Der 458 Italia ist eines der Motive aus dem aktuellen Kalender 2013. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: Günther Raupp

Vom chromblitzenden Oldtimer bis zum hybridgetriebenen PS-Monster: Der Fotograf Günther Raupp aus dem Kreis Ludwigsburg hatte in 30 Jahren 360  Ferraris vor der Linse. Zum Jubiläum erscheint im Herbst ein Bildband.

Murr/Maranello - Vollkommen leer gefegt liegt der Platz unter der gleißenden Sonne Italiens. Wie ein Finger, der vor der ablaufenden Zeit warnt, reckt sich ein alter, baufälliger Uhrturm in die Höhe. Davor warten fast 500 PS darauf, loszufahren – ein Ferrari California in seiner ganzen Pracht.

Die Szene stammt aus der Kamera des Fotografen Günther Raupp. Seit 1984 fotografiert und gestaltet der 61-Jährige, der in Murr im Landkreis Ludwigsburg lebt, jedes Jahr einen offiziell lizenzierten Kalender für die italienische Edelmarke. „Das darf sonst niemand“, sagt er stolz. Ende August erscheint sein 30.  Kalender, zum Jubiläum wird im Herbst ein 300-seitiger Bildband herausgegeben. Der spannt ihn derzeit voll ein. Im Oktober will er das Buch auf der Stuttgarter Königstraße präsentieren – Ferraris als Dekoration inklusive. Schließlich versteht er den Band als Überblick über sein Lebenswerk und seinen charakteristischen Fotografiestil.

In der Werbefotografie ist es heute oft üblich, Autos im Studio zu fotografieren, Hintergründe am Computer auszutauschen oder komplette Bilder am Rechner entstehen zu lassen. Auch Günther Raupp will mit seinen Werken nicht sklavisch die Realität abbilden, sondern die Bilder in seinem Kopf real werden lassen. Einen Grundsatz verfolgt er aber: „Ein Sportwagen im Studio – das wäre, als würde man ein wildes Tier im Zoo ablichten“, sagt er. Seine Bilder entstehen vor Ort, „on location“, neben Villen in der Toskana, an Küstenstraßen in Florida oder auf der Ferrari-Teststrecke in Maranello. Das klingt nach einem Traumjob, doch die Zeit ist knapp, das Wetter launisch und die Anforderungen hoch.

Raupp und seine Obsession: Autos

Obwohl er für seine Motive rund um den Globus reist, lebt Raupp recht zurückgezogen in der schwäbischen Kleinstadt. „Und zwar ganz bewusst“, sagt er. „Hier kann ich ungestört arbeiten, ich bin ein Tiefwurzler.“ Das gilt auch für sein großes Thema Automobile. Zwar hat Raupp für einzelne Aufträge schon Speisen oder Modekollektionen fotografiert, aber der Funke sprang damals nicht über. „Um bei der Arbeit an einen bestimmten Punkt zu kommen, muss man einfach seiner Leidenschaft folgen“, ist Raupp überzeugt. An seiner Obsession besteht kein Zweifel: Autos. Er hat schon große Werbekampagnen für viele verschiedene Hersteller fotografiert, doch die Krönung war für ihn schon immer die italienische Luxusmarke mit dem steigenden Pferd im Logo. Als er erzählt, wie er für den kommenden Kalender den brandneuen LaFerrari mit fast 1000 PS und Hybridantrieb fotografiert hat, funkeln seine Augen begeistert hinter der Brille hervor.

Ob ein Wagen neu oder alt ist, macht für ihn keinen Unterschied. Es zählt der Charakter: „Autos werden heute meist für den Massenmarkt gebaut, die Persönlichkeit geht dabei verloren.“ Aber auch bei einem ausgefallenen Sportwagen könne ein Fotograf viel falsch machen. „Bei einem aufregenden Gegenüber verlieren selbst erfahrene Fotografen leicht die Nerven – das ist, als hätte man Marilyn Monroe vor der Linse.“

Bei so großer Begeisterung lässt sich Raupp nur wenig von seiner Arbeit abnehmen. Die Suche nach geeigneten Aufnahmeorten erledigt er selbst, für die Fotos geht ihm seine Frau Karin zur Hand, zum Beispiel beim Aufbau der aufwendigen Blitzanlage. Die beiden sind ein eingespieltes Team: „Das ist wie beim Reifenwechsel in der Formel Eins“, meint der Fotograf. Die Bildbearbeitung und die Gestaltung der Kalender übernimmt er ebenfalls persönlich.

Zwischen Werbung und Kunst

Günther Raupp hat Malerei und Kunstgeschichte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart studiert. Schon damals entwickelte er eine Leidenschaft für Fotografie und schnelle Autos. Seine heutige Arbeit bewegt sich zwischen Werbung und Kunst – für ihn schließt das eine das andere nicht aus. „Kunst definiert sich nicht dadurch, dass sie kommerziell erfolgreich oder nicht erfolgreich ist“, sagt er. Da ist es nur konsequent, dass er seine Fotografien gerne aufwendig präsentiert sieht. Seine Ausstellung „Mythos Ferrari“ im saarländischen Weltkulturerbe Völklinger Hütte zog Anfang des Jahres 33 000 Besucher an. Jetzt plant er eine Welttournee.

Raupps „Baby“, ein großformatiger Hochglanzkalender, ist mit fast 80 Euro nicht gerade billig – ganz wie die Motive. Während der „Straßenferrari“ für einige hunderttausend Euro zu haben ist, müssen es für einen ausrangierten Formel-Eins-Rennwagen drei Millionen sein. So pompös ging es am Anfang von Raupps Karriere noch nicht zu. Sein erster großer Auftraggeber aus der Autobranche war Fiat.