Bei der Telekom wurden durch einen Hackerangriff Router lahmgelegt. Foto: dpa

Nicht nur Unternehmen sind Ziele von Cyber-Angriffen, auch Demokratien

Berlin - Es wird wohl Zufall sein, aber bemerkenswert ist es schon, dass der neue BND-Chef Bruno Kahl in der „Süddeutschen Zeitung“ just an dem Tag vor russischen Hacker-Angriffen warnte, an dem eine Cyber-Attacke mehrere Hundertausend Router der Telekom vorübergehend lahm legte. Unter Cyber-Attackenversteht man gezielte Angriffe auf größere Computernetzwerke. Fakt ist, dass die Bundesregierung mit größtem Misstrauen auf die Hackerfähigkeiten des großen östlichen Nachbarn blickt, mit denen, so die Sorge, auch der Bundestagswahlkampf beeinflusst werden könnte.

Es gebe „Erkenntnisse, dass Cyber-Attacken stattfinden, die keinen anderen Sinn haben, als politische Verunsicherung hervorzurufen“, so Kahl. Zwar räumte er ein, dass es naturgemäß sehr schwer sei, einen direkten Auftrag des Kremls für destabilisierende Cyber-Attacken auszumachen. Aber einiges spreche dafür, dass beispielsweise ein aktiver Eingriff in den US-Wahlkampf von gezielter Desinformation mittels Falschmeldungen bis hin zum illegalen Datenabfluss von Servern der Demokraten von staatlicher russischer Seite zumindest geduldet wurde. Auch das FBI hatte von einem Versuch „eines Nationalstaats“ gesprochen, den demokratischen Prozess von außen zu untergraben. Die US-Regierung hatte daraufhin mit nicht näher beschriebenen harten Gegenattacken gedroht.

Die schärfste Waffe wäre ein digitaler Angriff auf die Infrastruktur

Das Internet bietet also nicht nur Kriminellen neue Geschäftsmodelle. Es hat auch aggressiven Staatsführungen und Terroristen effektive und kostengünstige Möglichkeiten eröffnet, andere Staaten zu destabilisieren, ohne auch nur einen einzigen Schuss abzugeben. Die schärfste Waffe mit unmittelbaren Folgen für Millionen von Menschen wäre ein digitaler Angriff auf die Infrastruktur, etwa die Stromversorgung. Bereits 1991 wurde deshalb das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gegründet, das seitdem schrittweise ausgebaut wurde. Am 1. April 2011 startete das dem BSI angeschlossene Nationale Cyber-Abwehrzentrum, in dem die Sicherheitsorgane des Bundes versuchen, elektronische Angriffe auf kritische IT-Infrastrukturen des Bundes und der Wirtschaft zu entschlüsseln und abzuwehren. Auch die Geheimdienste haben ihre Cyber-Abwehr aufgerüstet. Die Bundesregierung hat Cyberangriffe, die nur schwer einem Verursacher direkt zuschreiben sind, jüngst als mögliche Form moderner Kriegsführung in ihre „Konzeption Zivile Verteidigung“ aufgenommen. Die Nato setzt einen Cyber-Angriff „in einer bestimmten Größenordnung“ mittlerweile gleich „mit einem bewaffneten Angriff“, der den Bündnisfall auslösen würde. Das zeigt, wie ernst Berlin und auch die Nato die staatlich gelenkte Bedrohung aus dem virtuellen Raum mittlerweile einschätzen.

Kanzlerin Angela Merkel hat bereits Erfahrungen mit Internet-Trollen gemacht

Ein vergleichsweise einfacher Weg, Demokratien in Schieflage zu bringen, ist klassische Propaganda. In deutschen Regierungskreisen wird in diesem Zusammenhang gern darauf verwiesen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin als ehemaliger KGB-Agent und Ex-Chef der nicht weniger schlagkräftigen Nachfolgeorganisation FSB ein exzellenter Kenner der Schlagkraft von Desinformation sein dürfte. Russland gilt mittlerweile als Drahtzieher zahlreicher Cyberattacken auf die Meinungsbildung. Nicht nur in den USA gibt es Hinweise auf gezielte und aufwiegelnde Falschinformationen, auch in Deutschland häufen sich Sicherheitsbehörden zufolge die Indizien für solche Attacken. Die Sorge vor einem „Informations-Krieg“ ist groß. So genannte Internet-Trolle verbreiten hunderttausendfach falsche Schlagzeilen oder fluten Kommentarspalten von Online-Foren.

Kanzlerin Angela Merkel hat damit bereits Erfahrung gemacht. Als Merkels Team beispielsweise im Juni 2015 anlässlich des G7-Gipfels in Elmau begann, einen Instagram-Kanal mit Bildern und Videos zu füllen, folgten wie auf Befehl in kürzester Zeit hunderte Kommentare auf Russisch, in denen Merkel unter anderem als Faschistin beschimpft wurde, die mit den „ukrainischen Faschisten“ paktiere. Ebenfalls im Sommer 2015 wurde das Bundestagsnetzwerk von einem Hacker-Angriff mit Trojanern verseucht, die Schadsoftware transportierte. Der Verfassungsschutz verfolgte eine Spur nach Russland. Im Mai 2016 warnte Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen bemerkenswert offen vor dem Cyberraum als einem Ort „hybrider Kriegsführung“, der „neue Operationsräume für Spionage und Sabotage“ eröffne. Und im September warnte nach erneuten Attacken zahlreiche Abgeordnete das BSI Parteien und Fraktionen eindringlich vor Ausspähungen durch Hacker. Auch dieser Angriff wurde in Sicherheitskreisen russischen Cyber-Profis zugeschrieben.