Christel Scheichenbauer (rechts) bei einem Hausbesuch im April: Sie unterstützte die frisch gebackene Mutter Stefanie Rother und ihre Tochter Nora Foto: Max Kovalenko

Die Beiträge, die Hebammen für ihre Haftpflicht bezahlen müssen, sind zum Monatsbeginn um 20 Prozent gestiegen. Für die Mehrkosten kommen die gesetzlichen Krankenkassen auf – aber nur bis Mitte 2015. Die Folge: ein massiver Hebammenmangel.

Stuttgart - Es ist die immer gleiche Ansage, fast überall – egal, wo in Stuttgart man anruft: „Die Geburtsvorbereitungskurse sind bis Jahresende ausgebucht“, ist auf den Anrufbeantwortern der selbstständigen Hebammen und Hebammenpraxen zu hören.

„Ja, Stuttgart ist ganz besonders von dem derzeitigen Hebammenmangel betroffen“, sagt Jutta Eichenauer, Vorsitzende des Hebammenverbands Baden-Württemberg. Aber in ganz Baden-Württemberg sehe es schlecht aus, auch Ludwigsburg, der Rems-Murr-Kreis und Lörrach leiden unter massiver Unterversorgung. „Es gibt nur wenige Orte in Baden-Württemberg, in denen die Versorgung okay ist“, sagt Eichenauer.

Das kann Christel Scheichenbauer, selbstständige Hebamme aus Ludwigsburg, bestätigen. In der Kreisstadt gibt es zehn selbstständige Hebammen – die allerdings jetzt bereits bis zum Jahresende ausgebucht seien. „Wir können keine einzige Schwangere mehr annehmen“, sagt Scheichenbauer.

Auch Lena Ehlebracht vom Geburtshaus Stuttgart-Mitte weiß, dass die Situation für Schwangere in Stuttgart gerade schwierig ist: „Die Termine für Geburtsvorbereitungskurse und Nachsorge sind bei uns, aber auch bei den meisten Kolleginnen, für dieses Jahr bereits ausgebucht – wir haben schon Anfragen für kommenden März“, sagt sie. Das heißt konkret: Nicht jede Schwangere, die eine Hebamme möchte, bekommt auch eine.

Zwar gäbe es schon seit je einen leichten Mangel an Hebammen, das Problem habe sich aber in den vergangenen vier bis fünf Jahren zugespitzt. Derzeit sei es ganz besonders schlimm. Schuld daran sind Eichenauers Meinung zufolge eindeutig die steigenden Kosten für die Haftpflicht.

Denn seit dem 1. Juli ist die Jahresprämie für freiberufliche Geburtshelferinnen von 4240 auf 5090 Euro gestiegen. Der Grund für diese Erhöhung sei, dass trotz leicht rückläufiger Schadensfälle in der Geburtshilfe die Kosten pro Schadensfall drastisch angestiegen sind.

Im Frühjahr gingen die Hebammen dagegen auf die Straße – sie bangten nicht nur um ihren jeweils eigenen Job, sondern um den ganzen Berufsstand. Nun wollen die gesetzlichen Krankenkassen für die Mehrkosten aufkommen: Ihr Spitzenverband hat den Hebammen angeboten, dafür von Juli an 6,48 Millionen Euro für ein Jahr bereitzustellen.

Vollkommen ungeklärt bleibt jedoch ihre Zukunft ab Juli 2015. Versicherungen haben bereits angekündigt, dann aus dem Konsortium auszusteigen. Ohne Haftpflichtschutz droht den Geburtshelferinnen faktisch ein Berufsverbot.

„Aber schon jetzt können es sich viele Kolleginnen nicht mehr leisten, ihren Traumberuf auszuüben“, sagt Eichenauer. Das bedeute konkret, dass viele Hebammen den Beruf wechselten. Die verbleibenden müssten so viel arbeiten, dass die Familie darunter leide – bis zu 60 Stunden die Woche. „Die vollbringen dann die Arbeitsleistung eines Managers, ohne aber dessen Gehalt zu bekommen“, sagt Eichenauer. Denn der durchschnittliche Netto-Stundenlohn von Hebammen beträgt 8,50 Euro.

Von diesen Auswirkungen ist auch das Geburtshaus Stuttgart-Mitte betroffen. Dort fehlten Kolleginnen, die trotz großer Bemühungen nicht gewonnen werden konnten. Deshalb muss das Geburtshaus nun über die Sommermonate pausieren.

Zum Hebammenmangel tragen nicht nur die vielem Berufsaufgaben bei, sondern auch der fehlende Nachwuchs: Die Bewerberinnenzahl an den Schulen sei zurückgegangen, sagt Eichenauer. Auch hierfür macht sie die schlechten Berufsbedingungen verantwortlich. „Und viele, die den Beruf dennoch ergreifen, sind schnell demoralisiert“, sagt Eichenauer. Sie habe gelesen, dass Hebammen nur eine Verweildauer von vier Jahren im Beruf haben. „Ich bin Lehrerin für Hebammenwesen – und ich habe das Gefühl, dass das stimmt“, sagt Eichenauer.

Nun hat der Sozialausschuss im Landtag sich am Donnerstag mit einer Resolution für die Belange von Hebammen starkgemacht. Die Rahmenbedingungen für die Berufsgruppe müssten verbessert werden, sagte die Vorsitzende des Gremiums, Bärbl Mielich (Grüne). Doch wie könnte eine Lösung aussehen? „Es gibt den Vorschlag, dass die Versicherung den Schaden bis zu einer bestimmten Summe übernimmt – und dann ein staatlicher Fonds einspringt“, sagt Ehlebracht. Aber wie auch immer: Die Versicherungsfrage müsse zwingend geklärt werden – und eine bessere Bezahlung für Hebammen sollte auch drin sein. Sonst sterbe der Berufsstand aus.

An diesem Samstag findet in Stuttgart eine Protestaktion der Elterninitiative Hebammenunterstützung statt: Von 9.30 bis 13 Uhr gibt es einen Infostand Ecke Kirch-/Stiftstraße, um 15 Uhr eine Kundgebung am Schillerplatz, unter anderem mit Bürgermeisterin Isabel Fezer.