Redaktionsgast Oettinger (links) und Chefredakteur Reisinger Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

EU-Kommissar Günther Oettinger kritisiert die Griechen. Warum er sie trotzdem in der Eurozone halten will, erklärt er beim Redaktionsbesuch.

Stuttgart - Bundeskanzlerin Angela Merkel ist über den Stand der Griechenlandverhandlungen bei Beginn des EU-Gipfels der Staats- und Regierungschefs enttäuscht. Weder Athen, die Gläubiger noch die Euro-Finanzminister hätten den nötigen Fortschritt herbeigeführt, die zum 30. Juni drohende Zahlungsunfähigkeit Athens abzuwenden, sagte sie in Brüssel. In einigen Bereichen habe sie den Eindruck, dass man hinter bereits Erreichtes zurückgefallen sei. Die Verhandlungen liegen nach ihren Worten federführend bei den Euro-Finanzministern. Zum Gipfel der Staats- und Regierungschefs lagen Lösungsvorschläge der Gläubiger und Athens vor, die in einigen Bereichen weit voneinander entfernt waren. Die Euro-Finanzminister wollen sich am Samstag wieder treffen,

EU-Kommissar Günther Oettinger sieht beim griechischen Konzept einen „grundlegenden Fehler“: „Es setzt stark auf Steuererhöhungen und weniger auf die Ausgabenseite“, sagte der Digitalkommissar beim Redaktionsbesuch. So komme die Wirtschaft kaum voran. Angesichts finanzieller und politischer Risiken eines Grexits plädierte Oettinger für einen Verbleib Athens im Euro: „Das Ziel ist es, Griechenland mit allen vertretbaren Mitteln im Euro-Raum zu halten.“

Im Falle seiner Staatspleite würde Griechenland zum „Notstandsgebiet“. „Dann müssten wir ohnehin mit Milliarden helfen.“ Langfristig sieht Oettinger Chancen für einen Aufschwung in dem „Entwicklungsland“. „Griechenland wird nie eine S-Klasse bauen oder Chemiestandort sein“, es besitze aber im Tourismus etwa auch Stärken. Mit Blick auf die Kritik der Europaskeptiker verteidigte er die Hilfsanstrengungen. „Deutschland hat von der EU und dem Binnenmarkt einen unglaublichen Vorteil.“