Weil sie ihn für gemeingefährlich hält, hat eine Strafkammer am Stuttgarter Landgericht einen 23-Jährigen in die Psychiatrie eingewiesen. Foto: dpa

Für die Richter war es ein kniffliger Fall, denn das psychiatrische Gutachten ist die eine Sache, die rechtliche Beurteilung etwas anderes. Die Rechtsprechung hat für den Fall einer Unterbringung in der Psychiatrie hohe Hürden aufgebaut. Eine Strafkammer am Landgericht hat sich jetzt darüber hinweggesetzt.

Ludwigsburg - Ein 23 Jahre alter Mann, der im Februar 2015 einen Gefängniswärter krankenhausreif geschlagen hat, muss in der Psychiatrie blieben. Der psychiatrische Gutachter diagnostizierte „eine paranoid halluzinatorische Schizophrenie“. Die Staatsanwaltschaft und die 5. Große Strafkammer am Stuttgarter Landgericht folgten dieser Auffassung und betrachteten den Mann als Gefahr für die Allgemeinheit. Sein Verteidiger hatte dagegen auf Freispruch plädiert.

Der junge Mann soll während eines Aufenthalts im Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg einem Angestellten durch einen Faustschlag den Kiefer gebrochen haben. Der Angeklagte räumte die Tat ein. Er habe sich über einen Justizbeamten geärgert, sagte er. Und als der ihm „zu nahe gekommen“ sei, habe er zugeschlagen. Außerdem soll es in der Folge zu heftigen verbalen Ausfällen und weiteren Attacken gegen andere Wärter gekommen sein.

Nach Ansicht des psychiatrischen Gutachters Professor Hermann Ebel deutet diese motivlose Handlungsweise auf einen schweren psychotischen Schub. Der Angeklagte sei zu diesem Zeitpunkt schuldunfähig gewesen. Die Gefahr weiterer Gewaltausbrüche sei schon deshalb nicht auszuschließen, weil kein Krankheitsbewusstsein vorliege. Weshalb sich der 23-Jährige, der von 2013 bis 2015 eine Haftstrafe zu verbüßen hatte, lange geweigert hat, sich medizinisch behandeln zu lassen.

Für die Richter war es ein sehr kniffliger Fall, denn das psychiatrische Gutachten ist die eine Sache, die rechtliche Beurteilung etwas völlig anderes. Denn die bundesdeutsche Rechtsprechung hat für den Fall einer Unterbringung in der Psychiatrie hohe Hürden aufgebaut. So muss eine eindeutige Gefährdung für den Patienten als auch für die Allgemeinheit vorliegen. Andererseits dürfen sich die angeklagten Fälle nicht ausschließlich in einer Haftsituation ereignet haben. Damit soll ausgeschlossen sein, dass die Tat letztlich nur eine Reaktion auf das Eingesperrtsein ist.

Ein Punkt, den der Verteidiger für seine Argumentation stark zu machen suchte. Auch wenn das Register der Vorstrafen seines Mandaten ellenlang sei – es handelt sich meist um Diebstahl und Betrugsdelikte – so habe es nur in einem Fall eine Körperverletzung gegeben. Und zu der sei es gekommen, weil der 23-Jährige einem Freund zu Hilfe gekommen sei. Diese Tat sei somit nicht vergleichbar mit der Attacke gegen den Wärter. Im Übrigen habe der Angeklagte 2015 ein halbes Jahr auf freiem Fuß verbracht, und in der Zeit sei es zu keinerlei Ausfällen gekommen.

Professor Ebel hatte das jedoch zuvor in seinem Gutachten bereits ein Stück weit entkräftet. Man dürfe sich nicht täuschen lassen, so der Leiter der Psychiatrie am Klinikum Ludwigsburg. Ein Kennzeichen dieser schweren seelischen Störung sei gerade der Umstand, dass es jederzeit und ohne von außen sichtbare Ursachen krankhafte Schübe geben könne. Mit unberechenbaren Folgen. Niemand könne ausschließen, dass der Mann, der mehrmals damit gedroht hat, Amok zu laufen, „ein Blutbad“ oder „ein Massaker“ anzurichten, das nicht tatsächlich irgendwann einmal in die Tat umsetze.

Der 23-Jährige bedürfe dringend einer Therapie, sagte Ebel. Zuerst müsse er einsehen, dass er schwer krank ist, dann müsse er gefestigt werden: sozial und beruflich. Da der junge Mann keine Ausbildung hat, müsse er das nachholen. Die Krankheit sei zwar nicht heilbar, aber es gebe die Chance, den Patienten so zu stabilisieren, dass er ein normales Leben führen könne. Das dauere allerdings mehrere Jahre. Mit dem Urteil ist der Weg dafür geebnet.