinem Konterfei zur Frage „Blitzen auf der Autobahn?“ die Pro-Position eingenommen. Bei einem Leser ist Kollege Obst damit voll abgeblitzt. „Für dieses Pro und Contra hätten Sie einen anderen Autofahrer nehmen sollen“, schrieb der Abonnent, „als so einen Polizeireporter, der so Auto fährt, wie er aussieht.“ Ja, wie sieht er denn nun aus? Dies ist das ewige Rätsel, das selbst die Redaktion noch nicht gelöst hat. Aber manchmal, um ehrlich zu sein, schaut unser Obstler wie ein Auto.

Der Polizeireporter wird diesen und andere Leserbriefe am 27. November, 20.30 Uhr, im Club 33, Friedrichstraße 23 a, vortragen und damit im StN-Team mit Anne Guhlich ins Hate-Slam-Rennen gehen. Prämiert werden laut Veranstalterinfo „die bösesten, irrsten und lustigsten Leserbriefe“. Außerdem treten bei Hate-Gaedt, bei Moderator Michael Gaedt, an: Alexander „Sandy“ Franke von Das Ding , sowie Achim Helbig und Daniela Eichert, Online-Redakteure bei Stuttgart Internet Regional (SIR).

„Das Medium Internet hat den Vorteil, dass die Leserreaktion nur einen Klick entfernt ist“, sagt Redaktionsleiter Helbig, „manche Reaktion ist jedoch selbst für hartgesottene Onliner etwas verstörend.“

Am Ende entscheidet das Publikum über den Sieger im negativen Sinne. Vor einem Jahr hatten Roman Deininger und Max Hägler, die Stuttgart-Korrespondenten der „Süddeutschen Zeitung“, gewonnen, also den „goldenen Arsch mit Ohren“. Sie haben halt so wunderbare Leser, die Dinge schrieben wie „Sie Schreiberlein, Sie Wurm, Sie ehemaliger Schülerzeitungsredakteur – bei Ihnen werde ich hasskrank!“ Die „SZ“-Leser prangerten „Blümchen-Journalismus“ an und einen „von keinerlei Sachkenntnis geprägten Hochmut“. Großes Wortkino!

Jeder Journalist weiß, wie leicht es fällt, Verrisse zu schreiben – und wie hart es ist, selbst kritisiert zu werden. Leser müssen ernst genommen werden, keine Frage. Denn sie sind die Kunden, die wir bedienen. Wenn wir uns über sie lustig machen, werden wir sie verlieren. Aber andererseits: Ein Journalist, der es allen recht machen will, kann langweilig werden, er könnte dann nicht seinen Wächterpflichten nachkommen. Deshalb ist es gut, wenn man hin und wieder Proteste aus der Leserschaft erntet. Als ich mich kürzlich über den Auftritt eines Stuttgarter Bordellbesitzers in einer Talkshow lustig machte, schrieb mir eine Leserin, ich sei ja nur neidisch, weil ich nicht so charismatisch und gut aussehend sei wie jener Mann aus der Rotlichtbranche. Genau! Umgehend schrieb ich der Leserin zurück und gab ihr in allen Punkten recht. Mit dem wenigen Charisma könnt’ ich leben.

Hass ist ein anstrengendes Gefühl, das Energie und Aggression kostet. Manchmal müsste deshalb auch Verachtung reichen. Aber eine noch viel schlimmere Strafe ist die Missachtung. Viele Journalisten finden es nicht lustig, wenn sie null Reaktionen hervorrufen. Da freuen wir uns, wenn man unsere Fahrweise mit dem Aussehen erklärt.