Markenzeichen blaue Taktiktafel: Handball-Bundestrainer Dagur Sigurdsson macht bei der WM in Katar sehr viel richtig Foto: dpa

Ein Pflichtsieg noch an diesem Samstag (17 Uhr/Sky) gegen Saudi-Arabien, dann sind die deutschen Handballer bei der WM in Katar Sieger der Vorrundengruppe D. Das hatte dem Team niemand zugetraut. Bei der Suche nach den Gründen für den Erfolg fällt immer wieder ein Name: Dagur Sigurdsson.

Abwehr

Die Bundestrainer Heiner Brand und Martin Heuberger setzten auf eine 6:0-Abwehr. Die stand meist sicher, doch tat sie das nicht, war dies ein großes Problem – ein zweites System beherrschte die Mannschaft nicht. Unter Dagur Sigurdsson ist das anders: Allein in Hälfte eins gegen Dänemark spielte sein Team drei Varianten. Wie wichtig ihm die Abwehr ist, zeigt der Kader: In Hendrik Pekeler, Stefan Kneer, Michael Müller und Erik Schmidt sind vier Abwehrspezialisten dabei, die auch in der Bundesliga ihren Mann stehen. Dazu kommt in Carsten Lichtlein und Silvio Heinevetter ein Top-Duo im Tor. „Abwehr und Torhüter sind das wichtigste Element im Handball“, sagt Rolf Brack, Trainer der Schweiz, „und da ist Deutschland Weltklasse. Es gibt bei dieser WM nichts Besseres.“

Form

Es gibt im deutschen Team keinen Star, dafür aber Spieler mit außergewöhnlichen Fähigkeiten – im Tor, im Innenblock, auf Außen. Ein Fragezeichen stand hinter dem Rückraum, doch Regisseur Martin Strobel und Linkshänder Steffen Weinhold spielen bisher so stark wie noch nie im Nationalteam. Auch Torhüter Carsten Lichtlein, Kreisläufer Patrick Wiencek und Rechtsaußen Patrick Groetzki sind in Top-Form. „Viele bewegen sich an ihrem oberen Limit“, sagt Jürgen Schweikardt, Trainer des TV Bittenfeld, „das liegt an der guten Arbeit in den Vereinen. Und Sigurdsson gibt ihnen die Struktur mit.“ Dazu kommt: Der Bundestrainer strahlt eine enorme Ruhe aus, was sich positiv auswirkt: Die Spieler behalten selbst in kritischen Situationen kühlen Kopf.

Teamgeist

Am freien Freitag ging es in die Wüste, die Spieler entspannten sich bei der Fahrt in Jeeps und beim Abendessen in einem Zelt. Schon vor der WM tat Trainer Sigurdsson viel für den Teamgeist. Während der Testspiel-Reise wohnte die Mannschaft auf Island in einer ehemaligen Keksfabrik in Zimmern mit Doppelstockbetten. Mit Hilfe eines Schauspielers wurde eine Szene aus „Romeo und Julia“ einstudiert, mit einem Musiker ein Lied komponiert. „Das war Teambuilding, wie ich es noch nie erlebt habe“, sagt Manager Oliver Roggisch. Zudem wählte Dagur Sigurdsson die passenden Typen aus, er fand eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern – die Michael Kraus, Weltmeister von 2007, an das Team erinnert, das damals im eigenen Land den Titel holte.

Psyche

Die deutschen Handballer sind nur dank eines Freifahrtscheins bei der WM dabei, ihre Spiele werden lediglich im Bezahlsender Sky live gezeigt, kaum jemand hat viel von ihnen erwartet. Das motiviert, es allen zu zeigen – und Trainer Dagur Sigurdsson vermittelt das nötige Selbstvertrauen. „Vor was auch immer, die Mannschaft hat keinerlei Angst“, meint Markus Gaugisch, Trainer des HBW Balingen-Weilstetten, „sie will die Chance, die sie durch die Wildcard bekommen hat, unbedingt nutzen.“ Bisher klappt das perfekt: Die Deutschen werden die mit Abstand stärkste Vorrundengruppe als Erster beenden. Im Achtelfinale geht es am Montag gegen Ägypten, Island oder Tschechien. Dann beginnt das Turnier neu – und Deutschland ist plötzlich der Favorit.